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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. II. Band.

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Ungedruckte Briefe ki. Stägemanns.
,^5.,

..j-,i.
Berlin, den 3. Dec. 1822.

Ich bin dieses Mal wieder lange in Ihrer Schuld verblieben, hochverehr¬
tester Freund. Die Entschuldigungsgründe werden Sie gewiß erlassen, weil
Sie damit wenigstens ebenso gut bekannt sein müssen, wie ein Kammerherr
mit der Reiseroute des Königs. Indeß hatte ich i-n der That schon vor we¬
nigstens drei Wochen einen Brief an Sie angefangen, der ein Fragment ge¬
blieben ist.

Der Herr Finanzminister hat, um von Ihren eigenen Angelegenheiten an¬
zufangen, dem Herrn Staatskanzler geantwortet. Ich würde die Sache dem
Herrn Fürsten am liebsten mündlich vorgetragen haben, da jedoch die Zurück-
kunft Sr. Durchlaucht noch ungewiß ist und ich übrigens weiß, daß Sie von
dem Fürsten keine Ungunst zu befürchten haben, so habe ich kein Bedenken
gefunden, die Entscheidung auch aus Verona zu erbitten. Ich hoffe, Sie haben
alsdann Verfügungen aus allen Congreßortern der neuen christlich-türkischen
Zeit aufzuweisen.

Für die Angelegenheit der Fort'schen Familie haben Sie sich mit freund¬
schaftlicher Wärme und redlichem Gemüth verwendet. Der Herr Fürst Staats-
kanzler hat seine Zufriedenheit mit Ihren Arbeiten mündlich gegen mich ge¬
äußert. Mit den rheinischen Juristen haben Sie es freilich verdorben, auch
mit dem Herrn Justizminister, der sonst kein Freund der rheinischen Justizpflege
war. Da er aber als eine treue Henne nunmehr auch die erwähnten Herren
unter seine Flügel genommen, so scheint es ihm einerlei, ob er junge Hühner
oder Fledermäuse darunter erwärme. So viel ich in Erfahrung gebracht, ist
der Bericht des hiesigen R>evisionshofes noch immer nicht erstattet.

Meine Meinung, die ich als ein ehemaliger Criminalist habe, ist: daß
wenn Fort den Concil ermordet oder an seiner Ermordung Theil genommen,
es auf die von Hamacher angegebene Weise nicht habe geschehen können.
Da nun keine Spur vorhanden, daß es auf andere Weise geschehen, so muß
ich ihn für schuldlos erklären und das Weitere dem Herzenskündiger anheim¬
stellen!

Ich glaube, daß die Leute, die sonst französisch waren, schon früher über
die Borzüge des Preußischen im Reinen gewesen wären, wenn nicht bei der
Organisation der Regierungen mit unverantwortlicher Leichtfertigkeit verfahren
wäre. Grade die allertüchtigsten Subjecte, gemischt aus Landeseingebornen
und aus Preußen, mußten die Mitglieder dieser Regierungen werden. Die in


Grenzboten II. 1860. 58
Ungedruckte Briefe ki. Stägemanns.
,^5.,

..j-,i.
Berlin, den 3. Dec. 1822.

Ich bin dieses Mal wieder lange in Ihrer Schuld verblieben, hochverehr¬
tester Freund. Die Entschuldigungsgründe werden Sie gewiß erlassen, weil
Sie damit wenigstens ebenso gut bekannt sein müssen, wie ein Kammerherr
mit der Reiseroute des Königs. Indeß hatte ich i-n der That schon vor we¬
nigstens drei Wochen einen Brief an Sie angefangen, der ein Fragment ge¬
blieben ist.

Der Herr Finanzminister hat, um von Ihren eigenen Angelegenheiten an¬
zufangen, dem Herrn Staatskanzler geantwortet. Ich würde die Sache dem
Herrn Fürsten am liebsten mündlich vorgetragen haben, da jedoch die Zurück-
kunft Sr. Durchlaucht noch ungewiß ist und ich übrigens weiß, daß Sie von
dem Fürsten keine Ungunst zu befürchten haben, so habe ich kein Bedenken
gefunden, die Entscheidung auch aus Verona zu erbitten. Ich hoffe, Sie haben
alsdann Verfügungen aus allen Congreßortern der neuen christlich-türkischen
Zeit aufzuweisen.

