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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band.

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hier. -- Ueber die Ausgabe im Allgemeinen behalten wir uns weitere Be¬
Julian Schmidt. merkungen vor.




Bilder aus Altbnyern.
2.

Sehr hübsch ist. was Steub über einen Gegenstand sagt, der dem
Lande nächst der Luft das Wichtigste und auch dem Fremden nächst Berg,
Wald und See von besonderstem Interesse schon deshalb ist, weil er ihn in
Bayern zu jeder Zeit und aller Orten wie ein fünftes Element umgibt. Der fröh¬
liche Klang klappernder Bierkrügeldeckel begrüßt ihn, wenn er das Bett verlassen,
und ein milder Schlaftrunk labt ihn, ehe er sich zu Raste legt. Wie anderwärts
das Gespräch vom Wetter oft Fremde zusammenführt und bisweilen der Anfang
lebenslang dauernder Freundschaften wird, so leitet hier häufig die Frage:
Ist's frisch angestochen? die angenehmsten Bekanntschaften ein. Beklagenswert!)
ist, daß wir noch keine Geschichte des biedern Nationalgetränks der Bayern
besitzen. Indeß weiß man, daß der freundliche Saft bis in die grauen Zei¬
ten des neunten Jahrhunderts hinauf bajuvarische Herzen erquickte. In einer
Urkunde von 816 wird eine "car-riräa Ah eerevisis." als Abgabe von der
Kirche zu Vöring erwähnt. 1293 geschah das jetzt Undenkbare und noch
lange nicht genügend Erklärte, daß die Herzöge Ludwig und Otto geboten,
es solle in ihrem Lande zu Bayern ein ganzes Jahr hindurch kein Bier mehr
gebraut werden. Erfreulicher dagegen ließ sich das Jahr 1542 an, wo der
Landtag das Sommerbier auf zwei Pfennige und das Winterbier auf drei
Heller die Maß festsetzte.

Ein sprechendes Zeichen edler bayerischer Einfalt ist, daß das Land zu
allen Zeiten nur Ein Bier braute -- eins, aber einen Löwen. "Nicht ohne
großes Selbstbewußtsein blickt der Bayer auf die bunte Musterkarte norddeut¬
scher Gebräue mit ihren lächerlichen Titeln, auf den Brausegut am Harz, den
Beißdenkerl zu Boitzenburg, den Hund zu Bremen, den Stürzdenkerl zu Dorn¬
burg, die Caccabulla zu Duisburg, den Krabbelanderwand zu Eisleben, den
Maulesel zu Jena>, den Mordundtod zu Köpenik, das Lumpenbier zu Werni-
gerode und so viele andre, die sich alle nach seiner Meinung nur in so fern
unterscheiden, als sie sämmtlich mehr oder weniger ungenießbar sind."


hier. — Ueber die Ausgabe im Allgemeinen behalten wir uns weitere Be¬
Julian Schmidt. merkungen vor.




Bilder aus Altbnyern.
2.

Sehr hübsch ist. was Steub über einen Gegenstand sagt, der dem
Lande nächst der Luft das Wichtigste und auch dem Fremden nächst Berg,
Wald und See von besonderstem Interesse schon deshalb ist, weil er ihn in
Bayern zu jeder Zeit und aller Orten wie ein fünftes Element umgibt. Der fröh¬
liche Klang klappernder Bierkrügeldeckel begrüßt ihn, wenn er das Bett verlassen,
und ein milder Schlaftrunk labt ihn, ehe er sich zu Raste legt. Wie anderwärts
das Gespräch vom Wetter oft Fremde zusammenführt und bisweilen der Anfang
lebenslang dauernder Freundschaften wird, so leitet hier häufig die Frage:
Ist's frisch angestochen? die angenehmsten Bekanntschaften ein. Beklagenswert!)
ist, daß wir noch keine Geschichte des biedern Nationalgetränks der Bayern
besitzen. Indeß weiß man, daß der freundliche Saft bis in die grauen Zei¬
ten des neunten Jahrhunderts hinauf bajuvarische Herzen erquickte. In einer
Urkunde von 816 wird eine „car-riräa Ah eerevisis." als Abgabe von der
Kirche zu Vöring erwähnt. 1293 geschah das jetzt Undenkbare und noch
lange nicht genügend Erklärte, daß die Herzöge Ludwig und Otto geboten,
es solle in ihrem Lande zu Bayern ein ganzes Jahr hindurch kein Bier mehr
gebraut werden. Erfreulicher dagegen ließ sich das Jahr 1542 an, wo der
Landtag das Sommerbier auf zwei Pfennige und das Winterbier auf drei
Heller die Maß festsetzte.

