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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. II. Band.

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Der Bundestag und Schleswig-Holstein.

Am 8. März hat der Bundestag einen Beschluß gefaßt, der den Dänen
wenig gefallen, vielen Deutschen noch nicht genügen wird, jedenfalls einen
Beschluß von einer gewissen Bedeutung.

Die Schleswig-holsteinische Frage kam zum ersten Male in der Bundes.
Versammlung zur Sprache, nachdem Christian der Achte 1846 durch seinen
"Offenen Brief" einen dänischen Gesammtstaat zu constituiren versucht hatte.
Damals ließ der König auf die Beschwerde der holsteinischen Stände erklären,
es sei ihm niemals in den Sinn gekommen, die Selbstständigkeit des Herzog-
thums Holstein, dessen Verfassung und sonstige auf Gesetz und Herkommen
beruhende Beziehungen zu beeinträchtigen, er werde bei seinen Bestrebungen,
die Successionsvcrhältnisse von Holstein zu ordnen, wohlbegründeten Rechten
der Agnaten nicht zu nahe treten.

Der Bundestag sprach darauf hin am 27. Sptbr. 1846 die Erwartung
aus, daß der König-Herzog bei endlicher Feststellung der im Offenen Briefe
vom 8. Juli besprochenen Verhältnisse die Rechte Aller und Jeder,
insbesondere aber des deutschen Bundes, erbberechtigter Agnaten
und der gesetzmäßigen Landesvertretung Holsteins beachten werde,
und behielt sich, als Organ des deutschen Bundes, die Geltendmachung
seiner verfassungsmäßigen Kompetenz in vorkommenden Fällen
vor. Nicht direct in diesen Worten, aber in der Acceptation der dänischen
Erklärung lag eine Wahrung der Selbstständigkeit Holsteins und seiner Ver¬
bindung mit Schleswig; es war trotz der undeutlichen und geschraubten
Wendungen der Erklärung kein Zweifel, daß diese Verbindung unter den
"sonstigen auf Gesetz und Herkommen beruhenden Beziehungen" gemeint
war; wie weit freilich die Kompetenz der B.-V. sich erstrecke, darüber enthielt
der Beschluß keinen bestimmten Ausspruch. Sie hatte damals, den blos
angekündigten und soeben widerrufenen Absichten gegenüber, keinen Anlaß,
bestimmter aufzutreten.

Am 4. April 1348 faßte die Bundesversammlung -- nicht die National¬
versammlung -- einen Beschluß, in welchem sie das Recht Holsteins auf seine
staatsrechtliche Verbindung mit Schleswig ausdrücklich billigte.


Gvonzl.oder II. 1360. 6
Der Bundestag und Schleswig-Holstein.

Am 8. März hat der Bundestag einen Beschluß gefaßt, der den Dänen
wenig gefallen, vielen Deutschen noch nicht genügen wird, jedenfalls einen
Beschluß von einer gewissen Bedeutung.

Die Schleswig-holsteinische Frage kam zum ersten Male in der Bundes.
Versammlung zur Sprache, nachdem Christian der Achte 1846 durch seinen
„Offenen Brief" einen dänischen Gesammtstaat zu constituiren versucht hatte.
Damals ließ der König auf die Beschwerde der holsteinischen Stände erklären,
es sei ihm niemals in den Sinn gekommen, die Selbstständigkeit des Herzog-
thums Holstein, dessen Verfassung und sonstige auf Gesetz und Herkommen
beruhende Beziehungen zu beeinträchtigen, er werde bei seinen Bestrebungen,
die Successionsvcrhältnisse von Holstein zu ordnen, wohlbegründeten Rechten
der Agnaten nicht zu nahe treten.