Für die Angelegenheit der Fort'schen Familie haben Sie sich mit freund¬
schaftlicher Wärme und redlichem Gemüth verwendet. Der Herr Fürst Staats-
kanzler hat seine Zufriedenheit mit Ihren Arbeiten mündlich gegen mich ge¬
äußert. Mit den rheinischen Juristen haben Sie es freilich verdorben, auch
mit dem Herrn Justizminister, der sonst kein Freund der rheinischen Justizpflege
war. Da er aber als eine treue Henne nunmehr auch die erwähnten Herren
unter seine Flügel genommen, so scheint es ihm einerlei, ob er junge Hühner
oder Fledermäuse darunter erwärme. So viel ich in Erfahrung gebracht, ist
der Bericht des hiesigen R>evisionshofes noch immer nicht erstattet.

Meine Meinung, die ich als ein ehemaliger Criminalist habe, ist: daß
wenn Fort den Concil ermordet oder an seiner Ermordung Theil genommen,
es auf die von Hamacher angegebene Weise nicht habe geschehen können.
Da nun keine Spur vorhanden, daß es auf andere Weise geschehen, so muß
ich ihn für schuldlos erklären und das Weitere dem Herzenskündiger anheim¬
stellen!

Ich glaube, daß die Leute, die sonst französisch waren, schon früher über
die Borzüge des Preußischen im Reinen gewesen wären, wenn nicht bei der
Organisation der Regierungen mit unverantwortlicher Leichtfertigkeit verfahren
wäre. Grade die allertüchtigsten Subjecte, gemischt aus Landeseingebornen
und aus Preußen, mußten die Mitglieder dieser Regierungen werden. Die in


Grenzboten II. 1860. 58
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[0469] Ungedruckte Briefe ki. Stägemanns. ,^5., ..j-,i. Berlin, den 3. Dec. 1822. Ich bin dieses Mal wieder lange in Ihrer Schuld verblieben, hochverehr¬ tester Freund. Die Entschuldigungsgründe werden Sie gewiß erlassen, weil Sie damit wenigstens ebenso gut bekannt sein müssen, wie ein Kammerherr mit der Reiseroute des Königs. Indeß hatte ich i-n der That schon vor we¬ nigstens drei Wochen einen Brief an Sie angefangen, der ein Fragment ge¬ blieben ist. Der Herr Finanzminister hat, um von Ihren eigenen Angelegenheiten an¬ zufangen, dem Herrn Staatskanzler geantwortet. Ich würde die Sache dem Herrn Fürsten am liebsten mündlich vorgetragen haben, da jedoch die Zurück- kunft Sr. Durchlaucht noch ungewiß ist und ich übrigens weiß, daß Sie von dem Fürsten keine Ungunst zu befürchten haben, so habe ich kein Bedenken gefunden, die Entscheidung auch aus Verona zu erbitten. Ich hoffe, Sie haben alsdann Verfügungen aus allen Congreßortern der neuen christlich-türkischen Zeit aufzuweisen. Für die Angelegenheit der Fort'schen Familie haben Sie sich mit freund¬ schaftlicher Wärme und redlichem Gemüth verwendet. Der Herr Fürst Staats- kanzler hat seine Zufriedenheit mit Ihren Arbeiten mündlich gegen mich ge¬ äußert. Mit den rheinischen Juristen haben Sie es freilich verdorben, auch mit dem Herrn Justizminister, der sonst kein Freund der rheinischen Justizpflege war. Da er aber als eine treue Henne nunmehr auch die erwähnten Herren unter seine Flügel genommen, so scheint es ihm einerlei, ob er junge Hühner oder Fledermäuse darunter erwärme. So viel ich in Erfahrung gebracht, ist der Bericht des hiesigen R>evisionshofes noch immer nicht erstattet. Meine Meinung, die ich als ein ehemaliger Criminalist habe, ist: daß wenn Fort den Concil ermordet oder an seiner Ermordung Theil genommen, es auf die von Hamacher angegebene Weise nicht habe geschehen können. Da nun keine Spur vorhanden, daß es auf andere Weise geschehen, so muß ich ihn für schuldlos erklären und das Weitere dem Herzenskündiger anheim¬ stellen! Ich glaube, daß die Leute, die sonst französisch waren, schon früher über die Borzüge des Preußischen im Reinen gewesen wären, wenn nicht bei der Organisation der Regierungen mit unverantwortlicher Leichtfertigkeit verfahren wäre. Grade die allertüchtigsten Subjecte, gemischt aus Landeseingebornen und aus Preußen, mußten die Mitglieder dieser Regierungen werden. Die in Grenzboten II. 1860. 58

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109263/469>, abgerufen am 30.05.2024.