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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. II. Band.

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kung wird dies haben? in Spanien? in Frankreich? Das sind wol, mein
lieber Vcnzenberg, Fragen, vor denen selbst Ihre Dialektik bedenklich verweilen
wird und die keine Ihrer Gleichungen aufzulösen vermag.

Durch frühere fehlerhafte Schritte kann wol ein König in Lagen kom¬
men, wo es ihm dann unmöglich wird keine Fehler zu begehen. "Sei glück¬
lich" rief das römische Volk seinen Imperatoren zu, und wol mit Recht,
denn zum Regieren gehört nicht weniger Glück, als zum Krieg führen. Wenn
ehedem die Leute vor unseren damaligen Ministern sich ehrerbietig verbeugten,
da glaubten sie erhabene Geister vor sich zu haben. Aber die einfache Staats-
maschine war einmal im Gange, die Räder durften nur geölt werden; heut¬
zutage ist es anders, da sollen die Minister alles wissen, alles kennen, alles
neu schaffen und jedermann dabei zufrieden stellen, überdies alle christlichen
Tugenden besitzen, und noch obendrein, wie Sie verlangen, einen Antheil an
Gottlosigkeit.

Sie machen uns Hoffnung, Sie hier zu sehen. Wenn Sie sich wieder
einmal entschließen könnten, mich in Schlesien zu besuchen, so wäre ich jetzt
besser im Stande. Sie aufzunehmen. Die Nähe von Hirschberg, Schmiedeberg
und Warmbrunn und die Chaussee führen nur jetzt mehr Gäste zu, als damals
in schlechter Jahreszeit und bei den abscheulichen Kauffunger Wegen der Fall war.
Zudem haben Sie die Sudeten noch nicht gesehen, obgleich Sie mitten da¬
rinnen sich befanden. Also Freund Rüvczal und sein Nachbar laden Sie ein.


Der Himmel erhalte Sie in Gesundheit und Heiterkeit.
Ihr treuergebener Freund und Dr.
v. Gneisenau.
13.

Berlin den 6. Juli 1820.


Mein verehrter Herr Professor!

Sie haben die Probebogen Ihres Werkes über Constitutionen von mir
zurückverlangt und ich gehorche Ihrem Willen, indem ich es Ihnen hiermit
übersende, obgleich ich mich ungern davon trenne, der Erinnerung an unsern
Aufenthalt in Carlsbad und Töplitz wegen. Auch hätte ich solches Ihnen,
wenn Sie es nun einmal wieder verlangen, gern persönlich überreicht, aber
leider hat es Ihnen nicht gefallen. Ihre desfallsige Verheißung zu erfüllen.
Es ist aber wirklich hier nicht so schlimm, als man es im Ausland sich vor¬
stellt. Hier und da ein unzufriedener Professor oder sonst einer der Unbeschäf¬
tigten.

Was uns mehr drückt, ist der niedere Preis des Getreides, der nachtheilig
aus die Städte zurückwirkt, durch Mangel an Absatz. Wagen- und Meubel-
magazine sind hier angefüllt und keine Käufer dazu. Dabei ist kein Absatz unserer
Lcinenwaarcn, unseres Holzes, unseres Eisens, unserer Wolltücher. Die ehe-


kung wird dies haben? in Spanien? in Frankreich? Das sind wol, mein
lieber Vcnzenberg, Fragen, vor denen selbst Ihre Dialektik bedenklich verweilen
wird und die keine Ihrer Gleichungen aufzulösen vermag.

Durch frühere fehlerhafte Schritte kann wol ein König in Lagen kom¬
men, wo es ihm dann unmöglich wird keine Fehler zu begehen. „Sei glück¬
lich" rief das römische Volk seinen Imperatoren zu, und wol mit Recht,
denn zum Regieren gehört nicht weniger Glück, als zum Krieg führen. Wenn
ehedem die Leute vor unseren damaligen Ministern sich ehrerbietig verbeugten,
da glaubten sie erhabene Geister vor sich zu haben. Aber die einfache Staats-
maschine war einmal im Gange, die Räder durften nur geölt werden; heut¬
zutage ist es anders, da sollen die Minister alles wissen, alles kennen, alles
neu schaffen und jedermann dabei zufrieden stellen, überdies alle christlichen
Tugenden besitzen, und noch obendrein, wie Sie verlangen, einen Antheil an
Gottlosigkeit.

Sie machen uns Hoffnung, Sie hier zu sehen. Wenn Sie sich wieder
einmal entschließen könnten, mich in Schlesien zu besuchen, so wäre ich jetzt
besser im Stande. Sie aufzunehmen. Die Nähe von Hirschberg, Schmiedeberg
und Warmbrunn und die Chaussee führen nur jetzt mehr Gäste zu, als damals
in schlechter Jahreszeit und bei den abscheulichen Kauffunger Wegen der Fall war.
Zudem haben Sie die Sudeten noch nicht gesehen, obgleich Sie mitten da¬
rinnen sich befanden. Also Freund Rüvczal und sein Nachbar laden Sie ein.