Der Bundestag sprach darauf hin am 27. Sptbr. 1846 die Erwartung
aus, daß der König-Herzog bei endlicher Feststellung der im Offenen Briefe
vom 8. Juli besprochenen Verhältnisse die Rechte Aller und Jeder,
insbesondere aber des deutschen Bundes, erbberechtigter Agnaten
und der gesetzmäßigen Landesvertretung Holsteins beachten werde,
und behielt sich, als Organ des deutschen Bundes, die Geltendmachung
seiner verfassungsmäßigen Kompetenz in vorkommenden Fällen
vor. Nicht direct in diesen Worten, aber in der Acceptation der dänischen
Erklärung lag eine Wahrung der Selbstständigkeit Holsteins und seiner Ver¬
bindung mit Schleswig; es war trotz der undeutlichen und geschraubten
Wendungen der Erklärung kein Zweifel, daß diese Verbindung unter den
„sonstigen auf Gesetz und Herkommen beruhenden Beziehungen" gemeint
war; wie weit freilich die Kompetenz der B.-V. sich erstrecke, darüber enthielt
der Beschluß keinen bestimmten Ausspruch. Sie hatte damals, den blos
angekündigten und soeben widerrufenen Absichten gegenüber, keinen Anlaß,
bestimmter aufzutreten.

Am 4. April 1348 faßte die Bundesversammlung — nicht die National¬
versammlung — einen Beschluß, in welchem sie das Recht Holsteins auf seine
staatsrechtliche Verbindung mit Schleswig ausdrücklich billigte.


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[0053] Der Bundestag und Schleswig-Holstein. Am 8. März hat der Bundestag einen Beschluß gefaßt, der den Dänen wenig gefallen, vielen Deutschen noch nicht genügen wird, jedenfalls einen Beschluß von einer gewissen Bedeutung. Die Schleswig-holsteinische Frage kam zum ersten Male in der Bundes. Versammlung zur Sprache, nachdem Christian der Achte 1846 durch seinen „Offenen Brief" einen dänischen Gesammtstaat zu constituiren versucht hatte. Damals ließ der König auf die Beschwerde der holsteinischen Stände erklären, es sei ihm niemals in den Sinn gekommen, die Selbstständigkeit des Herzog- thums Holstein, dessen Verfassung und sonstige auf Gesetz und Herkommen beruhende Beziehungen zu beeinträchtigen, er werde bei seinen Bestrebungen, die Successionsvcrhältnisse von Holstein zu ordnen, wohlbegründeten Rechten der Agnaten nicht zu nahe treten. Der Bundestag sprach darauf hin am 27. Sptbr. 1846 die Erwartung aus, daß der König-Herzog bei endlicher Feststellung der im Offenen Briefe vom 8. Juli besprochenen Verhältnisse die Rechte Aller und Jeder, insbesondere aber des deutschen Bundes, erbberechtigter Agnaten und der gesetzmäßigen Landesvertretung Holsteins beachten werde, und behielt sich, als Organ des deutschen Bundes, die Geltendmachung seiner verfassungsmäßigen Kompetenz in vorkommenden Fällen vor. Nicht direct in diesen Worten, aber in der Acceptation der dänischen Erklärung lag eine Wahrung der Selbstständigkeit Holsteins und seiner Ver¬ bindung mit Schleswig; es war trotz der undeutlichen und geschraubten Wendungen der Erklärung kein Zweifel, daß diese Verbindung unter den „sonstigen auf Gesetz und Herkommen beruhenden Beziehungen" gemeint war; wie weit freilich die Kompetenz der B.-V. sich erstrecke, darüber enthielt der Beschluß keinen bestimmten Ausspruch. Sie hatte damals, den blos angekündigten und soeben widerrufenen Absichten gegenüber, keinen Anlaß, bestimmter aufzutreten. Am 4. April 1348 faßte die Bundesversammlung — nicht die National¬ versammlung — einen Beschluß, in welchem sie das Recht Holsteins auf seine staatsrechtliche Verbindung mit Schleswig ausdrücklich billigte. Gvonzl.oder II. 1360. 6

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109263/53>, abgerufen am 30.05.2024.