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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band.

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Die Zukunft des Zollvereins.
i.

Die zwölfjährige Dauer der im Jahre 1853 erneuerten Verträge unter
den Regierungen der Staaten des Zollvereins geht mit dem Jahre 1865 zu
Ende. Werden die Vertrüge nicht zwei Jahre vorher, also vor dem Si.Dec.
1863 gekündigt, so bleiben sie auf weitere zwölf Jahre in Kraft und werden
so fort von zwölf zu zwölf Jahren als verlängert angesehn.

Man erinnert sich, daß vor Ablauf der letzten Vertragspcriode Preußen
im Jahre 1851 mit der Kündigung vorging und für die Erneuerung des Han¬
delsbundes die Aufnahme der Staaten des Steuervereins Hannover und Olden¬
burg, (Schaumburg-Lippe nicht zu vergessen) mit denen Preußen eine Verein¬
barung getroffen hatte, als Bedingung stellte. Es war dies ein entschiedener,
ein deutscher Schritt Preußens, und der Erfolg zeigte, daß ein solcher Schritt
im deutschen Interesse die Gegner nicht zu scheuen hat. Der Lärm wär groß
auf beiden Seiten. Die Unzufriedenheit unter den Bewohnern des Steuer-
Vereins lagerte sich massenhaft in den Blättern der nahen Hansestädte ab; aber
wenn die Verfasser mancher Artikel jetzt einen Blick auf die Ausdrücke werfen
wollten, deren sie sich damals bedienten, sie würden vielleicht ein wenig roth
werden. Der freie Verkehr auf einem großen deutschen Handelsgebicte machte
seine Vortheile geltend, -- allerdings nicht bei denen, welche dem Schleich¬
handel obgelegen hatten -- und die Staatskassen befanden sich wohl bei den
Antheilen aus den Zolleinnahmen. Der Anschluß an den Zollverein hat in
allen seinen Gebieten einen particularistischcn Schmerzensschrei hervorgerufen,
der sich aber sehr bald stillte, und als ein allgemeiner, wirthschaftlicher und
patriotischer sich nur dann wieder erheben würde mit unwiderstehlicher Kraft,
wenn das gemeinsame Band zerrissen, der trennende Schlagbaum wieder auf¬
gerichtet werden sollte zwischen den Gliedern des Vereins. So war es 1852.
als mehrere Regierungen im Unmuthe über den Schritt, welchen Preußen ge¬
than, und nach Wien gelockt durch einen neuen Zolltarif und die Einladung
zu Verhandlungen aller Bundesstaaten, eine Trennung zwischen Nord und
Süd ins Auge faßten und anzubahnen versuchten. Jene Regierungen hatten


Grenz boten I V, 1660. 1
Die Zukunft des Zollvereins.
i.

Die zwölfjährige Dauer der im Jahre 1853 erneuerten Verträge unter
den Regierungen der Staaten des Zollvereins geht mit dem Jahre 1865 zu
Ende. Werden die Vertrüge nicht zwei Jahre vorher, also vor dem Si.Dec.
1863 gekündigt, so bleiben sie auf weitere zwölf Jahre in Kraft und werden
so fort von zwölf zu zwölf Jahren als verlängert angesehn.