Der Himmel erhalte Sie in Gesundheit und Heiterkeit.
Ihr treuergebener Freund und Dr.
v. Gneisenau.
13.

Berlin den 6. Juli 1820.


Mein verehrter Herr Professor!

Sie haben die Probebogen Ihres Werkes über Constitutionen von mir
zurückverlangt und ich gehorche Ihrem Willen, indem ich es Ihnen hiermit
übersende, obgleich ich mich ungern davon trenne, der Erinnerung an unsern
Aufenthalt in Carlsbad und Töplitz wegen. Auch hätte ich solches Ihnen,
wenn Sie es nun einmal wieder verlangen, gern persönlich überreicht, aber
leider hat es Ihnen nicht gefallen. Ihre desfallsige Verheißung zu erfüllen.
Es ist aber wirklich hier nicht so schlimm, als man es im Ausland sich vor¬
stellt. Hier und da ein unzufriedener Professor oder sonst einer der Unbeschäf¬
tigten.

Was uns mehr drückt, ist der niedere Preis des Getreides, der nachtheilig
aus die Städte zurückwirkt, durch Mangel an Absatz. Wagen- und Meubel-
magazine sind hier angefüllt und keine Käufer dazu. Dabei ist kein Absatz unserer
Lcinenwaarcn, unseres Holzes, unseres Eisens, unserer Wolltücher. Die ehe-


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[0072] kung wird dies haben? in Spanien? in Frankreich? Das sind wol, mein lieber Vcnzenberg, Fragen, vor denen selbst Ihre Dialektik bedenklich verweilen wird und die keine Ihrer Gleichungen aufzulösen vermag. Durch frühere fehlerhafte Schritte kann wol ein König in Lagen kom¬ men, wo es ihm dann unmöglich wird keine Fehler zu begehen. „Sei glück¬ lich" rief das römische Volk seinen Imperatoren zu, und wol mit Recht, denn zum Regieren gehört nicht weniger Glück, als zum Krieg führen. Wenn ehedem die Leute vor unseren damaligen Ministern sich ehrerbietig verbeugten, da glaubten sie erhabene Geister vor sich zu haben. Aber die einfache Staats- maschine war einmal im Gange, die Räder durften nur geölt werden; heut¬ zutage ist es anders, da sollen die Minister alles wissen, alles kennen, alles neu schaffen und jedermann dabei zufrieden stellen, überdies alle christlichen Tugenden besitzen, und noch obendrein, wie Sie verlangen, einen Antheil an Gottlosigkeit. Sie machen uns Hoffnung, Sie hier zu sehen. Wenn Sie sich wieder einmal entschließen könnten, mich in Schlesien zu besuchen, so wäre ich jetzt besser im Stande. Sie aufzunehmen. Die Nähe von Hirschberg, Schmiedeberg und Warmbrunn und die Chaussee führen nur jetzt mehr Gäste zu, als damals in schlechter Jahreszeit und bei den abscheulichen Kauffunger Wegen der Fall war. Zudem haben Sie die Sudeten noch nicht gesehen, obgleich Sie mitten da¬ rinnen sich befanden. Also Freund Rüvczal und sein Nachbar laden Sie ein. Der Himmel erhalte Sie in Gesundheit und Heiterkeit. Ihr treuergebener Freund und Dr. v. Gneisenau. 13. Berlin den 6. Juli 1820. Mein verehrter Herr Professor! Sie haben die Probebogen Ihres Werkes über Constitutionen von mir zurückverlangt und ich gehorche Ihrem Willen, indem ich es Ihnen hiermit übersende, obgleich ich mich ungern davon trenne, der Erinnerung an unsern Aufenthalt in Carlsbad und Töplitz wegen. Auch hätte ich solches Ihnen, wenn Sie es nun einmal wieder verlangen, gern persönlich überreicht, aber leider hat es Ihnen nicht gefallen. Ihre desfallsige Verheißung zu erfüllen. Es ist aber wirklich hier nicht so schlimm, als man es im Ausland sich vor¬ stellt. Hier und da ein unzufriedener Professor oder sonst einer der Unbeschäf¬ tigten. Was uns mehr drückt, ist der niedere Preis des Getreides, der nachtheilig aus die Städte zurückwirkt, durch Mangel an Absatz. Wagen- und Meubel- magazine sind hier angefüllt und keine Käufer dazu. Dabei ist kein Absatz unserer Lcinenwaarcn, unseres Holzes, unseres Eisens, unserer Wolltücher. Die ehe-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109263/72>, abgerufen am 30.05.2024.