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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band.

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Familienoberhaupt entwarf den Plan und nahm wol selbst das Richtscheit und
die Kelle zur Hand. Söhne, Clienten und Sklaven besorgten den übrigen
Bau. Wessen man sonst benöthigt war und wozu die mäßige Erfindungs¬
gabe des Ackerbauers nicht ausreichte, das lieferten die des Grundbesitzes
ermangelnden, auf ihrer Hände Arbeit und'den täglichen Verdienst angewie¬
senen dürftigen Bewohner Roms, deren Zahl indeß anfänglich nur gering ge"
wesen sein wird, und was endlich eine complicirte Kunstfertigkeit verlangte,
das bezog man aus den benachbarten, in der Cultur schon weiter vorgeschrit¬
tenen Ländern, mit denen Rom bereits seit den ältesten Zeiten in einem nicht
unbedeutenden Handelsverkehr gestanden zu haben scheint.




Ein Bild aus Irland.

Unter dem Titel "die Insel der Heiligen" ist soeben (Berlin. 1860,
Verlag von Otto Zanke) ein neues Reisebuch von Julius Rodenberg erschienen,
welches die Beobachtungen und Erlebnisse einer Tour durch Irland mittheilt
und manche recht ansprechende Partien erhält. Wir werden zuerst zu alten
Freunden in Wales geführt, die der Verfasser uns in einem frühern Werke
schilderte, dann nach Dublin hinüber, auf die Wicklow-Berge, nach den Seen
von Killarney im "Paradies von Irland" , hierauf nach Limcrick und in die
Shannvngegend, nach Galway und der Seeküste, noch Connamara und in den
"wilden Westen", endlich nach dem protestantischen Norden und Belfast. Scheint
es bisweilen, als habe die Dichtung der Wahrheit ein wenig nachhelfen müs¬
sen, ist das eine und das andre Abenteuer, diese und jene Bekanntschaft in
einer Weise ausgesponnen, die an die Novelle erinnert (wir denken namentlich
an das ganze Kapitel, das an den Killarney-Seen spielt), so erhalten wir doch
auch viele dankenswerthe Bilder aus der Wirklichkeit. Der Verfasser sieht gut
und versteht lebendig, zu schildern, sowol die Landschaften als das Volk, dessen
Sitten und Zustände. Er hat mancherlei Studien gemacht und seine Ur¬
theile über die politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse in den von ihm
besuchten Gegenden sind durchweg verständig.

Indem wir im Folgenden eine Probe seiner Art zu schildern geben, wüh¬
len wir einige Bilder aus dem Bereich, welches uns am heutigen Irland am


Grenzboten IV. 1860. 14

Familienoberhaupt entwarf den Plan und nahm wol selbst das Richtscheit und
die Kelle zur Hand. Söhne, Clienten und Sklaven besorgten den übrigen
Bau. Wessen man sonst benöthigt war und wozu die mäßige Erfindungs¬
gabe des Ackerbauers nicht ausreichte, das lieferten die des Grundbesitzes
ermangelnden, auf ihrer Hände Arbeit und'den täglichen Verdienst angewie¬
senen dürftigen Bewohner Roms, deren Zahl indeß anfänglich nur gering ge«
wesen sein wird, und was endlich eine complicirte Kunstfertigkeit verlangte,
das bezog man aus den benachbarten, in der Cultur schon weiter vorgeschrit¬
tenen Ländern, mit denen Rom bereits seit den ältesten Zeiten in einem nicht
unbedeutenden Handelsverkehr gestanden zu haben scheint.




Ein Bild aus Irland.

