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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band.

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Von der preußischen Grenze.

Wenn wir auch über das, was in Teplitz geschehen ist, im Einzelnen nicht
unterrichtet sind, so laßt sich doch aus der Haltung der beiden Betheiligten
mit ziemlicher Sicherheit entnehmen, welche Richtung man im Allgemeinen
beobachtet hat. Preußen hat im Fall eines Angriffs aus Venedig seine Hilfe
zugesagt. Ob nur für den Fall,, daß auch die Franzoseu sich bei einem solchen
Unternehmen betheiligen, oder für jeden Fall, darüber weichen die Berichte von
einander ab; es ist das aber auch im Grunde gleichartig, da man schwerlich
annehmen darf, daß sich König Victor Emanuel auf einen solchen Angriff
einlassen wird, wenn er des französischen Beistandes vorher nicht gewiß ist.
Zur Entschädigung soll sich Oestreich dazu verstanden haben. Preußen für den
Fall eines französischen Angriffs auf den Rhein seine Hilfe zuzusagen. Eine
seltsame Art von Entschädigung, da Oestreich zu dieser Hilfe ohnehin verpflichtet
ist, während Preußen eine neue und sehr ernste Verpflichtung übernimmt. Wie
es mit Dänemark zu halten sei. darüber ist nichts ausgemacht; ja man scheint
dies Thema ganz und gnr vermieden zu haben. Ebenso wenig ist die Even¬
tualität eines russischen Krieges ins Auge gefaßt; ja es scheint der nicht un¬
wesentlichste Zweck dieser Zusammenkunft gewesen zu sein, eine allmälige Ver¬
ständigung zwischen Rußland und Oestreich anzubahnen.

Die Hauptsache ist aber, was über die deutsche Wehrverfassung für den
Fall eines Bundeskriegs ausgemacht ist. Die einzige Version, die bis jetzt
ins Publikum gedrungen ist, lautet dahin, daß für den Fall eines italienischen
Krieges Oestreich, für den Fall eines Rheiukrieges Preußen den Oberbefehl
über die gesammte Buudesmacht zu führen hube. Da nun aber der einzige
Krieg, auf den man sein Augenmerk gerichtet hat, in Italien und am Rhein
zugleich geführt werden muß, so würde ein solches Abkommen scheinbar zu
demselben Resultat führen, auf welches die preußischen Vorschläge hinarbeiten.
Scheinbar! denn einmal ists ein großer Unterschied, ob eine solche Disposition
nur für einen bestimmten einzelnen Fall getroffen wird, oder ob sie als orga¬
nisches Gesetz in die Bundesverfassung aufgenommen wird. Sodann sollte
sich Oestreich nach den preußischen Vorschlägen als Füchrer des süddeutschen
Bundescontingents auch am Rheinkriege betheiligen.

Um nun zu untersuchen, ob wir uns über solche Resultate zu freuen oder
zu betrüben haben, müssen wir den Hauptpunkt fest im Ange halten, auf
welchen die preußische Politik hinarbeiten muß, und, wenn auch mit mehr oder
minder Consequenz, mit mehr oder minder Bewußtsein wirklich immer hin¬
arbeitet.

Die Hauptsache ist nämlich, daß Preußen sich von Oestreich unabhängig


Von der preußischen Grenze.

Wenn wir auch über das, was in Teplitz geschehen ist, im Einzelnen nicht
unterrichtet sind, so laßt sich doch aus der Haltung der beiden Betheiligten
mit ziemlicher Sicherheit entnehmen, welche Richtung man im Allgemeinen
beobachtet hat. Preußen hat im Fall eines Angriffs aus Venedig seine Hilfe
zugesagt. Ob nur für den Fall,, daß auch die Franzoseu sich bei einem solchen
Unternehmen betheiligen, oder für jeden Fall, darüber weichen die Berichte von
einander ab; es ist das aber auch im Grunde gleichartig, da man schwerlich
annehmen darf, daß sich König Victor Emanuel auf einen solchen Angriff
einlassen wird, wenn er des französischen Beistandes vorher nicht gewiß ist.
Zur Entschädigung soll sich Oestreich dazu verstanden haben. Preußen für den
Fall eines französischen Angriffs auf den Rhein seine Hilfe zuzusagen. Eine
seltsame Art von Entschädigung, da Oestreich zu dieser Hilfe ohnehin verpflichtet
ist, während Preußen eine neue und sehr ernste Verpflichtung übernimmt. Wie
es mit Dänemark zu halten sei. darüber ist nichts ausgemacht; ja man scheint
dies Thema ganz und gnr vermieden zu haben. Ebenso wenig ist die Even¬
tualität eines russischen Krieges ins Auge gefaßt; ja es scheint der nicht un¬
wesentlichste Zweck dieser Zusammenkunft gewesen zu sein, eine allmälige Ver¬
ständigung zwischen Rußland und Oestreich anzubahnen.

