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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band.

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Gaeta und die Insel Capri als Zufluchtsorte für die Flotte gelten. Dagegen
gibt es auf der adriatischen Küste keinen Hafen, welcher Schiffen von bedeu¬
tendem Tiefgang Schutz gewährte.

Ein Rückblick aus das Gesagte zeigt, daß wir in dem Heer und der
Flotte Neapels eine äußerlich sehr respectable Kriegsmacht vor uns haben
welche der Größe des Landes vollkommen, den Anforderungen der modernen
Kriegskunst in den meisten Punkten entspricht. Es sind, wenn wir von dem
Bombardement Palermos und von den muthwillig niedergebrannten Dörfern,
den aus bloßer 'Blutgier niedergestochenen Frauen und ähnlichen Niederträch¬
tigkeiten der Soldaten des Generals Salzano, des ehemaligen Räubers, ab¬
sehen, keineswegs Wilde oder Halbwilde, die von Garibaldi besiegt wurden.
Wenn sie dennoch besiegt wurden, so war der Grund außer der Ungeschicklich¬
keit ihrer Führer nur ein Mangel, der freilich heutzutage bei keinem Heer,
welches siegen will, vorhanden sein darf: der Mangel an Liebe zu der
Sache, für die man kämpft. Dem Franzosen ist die Sache der Ruhm, dem
Norditaliencr die Einheit des Vaterlandes und die Freiheit von der Fremd¬
herrschaft, die I3i:; auch bei uns ihre Wunder that. Was die Neapolitaner
begeistert haben sollte, mögen uns die Herren sagen, die in den letzten Wochen
mit ihrer Entrüstung Garibaldts Siegesgang gegenüber die Rolle des Mop¬
fes unter dem Monde spielten.




Der Fnrsteubesuch in Baden und die preußische Politik.
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Das große Ereigniß der letzten Wochen ist durch die Tagespreise so reichlich
behandelt worden, daß eine gewisse Befriedigung des Publikums wol vorausgesetzt
werden darf. Auch Einzelheiten, welche zunächst nur einem kleinen Kreise sichtbar
warm oder in den privaten Zusammenkünften der Souveräne besprochen wurden,
haben durch die Blätter der verschiedenen Parteien ihre Wege zur Oeffentlichkeit
gefunden, und wer diese Notizen mit einiger Kenntniß der leitenden Persönlichkeiten
zusammenstellt, vermag sich ein in den Hauptsachen sicheres und ziemlich vollstän¬
diges Bild von dem Verlauf und den charakteristischen Momenten jener interessanten
Tage zu entwerfen. Von der Presse des Auslandes hat die englische die Ereignisse
zu Baden am unverständigsten, die französische am einseitigsten beurtheilt, das Mis-
trauen, mit welchem die inspirirter Korrespondenten Oestreichs hinblicktcn, mag ein
Fingerzeig sein, wie man dort sehr lebhaft das Bedeutsame der Zusammenkunft
empfand, die Thatsache, daß sich in Baden zum ersten Mal die Leitung und Ver¬
tretung der deutschen Angelegenheiten durch Preußen äußerlich darstellte. Der Regent


Grenzboten II. 1360. 5

Gaeta und die Insel Capri als Zufluchtsorte für die Flotte gelten. Dagegen
gibt es auf der adriatischen Küste keinen Hafen, welcher Schiffen von bedeu¬
tendem Tiefgang Schutz gewährte.

Ein Rückblick aus das Gesagte zeigt, daß wir in dem Heer und der
Flotte Neapels eine äußerlich sehr respectable Kriegsmacht vor uns haben
welche der Größe des Landes vollkommen, den Anforderungen der modernen
Kriegskunst in den meisten Punkten entspricht. Es sind, wenn wir von dem
Bombardement Palermos und von den muthwillig niedergebrannten Dörfern,
den aus bloßer 'Blutgier niedergestochenen Frauen und ähnlichen Niederträch¬
tigkeiten der Soldaten des Generals Salzano, des ehemaligen Räubers, ab¬
sehen, keineswegs Wilde oder Halbwilde, die von Garibaldi besiegt wurden.
Wenn sie dennoch besiegt wurden, so war der Grund außer der Ungeschicklich¬
keit ihrer Führer nur ein Mangel, der freilich heutzutage bei keinem Heer,
welches siegen will, vorhanden sein darf: der Mangel an Liebe zu der
Sache, für die man kämpft. Dem Franzosen ist die Sache der Ruhm, dem
Norditaliencr die Einheit des Vaterlandes und die Freiheit von der Fremd¬
herrschaft, die I3i:; auch bei uns ihre Wunder that. Was die Neapolitaner
begeistert haben sollte, mögen uns die Herren sagen, die in den letzten Wochen
mit ihrer Entrüstung Garibaldts Siegesgang gegenüber die Rolle des Mop¬
fes unter dem Monde spielten.