Man erinnert sich, daß vor Ablauf der letzten Vertragspcriode Preußen
im Jahre 1851 mit der Kündigung vorging und für die Erneuerung des Han¬
delsbundes die Aufnahme der Staaten des Steuervereins Hannover und Olden¬
burg, (Schaumburg-Lippe nicht zu vergessen) mit denen Preußen eine Verein¬
barung getroffen hatte, als Bedingung stellte. Es war dies ein entschiedener,
ein deutscher Schritt Preußens, und der Erfolg zeigte, daß ein solcher Schritt
im deutschen Interesse die Gegner nicht zu scheuen hat. Der Lärm wär groß
auf beiden Seiten. Die Unzufriedenheit unter den Bewohnern des Steuer-
Vereins lagerte sich massenhaft in den Blättern der nahen Hansestädte ab; aber
wenn die Verfasser mancher Artikel jetzt einen Blick auf die Ausdrücke werfen
wollten, deren sie sich damals bedienten, sie würden vielleicht ein wenig roth
werden. Der freie Verkehr auf einem großen deutschen Handelsgebicte machte
seine Vortheile geltend, — allerdings nicht bei denen, welche dem Schleich¬
handel obgelegen hatten — und die Staatskassen befanden sich wohl bei den
Antheilen aus den Zolleinnahmen. Der Anschluß an den Zollverein hat in
allen seinen Gebieten einen particularistischcn Schmerzensschrei hervorgerufen,
der sich aber sehr bald stillte, und als ein allgemeiner, wirthschaftlicher und
patriotischer sich nur dann wieder erheben würde mit unwiderstehlicher Kraft,
wenn das gemeinsame Band zerrissen, der trennende Schlagbaum wieder auf¬
gerichtet werden sollte zwischen den Gliedern des Vereins. So war es 1852.
als mehrere Regierungen im Unmuthe über den Schritt, welchen Preußen ge¬
than, und nach Wien gelockt durch einen neuen Zolltarif und die Einladung
zu Verhandlungen aller Bundesstaaten, eine Trennung zwischen Nord und
Süd ins Auge faßten und anzubahnen versuchten. Jene Regierungen hatten


Grenz boten I V, 1660. 1
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[0013] Die Zukunft des Zollvereins. i. Die zwölfjährige Dauer der im Jahre 1853 erneuerten Verträge unter den Regierungen der Staaten des Zollvereins geht mit dem Jahre 1865 zu Ende. Werden die Vertrüge nicht zwei Jahre vorher, also vor dem Si.Dec. 1863 gekündigt, so bleiben sie auf weitere zwölf Jahre in Kraft und werden so fort von zwölf zu zwölf Jahren als verlängert angesehn. Man erinnert sich, daß vor Ablauf der letzten Vertragspcriode Preußen im Jahre 1851 mit der Kündigung vorging und für die Erneuerung des Han¬ delsbundes die Aufnahme der Staaten des Steuervereins Hannover und Olden¬ burg, (Schaumburg-Lippe nicht zu vergessen) mit denen Preußen eine Verein¬ barung getroffen hatte, als Bedingung stellte. Es war dies ein entschiedener, ein deutscher Schritt Preußens, und der Erfolg zeigte, daß ein solcher Schritt im deutschen Interesse die Gegner nicht zu scheuen hat. Der Lärm wär groß auf beiden Seiten. Die Unzufriedenheit unter den Bewohnern des Steuer- Vereins lagerte sich massenhaft in den Blättern der nahen Hansestädte ab; aber wenn die Verfasser mancher Artikel jetzt einen Blick auf die Ausdrücke werfen wollten, deren sie sich damals bedienten, sie würden vielleicht ein wenig roth werden. Der freie Verkehr auf einem großen deutschen Handelsgebicte machte seine Vortheile geltend, — allerdings nicht bei denen, welche dem Schleich¬ handel obgelegen hatten — und die Staatskassen befanden sich wohl bei den Antheilen aus den Zolleinnahmen. Der Anschluß an den Zollverein hat in allen seinen Gebieten einen particularistischcn Schmerzensschrei hervorgerufen, der sich aber sehr bald stillte, und als ein allgemeiner, wirthschaftlicher und patriotischer sich nur dann wieder erheben würde mit unwiderstehlicher Kraft, wenn das gemeinsame Band zerrissen, der trennende Schlagbaum wieder auf¬ gerichtet werden sollte zwischen den Gliedern des Vereins. So war es 1852. als mehrere Regierungen im Unmuthe über den Schritt, welchen Preußen ge¬ than, und nach Wien gelockt durch einen neuen Zolltarif und die Einladung zu Verhandlungen aller Bundesstaaten, eine Trennung zwischen Nord und Süd ins Auge faßten und anzubahnen versuchten. Jene Regierungen hatten Grenz boten I V, 1660. 1

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_110347/13>, abgerufen am 03.05.2024.