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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band.

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in seinen Willen. Das Gebot der Wahrhaftigkeit ist auf den Verkehr mit den
Glaubensgenossen beschränkt, andere zu belügen ist gestattet. Das Gebot, mit
Andersgläubigen sich nicht einzulassen, wird häusig gebrochen, und es geschieht
sogar, daß die Drusen, wenn sie unter Moslemin sind, in die Moscheen gehen
und alle Gebräuche mitmachen. Im Herzen aber hassen sie alle Bekenner
eines andern Glaubens, und vor allem die Christen, da unter ihnen die Sage
geht, die Franken würden dereinst ihr Gemeinwesen umstürzen. Dieses letztere ist
eine Art Adelsherrschaft. Die größern Grundbesitzer kommen zu Dejr El Kamr,
dem Hauptort des Landes in der Eigenschaft von Landständen zusammen, be¬
schließen Gesetze, bestimmen die Abgaben u. s. w. Die Drusen können gegen
15,000 Bewaffnete ins Feld stellen. Sie gelten für tapfer und bei der Natur
des Landes gelang ihnen bis jetzt die Erhaltung der meisten ihrer alten Frei¬
heiten, mit denen sie sich ein Verhältniß zu der Pforte bewahrten, welches
Aehnlichkeit mit dem der Montenegriner zu dein Sultan hat. Ihre Sprache
ist die arabische. Nur wenige unter ihnen können lesen und schreiben, und
so lassen sie sich Geschäfte, zu denen es der Feder bedarf, in der Regel von
Maroniten besorgen. Als Hauptfehler werden ihnen Treulosigkeit und Rach¬
sucht nachgesagt. Dagegen rühmt man ihnen auch mancherlei Tugenden nach.
Ihr Muth verschaffte ihnen in den Kämpfen mit den Maroniten, wo die
Zahlen gleich waren, fast ohne Ausnahme den Sieg. Sie sind mäßig, rein¬
lich und sehr fleißig im Anbau ihrer Aecker und ihrer Oliven- und Reben¬
gärten, sowie bei der Pflege ihrer Maulbeerpflanzungen. Weniger wird ihnen
die Tugend der Keuschheit nachgesagt. Doch sind sie besser als ihre Nachbarn,
die Nosairier, bei denen der altsyrische Astartedienst mit seiner Prostitution zur
Ehre Gottes noch fast ganz wie vor dritthalbtausend Jahren im Schwange ist.




Der Fiirstenbesnch in Baden und die preußische Politik.
2. ,

Die Ansprache, welche der Prinzregcnt von Preußen am 18. Juni im Schlosse
zu Baden an die versammelten Souveräne hielt, ist deshalb von besonderem In¬
teresse, weil sie, durch den erlauchten Herrn selbst ohne Beirath seiner Minister ver¬
saßt, einen ziemlich genauen Einblick in das verstattet, was man wol die persönliche


in seinen Willen. Das Gebot der Wahrhaftigkeit ist auf den Verkehr mit den
Glaubensgenossen beschränkt, andere zu belügen ist gestattet. Das Gebot, mit
Andersgläubigen sich nicht einzulassen, wird häusig gebrochen, und es geschieht
sogar, daß die Drusen, wenn sie unter Moslemin sind, in die Moscheen gehen
und alle Gebräuche mitmachen. Im Herzen aber hassen sie alle Bekenner
eines andern Glaubens, und vor allem die Christen, da unter ihnen die Sage
geht, die Franken würden dereinst ihr Gemeinwesen umstürzen. Dieses letztere ist
eine Art Adelsherrschaft. Die größern Grundbesitzer kommen zu Dejr El Kamr,
dem Hauptort des Landes in der Eigenschaft von Landständen zusammen, be¬
schließen Gesetze, bestimmen die Abgaben u. s. w. Die Drusen können gegen
15,000 Bewaffnete ins Feld stellen. Sie gelten für tapfer und bei der Natur
des Landes gelang ihnen bis jetzt die Erhaltung der meisten ihrer alten Frei¬
heiten, mit denen sie sich ein Verhältniß zu der Pforte bewahrten, welches
Aehnlichkeit mit dem der Montenegriner zu dein Sultan hat. Ihre Sprache
ist die arabische. Nur wenige unter ihnen können lesen und schreiben, und
so lassen sie sich Geschäfte, zu denen es der Feder bedarf, in der Regel von
Maroniten besorgen. Als Hauptfehler werden ihnen Treulosigkeit und Rach¬
sucht nachgesagt. Dagegen rühmt man ihnen auch mancherlei Tugenden nach.
Ihr Muth verschaffte ihnen in den Kämpfen mit den Maroniten, wo die
Zahlen gleich waren, fast ohne Ausnahme den Sieg. Sie sind mäßig, rein¬
lich und sehr fleißig im Anbau ihrer Aecker und ihrer Oliven- und Reben¬
gärten, sowie bei der Pflege ihrer Maulbeerpflanzungen. Weniger wird ihnen
die Tugend der Keuschheit nachgesagt. Doch sind sie besser als ihre Nachbarn,
die Nosairier, bei denen der altsyrische Astartedienst mit seiner Prostitution zur
Ehre Gottes noch fast ganz wie vor dritthalbtausend Jahren im Schwange ist.




Der Fiirstenbesnch in Baden und die preußische Politik.
2. ,

Die Ansprache, welche der Prinzregcnt von Preußen am 18. Juni im Schlosse
zu Baden an die versammelten Souveräne hielt, ist deshalb von besonderem In¬
teresse, weil sie, durch den erlauchten Herrn selbst ohne Beirath seiner Minister ver¬
saßt, einen ziemlich genauen Einblick in das verstattet, was man wol die persönliche


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805/86>, abgerufen am 30.04.2024.