Ein sprechendes Zeichen edler bayerischer Einfalt ist, daß das Land zu
allen Zeiten nur Ein Bier braute — eins, aber einen Löwen. „Nicht ohne
großes Selbstbewußtsein blickt der Bayer auf die bunte Musterkarte norddeut¬
scher Gebräue mit ihren lächerlichen Titeln, auf den Brausegut am Harz, den
Beißdenkerl zu Boitzenburg, den Hund zu Bremen, den Stürzdenkerl zu Dorn¬
burg, die Caccabulla zu Duisburg, den Krabbelanderwand zu Eisleben, den
Maulesel zu Jena>, den Mordundtod zu Köpenik, das Lumpenbier zu Werni-
gerode und so viele andre, die sich alle nach seiner Meinung nur in so fern
unterscheiden, als sie sämmtlich mehr oder weniger ungenießbar sind."


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[0230] hier. — Ueber die Ausgabe im Allgemeinen behalten wir uns weitere Be¬ Julian Schmidt. merkungen vor. Bilder aus Altbnyern. 2. Sehr hübsch ist. was Steub über einen Gegenstand sagt, der dem Lande nächst der Luft das Wichtigste und auch dem Fremden nächst Berg, Wald und See von besonderstem Interesse schon deshalb ist, weil er ihn in Bayern zu jeder Zeit und aller Orten wie ein fünftes Element umgibt. Der fröh¬ liche Klang klappernder Bierkrügeldeckel begrüßt ihn, wenn er das Bett verlassen, und ein milder Schlaftrunk labt ihn, ehe er sich zu Raste legt. Wie anderwärts das Gespräch vom Wetter oft Fremde zusammenführt und bisweilen der Anfang lebenslang dauernder Freundschaften wird, so leitet hier häufig die Frage: Ist's frisch angestochen? die angenehmsten Bekanntschaften ein. Beklagenswert!) ist, daß wir noch keine Geschichte des biedern Nationalgetränks der Bayern besitzen. Indeß weiß man, daß der freundliche Saft bis in die grauen Zei¬ ten des neunten Jahrhunderts hinauf bajuvarische Herzen erquickte. In einer Urkunde von 816 wird eine „car-riräa Ah eerevisis." als Abgabe von der Kirche zu Vöring erwähnt. 1293 geschah das jetzt Undenkbare und noch lange nicht genügend Erklärte, daß die Herzöge Ludwig und Otto geboten, es solle in ihrem Lande zu Bayern ein ganzes Jahr hindurch kein Bier mehr gebraut werden. Erfreulicher dagegen ließ sich das Jahr 1542 an, wo der Landtag das Sommerbier auf zwei Pfennige und das Winterbier auf drei Heller die Maß festsetzte. Ein sprechendes Zeichen edler bayerischer Einfalt ist, daß das Land zu allen Zeiten nur Ein Bier braute — eins, aber einen Löwen. „Nicht ohne großes Selbstbewußtsein blickt der Bayer auf die bunte Musterkarte norddeut¬ scher Gebräue mit ihren lächerlichen Titeln, auf den Brausegut am Harz, den Beißdenkerl zu Boitzenburg, den Hund zu Bremen, den Stürzdenkerl zu Dorn¬ burg, die Caccabulla zu Duisburg, den Krabbelanderwand zu Eisleben, den Maulesel zu Jena>, den Mordundtod zu Köpenik, das Lumpenbier zu Werni- gerode und so viele andre, die sich alle nach seiner Meinung nur in so fern unterscheiden, als sie sämmtlich mehr oder weniger ungenießbar sind."

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_110347/230>, abgerufen am 03.05.2024.