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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band.

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Roger Bncon.

I'r. Rogeri LclLon Opera ein^sah-in hactenus insüiter.
Vol. I, diontg-iumF Oxus ^srtium, 0pus Ninus, OomxvnZium ?dito8oxbiae.
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c>k tlo Uastvr ok eng Rolls. I^onäon, Longm^n, Oiuri, sie. 1860.

Man hielt es einst Dr. Johnson vor, das; er selten etwas Gutes von
andern Menschen sage. "Das ist nicht meine, sondern eure Schuld," ant¬
wortete der Doctor, "denn da ihr die Verdienste unserer Landsleute gewöhnlich
übertreibt, iach ich sie herabsetzen, um sie auf das Maß der Wahrheit zurück¬
zuführen." Wir befinden uns mit Rücksicht auf Roger Bacon zu", Theil in
einer ähnlichen Lage. Wir können nicht in das traditionelle Lob seines angeb¬
lich weit über seine Zeit erhabenen Geistes einstimmen. ,Bacon war ein
Mann von großen Anlagen und zugleich von engherziger Beschränktheit, ein
Freund der Wahrheit und ein Anhänger der Lüge, kurz ein bizarres Gemisch
von Tugenden und Lastern, das den "Menschenfreund" tief kränkt, für den
Beobachter menschlicher Natur aber besondern Reiz hat. Bevor wir von
seinen Werken sprechen, müssen wir einiges über sein Leben sagen, denn sein
persönlicher Charakter tritt auf jeder Seite in seinen philosophischen Schriften
hervor.

Roger Bacon war wahrscheinlich im Jahre 1214 zu Ilchester in der
Grafschaft Somerset geboren. Er wurde früh für die gelehrte Laufbahn be¬
stimmt. Der Ruhm, den man sich durch Gelehrsamkeit erwerben konnte, war
damals unbegrenzt; der Einfluß berühmter Lehrer nicht nur auf die Jugend
eines Landes, sondern ans die ganze katholische Christenheit und selbst auf
die Ungläubigen sehr bedeutend. Die Araber standen von Spanien aus in
engem wissenschaftlichen Verkehre mit dem übrigen Europa. Ein großer Ge¬
lehrter war ein Held und Kämpfer für die Ehre seines Landes und seiner
Religion. Außerdem standen sich die Magister auch in pecuniärer Hinsicht
nicht schlecht. Die Schüler bezahlten ihre Lehrer. Wer also Hörer in großer


Grenzboten III- 1860. 11
Roger Bncon.

I'r. Rogeri LclLon Opera ein^sah-in hactenus insüiter.
Vol. I, diontg-iumF Oxus ^srtium, 0pus Ninus, OomxvnZium ?dito8oxbiae.
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Man hielt es einst Dr. Johnson vor, das; er selten etwas Gutes von
andern Menschen sage. „Das ist nicht meine, sondern eure Schuld," ant¬
wortete der Doctor, „denn da ihr die Verdienste unserer Landsleute gewöhnlich
übertreibt, iach ich sie herabsetzen, um sie auf das Maß der Wahrheit zurück¬
zuführen." Wir befinden uns mit Rücksicht auf Roger Bacon zu», Theil in
einer ähnlichen Lage. Wir können nicht in das traditionelle Lob seines angeb¬
lich weit über seine Zeit erhabenen Geistes einstimmen. ,Bacon war ein
Mann von großen Anlagen und zugleich von engherziger Beschränktheit, ein
Freund der Wahrheit und ein Anhänger der Lüge, kurz ein bizarres Gemisch
von Tugenden und Lastern, das den „Menschenfreund" tief kränkt, für den
Beobachter menschlicher Natur aber besondern Reiz hat. Bevor wir von
seinen Werken sprechen, müssen wir einiges über sein Leben sagen, denn sein
persönlicher Charakter tritt auf jeder Seite in seinen philosophischen Schriften
hervor.

Roger Bacon war wahrscheinlich im Jahre 1214 zu Ilchester in der
Grafschaft Somerset geboren. Er wurde früh für die gelehrte Laufbahn be¬
stimmt. Der Ruhm, den man sich durch Gelehrsamkeit erwerben konnte, war
damals unbegrenzt; der Einfluß berühmter Lehrer nicht nur auf die Jugend
eines Landes, sondern ans die ganze katholische Christenheit und selbst auf
die Ungläubigen sehr bedeutend. Die Araber standen von Spanien aus in
engem wissenschaftlichen Verkehre mit dem übrigen Europa. Ein großer Ge¬
lehrter war ein Held und Kämpfer für die Ehre seines Landes und seiner
Religion. Außerdem standen sich die Magister auch in pecuniärer Hinsicht
nicht schlecht. Die Schüler bezahlten ihre Lehrer. Wer also Hörer in großer


Grenzboten III- 1860. 11
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[0093] Roger Bncon. I'r. Rogeri LclLon Opera ein^sah-in hactenus insüiter. Vol. I, diontg-iumF Oxus ^srtium, 0pus Ninus, OomxvnZium ?dito8oxbiae. L6itsä dz^ ^. L. Lrewsr, N. ^. ?ub1isböä the autdoritz^ the 1.01'^« LommisLiouLrs ok Hör Na,jeht/s ?rsii.sui^, unäsr tbs Zirsetion c>k tlo Uastvr ok eng Rolls. I^onäon, Longm^n, Oiuri, sie. 1860. Man hielt es einst Dr. Johnson vor, das; er selten etwas Gutes von andern Menschen sage. „Das ist nicht meine, sondern eure Schuld," ant¬ wortete der Doctor, „denn da ihr die Verdienste unserer Landsleute gewöhnlich übertreibt, iach ich sie herabsetzen, um sie auf das Maß der Wahrheit zurück¬ zuführen." Wir befinden uns mit Rücksicht auf Roger Bacon zu», Theil in einer ähnlichen Lage. Wir können nicht in das traditionelle Lob seines angeb¬ lich weit über seine Zeit erhabenen Geistes einstimmen. ,Bacon war ein Mann von großen Anlagen und zugleich von engherziger Beschränktheit, ein Freund der Wahrheit und ein Anhänger der Lüge, kurz ein bizarres Gemisch von Tugenden und Lastern, das den „Menschenfreund" tief kränkt, für den Beobachter menschlicher Natur aber besondern Reiz hat. Bevor wir von seinen Werken sprechen, müssen wir einiges über sein Leben sagen, denn sein persönlicher Charakter tritt auf jeder Seite in seinen philosophischen Schriften hervor. Roger Bacon war wahrscheinlich im Jahre 1214 zu Ilchester in der Grafschaft Somerset geboren. Er wurde früh für die gelehrte Laufbahn be¬ stimmt. Der Ruhm, den man sich durch Gelehrsamkeit erwerben konnte, war damals unbegrenzt; der Einfluß berühmter Lehrer nicht nur auf die Jugend eines Landes, sondern ans die ganze katholische Christenheit und selbst auf die Ungläubigen sehr bedeutend. Die Araber standen von Spanien aus in engem wissenschaftlichen Verkehre mit dem übrigen Europa. Ein großer Ge¬ lehrter war ein Held und Kämpfer für die Ehre seines Landes und seiner Religion. Außerdem standen sich die Magister auch in pecuniärer Hinsicht nicht schlecht. Die Schüler bezahlten ihre Lehrer. Wer also Hörer in großer Grenzboten III- 1860. 11

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805/93>, abgerufen am 30.04.2024.