Unter dem Titel „die Insel der Heiligen" ist soeben (Berlin. 1860,
Verlag von Otto Zanke) ein neues Reisebuch von Julius Rodenberg erschienen,
welches die Beobachtungen und Erlebnisse einer Tour durch Irland mittheilt
und manche recht ansprechende Partien erhält. Wir werden zuerst zu alten
Freunden in Wales geführt, die der Verfasser uns in einem frühern Werke
schilderte, dann nach Dublin hinüber, auf die Wicklow-Berge, nach den Seen
von Killarney im „Paradies von Irland" , hierauf nach Limcrick und in die
Shannvngegend, nach Galway und der Seeküste, noch Connamara und in den
„wilden Westen", endlich nach dem protestantischen Norden und Belfast. Scheint
es bisweilen, als habe die Dichtung der Wahrheit ein wenig nachhelfen müs¬
sen, ist das eine und das andre Abenteuer, diese und jene Bekanntschaft in
einer Weise ausgesponnen, die an die Novelle erinnert (wir denken namentlich
an das ganze Kapitel, das an den Killarney-Seen spielt), so erhalten wir doch
auch viele dankenswerthe Bilder aus der Wirklichkeit. Der Verfasser sieht gut
und versteht lebendig, zu schildern, sowol die Landschaften als das Volk, dessen
Sitten und Zustände. Er hat mancherlei Studien gemacht und seine Ur¬
theile über die politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse in den von ihm
besuchten Gegenden sind durchweg verständig.

Indem wir im Folgenden eine Probe seiner Art zu schildern geben, wüh¬
len wir einige Bilder aus dem Bereich, welches uns am heutigen Irland am


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[0117] Familienoberhaupt entwarf den Plan und nahm wol selbst das Richtscheit und die Kelle zur Hand. Söhne, Clienten und Sklaven besorgten den übrigen Bau. Wessen man sonst benöthigt war und wozu die mäßige Erfindungs¬ gabe des Ackerbauers nicht ausreichte, das lieferten die des Grundbesitzes ermangelnden, auf ihrer Hände Arbeit und'den täglichen Verdienst angewie¬ senen dürftigen Bewohner Roms, deren Zahl indeß anfänglich nur gering ge« wesen sein wird, und was endlich eine complicirte Kunstfertigkeit verlangte, das bezog man aus den benachbarten, in der Cultur schon weiter vorgeschrit¬ tenen Ländern, mit denen Rom bereits seit den ältesten Zeiten in einem nicht unbedeutenden Handelsverkehr gestanden zu haben scheint. Ein Bild aus Irland. Unter dem Titel „die Insel der Heiligen" ist soeben (Berlin. 1860, Verlag von Otto Zanke) ein neues Reisebuch von Julius Rodenberg erschienen, welches die Beobachtungen und Erlebnisse einer Tour durch Irland mittheilt und manche recht ansprechende Partien erhält. Wir werden zuerst zu alten Freunden in Wales geführt, die der Verfasser uns in einem frühern Werke schilderte, dann nach Dublin hinüber, auf die Wicklow-Berge, nach den Seen von Killarney im „Paradies von Irland" , hierauf nach Limcrick und in die Shannvngegend, nach Galway und der Seeküste, noch Connamara und in den „wilden Westen", endlich nach dem protestantischen Norden und Belfast. Scheint es bisweilen, als habe die Dichtung der Wahrheit ein wenig nachhelfen müs¬ sen, ist das eine und das andre Abenteuer, diese und jene Bekanntschaft in einer Weise ausgesponnen, die an die Novelle erinnert (wir denken namentlich an das ganze Kapitel, das an den Killarney-Seen spielt), so erhalten wir doch auch viele dankenswerthe Bilder aus der Wirklichkeit. Der Verfasser sieht gut und versteht lebendig, zu schildern, sowol die Landschaften als das Volk, dessen Sitten und Zustände. Er hat mancherlei Studien gemacht und seine Ur¬ theile über die politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse in den von ihm besuchten Gegenden sind durchweg verständig. Indem wir im Folgenden eine Probe seiner Art zu schildern geben, wüh¬ len wir einige Bilder aus dem Bereich, welches uns am heutigen Irland am Grenzboten IV. 1860. 14

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_110347/117>, abgerufen am 03.05.2024.