Die Hauptsache ist aber, was über die deutsche Wehrverfassung für den
Fall eines Bundeskriegs ausgemacht ist. Die einzige Version, die bis jetzt
ins Publikum gedrungen ist, lautet dahin, daß für den Fall eines italienischen
Krieges Oestreich, für den Fall eines Rheiukrieges Preußen den Oberbefehl
über die gesammte Buudesmacht zu führen hube. Da nun aber der einzige
Krieg, auf den man sein Augenmerk gerichtet hat, in Italien und am Rhein
zugleich geführt werden muß, so würde ein solches Abkommen scheinbar zu
demselben Resultat führen, auf welches die preußischen Vorschläge hinarbeiten.
Scheinbar! denn einmal ists ein großer Unterschied, ob eine solche Disposition
nur für einen bestimmten einzelnen Fall getroffen wird, oder ob sie als orga¬
nisches Gesetz in die Bundesverfassung aufgenommen wird. Sodann sollte
sich Oestreich nach den preußischen Vorschlägen als Füchrer des süddeutschen
Bundescontingents auch am Rheinkriege betheiligen.

Um nun zu untersuchen, ob wir uns über solche Resultate zu freuen oder
zu betrüben haben, müssen wir den Hauptpunkt fest im Ange halten, auf
welchen die preußische Politik hinarbeiten muß, und, wenn auch mit mehr oder
minder Consequenz, mit mehr oder minder Bewußtsein wirklich immer hin¬
arbeitet.

Die Hauptsache ist nämlich, daß Preußen sich von Oestreich unabhängig


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[0330] Von der preußischen Grenze. Wenn wir auch über das, was in Teplitz geschehen ist, im Einzelnen nicht unterrichtet sind, so laßt sich doch aus der Haltung der beiden Betheiligten mit ziemlicher Sicherheit entnehmen, welche Richtung man im Allgemeinen beobachtet hat. Preußen hat im Fall eines Angriffs aus Venedig seine Hilfe zugesagt. Ob nur für den Fall,, daß auch die Franzoseu sich bei einem solchen Unternehmen betheiligen, oder für jeden Fall, darüber weichen die Berichte von einander ab; es ist das aber auch im Grunde gleichartig, da man schwerlich annehmen darf, daß sich König Victor Emanuel auf einen solchen Angriff einlassen wird, wenn er des französischen Beistandes vorher nicht gewiß ist. Zur Entschädigung soll sich Oestreich dazu verstanden haben. Preußen für den Fall eines französischen Angriffs auf den Rhein seine Hilfe zuzusagen. Eine seltsame Art von Entschädigung, da Oestreich zu dieser Hilfe ohnehin verpflichtet ist, während Preußen eine neue und sehr ernste Verpflichtung übernimmt. Wie es mit Dänemark zu halten sei. darüber ist nichts ausgemacht; ja man scheint dies Thema ganz und gnr vermieden zu haben. Ebenso wenig ist die Even¬ tualität eines russischen Krieges ins Auge gefaßt; ja es scheint der nicht un¬ wesentlichste Zweck dieser Zusammenkunft gewesen zu sein, eine allmälige Ver¬ ständigung zwischen Rußland und Oestreich anzubahnen. Die Hauptsache ist aber, was über die deutsche Wehrverfassung für den Fall eines Bundeskriegs ausgemacht ist. Die einzige Version, die bis jetzt ins Publikum gedrungen ist, lautet dahin, daß für den Fall eines italienischen Krieges Oestreich, für den Fall eines Rheiukrieges Preußen den Oberbefehl über die gesammte Buudesmacht zu führen hube. Da nun aber der einzige Krieg, auf den man sein Augenmerk gerichtet hat, in Italien und am Rhein zugleich geführt werden muß, so würde ein solches Abkommen scheinbar zu demselben Resultat führen, auf welches die preußischen Vorschläge hinarbeiten. Scheinbar! denn einmal ists ein großer Unterschied, ob eine solche Disposition nur für einen bestimmten einzelnen Fall getroffen wird, oder ob sie als orga¬ nisches Gesetz in die Bundesverfassung aufgenommen wird. Sodann sollte sich Oestreich nach den preußischen Vorschlägen als Füchrer des süddeutschen Bundescontingents auch am Rheinkriege betheiligen. Um nun zu untersuchen, ob wir uns über solche Resultate zu freuen oder zu betrüben haben, müssen wir den Hauptpunkt fest im Ange halten, auf welchen die preußische Politik hinarbeiten muß, und, wenn auch mit mehr oder minder Consequenz, mit mehr oder minder Bewußtsein wirklich immer hin¬ arbeitet. Die Hauptsache ist nämlich, daß Preußen sich von Oestreich unabhängig

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805/330>, abgerufen am 01.05.2024.