Der Fnrsteubesuch in Baden und die preußische Politik.
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Das große Ereigniß der letzten Wochen ist durch die Tagespreise so reichlich
behandelt worden, daß eine gewisse Befriedigung des Publikums wol vorausgesetzt
werden darf. Auch Einzelheiten, welche zunächst nur einem kleinen Kreise sichtbar
warm oder in den privaten Zusammenkünften der Souveräne besprochen wurden,
haben durch die Blätter der verschiedenen Parteien ihre Wege zur Oeffentlichkeit
gefunden, und wer diese Notizen mit einiger Kenntniß der leitenden Persönlichkeiten
zusammenstellt, vermag sich ein in den Hauptsachen sicheres und ziemlich vollstän¬
diges Bild von dem Verlauf und den charakteristischen Momenten jener interessanten
Tage zu entwerfen. Von der Presse des Auslandes hat die englische die Ereignisse
zu Baden am unverständigsten, die französische am einseitigsten beurtheilt, das Mis-
trauen, mit welchem die inspirirter Korrespondenten Oestreichs hinblicktcn, mag ein
Fingerzeig sein, wie man dort sehr lebhaft das Bedeutsame der Zusammenkunft
empfand, die Thatsache, daß sich in Baden zum ersten Mal die Leitung und Ver¬
tretung der deutschen Angelegenheiten durch Preußen äußerlich darstellte. Der Regent


Grenzboten II. 1360. 5
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[0045] Gaeta und die Insel Capri als Zufluchtsorte für die Flotte gelten. Dagegen gibt es auf der adriatischen Küste keinen Hafen, welcher Schiffen von bedeu¬ tendem Tiefgang Schutz gewährte. Ein Rückblick aus das Gesagte zeigt, daß wir in dem Heer und der Flotte Neapels eine äußerlich sehr respectable Kriegsmacht vor uns haben welche der Größe des Landes vollkommen, den Anforderungen der modernen Kriegskunst in den meisten Punkten entspricht. Es sind, wenn wir von dem Bombardement Palermos und von den muthwillig niedergebrannten Dörfern, den aus bloßer 'Blutgier niedergestochenen Frauen und ähnlichen Niederträch¬ tigkeiten der Soldaten des Generals Salzano, des ehemaligen Räubers, ab¬ sehen, keineswegs Wilde oder Halbwilde, die von Garibaldi besiegt wurden. Wenn sie dennoch besiegt wurden, so war der Grund außer der Ungeschicklich¬ keit ihrer Führer nur ein Mangel, der freilich heutzutage bei keinem Heer, welches siegen will, vorhanden sein darf: der Mangel an Liebe zu der Sache, für die man kämpft. Dem Franzosen ist die Sache der Ruhm, dem Norditaliencr die Einheit des Vaterlandes und die Freiheit von der Fremd¬ herrschaft, die I3i:; auch bei uns ihre Wunder that. Was die Neapolitaner begeistert haben sollte, mögen uns die Herren sagen, die in den letzten Wochen mit ihrer Entrüstung Garibaldts Siegesgang gegenüber die Rolle des Mop¬ fes unter dem Monde spielten. Der Fnrsteubesuch in Baden und die preußische Politik. ,<« ?^ ^1^>^.^'-, ^ "N Das große Ereigniß der letzten Wochen ist durch die Tagespreise so reichlich behandelt worden, daß eine gewisse Befriedigung des Publikums wol vorausgesetzt werden darf. Auch Einzelheiten, welche zunächst nur einem kleinen Kreise sichtbar warm oder in den privaten Zusammenkünften der Souveräne besprochen wurden, haben durch die Blätter der verschiedenen Parteien ihre Wege zur Oeffentlichkeit gefunden, und wer diese Notizen mit einiger Kenntniß der leitenden Persönlichkeiten zusammenstellt, vermag sich ein in den Hauptsachen sicheres und ziemlich vollstän¬ diges Bild von dem Verlauf und den charakteristischen Momenten jener interessanten Tage zu entwerfen. Von der Presse des Auslandes hat die englische die Ereignisse zu Baden am unverständigsten, die französische am einseitigsten beurtheilt, das Mis- trauen, mit welchem die inspirirter Korrespondenten Oestreichs hinblicktcn, mag ein Fingerzeig sein, wie man dort sehr lebhaft das Bedeutsame der Zusammenkunft empfand, die Thatsache, daß sich in Baden zum ersten Mal die Leitung und Ver¬ tretung der deutschen Angelegenheiten durch Preußen äußerlich darstellte. Der Regent Grenzboten II. 1360. 5

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805/45>, abgerufen am 01.05.2024.