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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band.

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Die preußische Politik seit der Zusammenkunft von Baden.

In Ur. 27. dieser Blätter wurde bei einem Bericht über die Tage von
Baden der Intriguen Erwähnung gethan, welche Preußen umfangreiche
Gebietsvergrößerungen in Aussicht stellten, wenn sich dieser Staat zu einem
Bündnis) mit Rußland und Frankreich vereinigen wollte. Diese Mittheilungen
haben in der Tagespresse mehrfach Widerspruch erfahren, welcher zum Theil
aus Negierungskreisen Berlins hervorging. Schreiber dieses kann einer nicht
fernen Zukunft die vollständige Aufklärung über die zu Grunde liegenden
Thatsachen um so ruhiger überlassen, als er sich bewußt ist, mit Schonung
und Discretion nur das gesagt zu haben, worauf nach seiner Ueberzeugung
die Oeffentlichkeit ein Recht hat. Die beste Beseitigung aller solcher Pro-
jecte war, daß die Presse und öffentliche Meinung über sie den Stab brach.
Wenn aber von anderer Seite her auch die Namen preußischer Diplomaten
genannt wurden, welche sich zu Vermittlern solcher Pläne hergegeben haben
sollten, so müssen wir eine solche Indiscretion beklagen. Man soll Nieman¬
den öffentlich anklagen, der durch seine amtliche Stellung genöthigt ist. auf
öffentliche Vertheidigung zu verzichten. Die Sache des Herrn v. Bismark
können wir ruhig den politischen Freunden desselben überlassen, sein Souverän
und der Minister des Auswärtigen sind Richter über, das, was er in seinem
Amte gethan hat. Er hat längst die bestimmte Weisung bekommen, sich auf
seinen Posten zurück zu begeben, und Herr v. Schleinitz wird bei dem Ab¬
schiedsbesuch Gelegenheit gehabt haben, demselben seine Ansicht über seine
Thätigkeit in Berlin auszusprechen. Wenn aber bei der Erwähnung dieser
Intrigue die rein politische Ehre des preußischen Bundestagsgesandter Herrn
v. Usedom angegriffen wurde, so fühlen wir uns verpflichtet, in seinem und
unser Aller Interesse einem solchen Unrecht auf das Entschiedenste entgegen zu
treten. Seine ganze politische Laufbahn, seine frühere Stellung als Mitglied
der preußischen Partei des Wochenblattes, die Art und Weise, wie er sich bei
seiner schwierigen und dornenvollen Position zum Vertreter der höchsten deut¬
schen Interessen in allen Bundcsfragen gemacht, hätte ihn vor einem solchen
Vorwurf schützen sollen, auch bei denen, welche nicht aus persönlicher Er-


Gvcnzbvten III. 1S60. 41
Die preußische Politik seit der Zusammenkunft von Baden.

In Ur. 27. dieser Blätter wurde bei einem Bericht über die Tage von
Baden der Intriguen Erwähnung gethan, welche Preußen umfangreiche
Gebietsvergrößerungen in Aussicht stellten, wenn sich dieser Staat zu einem
Bündnis) mit Rußland und Frankreich vereinigen wollte. Diese Mittheilungen
haben in der Tagespresse mehrfach Widerspruch erfahren, welcher zum Theil
aus Negierungskreisen Berlins hervorging. Schreiber dieses kann einer nicht
fernen Zukunft die vollständige Aufklärung über die zu Grunde liegenden
Thatsachen um so ruhiger überlassen, als er sich bewußt ist, mit Schonung
und Discretion nur das gesagt zu haben, worauf nach seiner Ueberzeugung
die Oeffentlichkeit ein Recht hat. Die beste Beseitigung aller solcher Pro-
jecte war, daß die Presse und öffentliche Meinung über sie den Stab brach.
Wenn aber von anderer Seite her auch die Namen preußischer Diplomaten
genannt wurden, welche sich zu Vermittlern solcher Pläne hergegeben haben
sollten, so müssen wir eine solche Indiscretion beklagen. Man soll Nieman¬
den öffentlich anklagen, der durch seine amtliche Stellung genöthigt ist. auf
öffentliche Vertheidigung zu verzichten. Die Sache des Herrn v. Bismark
können wir ruhig den politischen Freunden desselben überlassen, sein Souverän
und der Minister des Auswärtigen sind Richter über, das, was er in seinem
Amte gethan hat. Er hat längst die bestimmte Weisung bekommen, sich auf
seinen Posten zurück zu begeben, und Herr v. Schleinitz wird bei dem Ab¬
schiedsbesuch Gelegenheit gehabt haben, demselben seine Ansicht über seine
Thätigkeit in Berlin auszusprechen. Wenn aber bei der Erwähnung dieser
Intrigue die rein politische Ehre des preußischen Bundestagsgesandter Herrn
v. Usedom angegriffen wurde, so fühlen wir uns verpflichtet, in seinem und
unser Aller Interesse einem solchen Unrecht auf das Entschiedenste entgegen zu
treten. Seine ganze politische Laufbahn, seine frühere Stellung als Mitglied
der preußischen Partei des Wochenblattes, die Art und Weise, wie er sich bei
seiner schwierigen und dornenvollen Position zum Vertreter der höchsten deut¬
schen Interessen in allen Bundcsfragen gemacht, hätte ihn vor einem solchen
Vorwurf schützen sollen, auch bei denen, welche nicht aus persönlicher Er-


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[0333] Die preußische Politik seit der Zusammenkunft von Baden. In Ur. 27. dieser Blätter wurde bei einem Bericht über die Tage von Baden der Intriguen Erwähnung gethan, welche Preußen umfangreiche Gebietsvergrößerungen in Aussicht stellten, wenn sich dieser Staat zu einem Bündnis) mit Rußland und Frankreich vereinigen wollte. Diese Mittheilungen haben in der Tagespresse mehrfach Widerspruch erfahren, welcher zum Theil aus Negierungskreisen Berlins hervorging. Schreiber dieses kann einer nicht fernen Zukunft die vollständige Aufklärung über die zu Grunde liegenden Thatsachen um so ruhiger überlassen, als er sich bewußt ist, mit Schonung und Discretion nur das gesagt zu haben, worauf nach seiner Ueberzeugung die Oeffentlichkeit ein Recht hat. Die beste Beseitigung aller solcher Pro- jecte war, daß die Presse und öffentliche Meinung über sie den Stab brach. Wenn aber von anderer Seite her auch die Namen preußischer Diplomaten genannt wurden, welche sich zu Vermittlern solcher Pläne hergegeben haben sollten, so müssen wir eine solche Indiscretion beklagen. Man soll Nieman¬ den öffentlich anklagen, der durch seine amtliche Stellung genöthigt ist. auf öffentliche Vertheidigung zu verzichten. Die Sache des Herrn v. Bismark können wir ruhig den politischen Freunden desselben überlassen, sein Souverän und der Minister des Auswärtigen sind Richter über, das, was er in seinem Amte gethan hat. Er hat längst die bestimmte Weisung bekommen, sich auf seinen Posten zurück zu begeben, und Herr v. Schleinitz wird bei dem Ab¬ schiedsbesuch Gelegenheit gehabt haben, demselben seine Ansicht über seine Thätigkeit in Berlin auszusprechen. Wenn aber bei der Erwähnung dieser Intrigue die rein politische Ehre des preußischen Bundestagsgesandter Herrn v. Usedom angegriffen wurde, so fühlen wir uns verpflichtet, in seinem und unser Aller Interesse einem solchen Unrecht auf das Entschiedenste entgegen zu treten. Seine ganze politische Laufbahn, seine frühere Stellung als Mitglied der preußischen Partei des Wochenblattes, die Art und Weise, wie er sich bei seiner schwierigen und dornenvollen Position zum Vertreter der höchsten deut¬ schen Interessen in allen Bundcsfragen gemacht, hätte ihn vor einem solchen Vorwurf schützen sollen, auch bei denen, welche nicht aus persönlicher Er- Gvcnzbvten III. 1S60. 41

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805/333>, abgerufen am 01.05.2024.