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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band.

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Die Dänen in Schleswig.
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Schon Mitte Februar erließ das Ministerium für das Herzogthum Schles¬
wig ein Rescript an das gottorfer Amthaus wie an einige andere Behörden,
worin dieselben aufmerksam gemacht wurden, daß in verschiedenen Bezirken
Petitionen verbrecherischen Inhalts im Umlauf seien, woran die Weisung sich
knüpfte, auf solche Schriftstücke zu fahnden und gegen die Unterzeichner Unter¬
suchung einzuleiten. Die Polizei setzte sich in Bewegung, und nachdem einige
Behörden einberichtct, daß namentlich in Angeln Petitionen an die Stände
eingereicht worden seien, deren Fassung ma" nach den vorgefundenen Abschriften
für strafbar halten müsse, erfolgte vom Ministerium der Auftrag, gegen die
Betreffenden crimincll zu verfahren und dabei besonders diejenigen scharf ins
Auge zu fassen, welche 1851 nur bedingt amncstirt worden seien, wobei zu
bemerken ist. daß zu letztem alle die gezählt werden, welche vor der 1850 in das
Herzogthum einrückenden dänische" Armee nach Süden geflüchtet waren.

Inzwischen hatte die Polizei auch in der Stadt Schleswig eine hierher
gehörige Entdeckung gemacht. In der letzten Woche des Februar, als man
mit Einfordcrung der von Heiberg verbreiteten Abdrücke der Sechsundzwanziger-
adrcsse beschäftigt war, fand sich ein Polizeidiener in der Wohnung des Hand¬
schuhmachers Stender ein, um ein diesem eingesandtes Exemplar abzuholen.
Der Mann ist nicht daheim, die Frau, die nicht weiß, wovon die Rede, sucht
in der Schublade, findet eine Abschrift der Schleswiger Petition an die Stände
und übergibt sie dem Polizeidiener, der sie mitnimmt. Die Folge ist, daß
am nächsten Tage erst Stender, dann der Knopfmacher Gerte, dessen Hand¬
schrift aus dem Papier erkannt worden, vom Polizeimeister in Haft genom¬
men wird.

"Werde die Leute schon mürbe kriegen," äußerte der Mann der Polizei,
und es ist ihm wenigstens mit dem einen vollständig gelungen. Gerte ist
mürbe geworden. Man sperrte ihn in ein gemeines Diebsloch, versagte ihm
die von der Familie besorgten Bequemlichkeiten, (selbst die von der Schwester
gebrachten Morgenschuhe wurden zurückgeschickt) und erwiderte auf die Andeu¬
tung, daß er zum Tiefsinn geneigt sei und daß bei längerer Hast für seinen
Gemüthszustand zu fürchten, höhnisch, die Gefängnißluft werde ihn gesund
machen. Vermuthlich aus diesem menschenfreundlichen Grunde hielt man ihn
neun volle Tage ohne Verhör eingesperrt, aber der Erfolg war kein glücklicher.
Eines Morgens fand mau Gerte, dessen Melancholie mit jedem Tage zugenom-


Die Dänen in Schleswig.
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Schon Mitte Februar erließ das Ministerium für das Herzogthum Schles¬
wig ein Rescript an das gottorfer Amthaus wie an einige andere Behörden,
worin dieselben aufmerksam gemacht wurden, daß in verschiedenen Bezirken
Petitionen verbrecherischen Inhalts im Umlauf seien, woran die Weisung sich
knüpfte, auf solche Schriftstücke zu fahnden und gegen die Unterzeichner Unter¬
suchung einzuleiten. Die Polizei setzte sich in Bewegung, und nachdem einige
Behörden einberichtct, daß namentlich in Angeln Petitionen an die Stände
eingereicht worden seien, deren Fassung ma» nach den vorgefundenen Abschriften
für strafbar halten müsse, erfolgte vom Ministerium der Auftrag, gegen die
Betreffenden crimincll zu verfahren und dabei besonders diejenigen scharf ins
Auge zu fassen, welche 1851 nur bedingt amncstirt worden seien, wobei zu
bemerken ist. daß zu letztem alle die gezählt werden, welche vor der 1850 in das
Herzogthum einrückenden dänische» Armee nach Süden geflüchtet waren.

Inzwischen hatte die Polizei auch in der Stadt Schleswig eine hierher
gehörige Entdeckung gemacht. In der letzten Woche des Februar, als man
mit Einfordcrung der von Heiberg verbreiteten Abdrücke der Sechsundzwanziger-
adrcsse beschäftigt war, fand sich ein Polizeidiener in der Wohnung des Hand¬
schuhmachers Stender ein, um ein diesem eingesandtes Exemplar abzuholen.
Der Mann ist nicht daheim, die Frau, die nicht weiß, wovon die Rede, sucht
in der Schublade, findet eine Abschrift der Schleswiger Petition an die Stände
und übergibt sie dem Polizeidiener, der sie mitnimmt. Die Folge ist, daß
am nächsten Tage erst Stender, dann der Knopfmacher Gerte, dessen Hand¬
schrift aus dem Papier erkannt worden, vom Polizeimeister in Haft genom¬
men wird.

„Werde die Leute schon mürbe kriegen," äußerte der Mann der Polizei,
und es ist ihm wenigstens mit dem einen vollständig gelungen. Gerte ist
mürbe geworden. Man sperrte ihn in ein gemeines Diebsloch, versagte ihm
die von der Familie besorgten Bequemlichkeiten, (selbst die von der Schwester
gebrachten Morgenschuhe wurden zurückgeschickt) und erwiderte auf die Andeu¬
tung, daß er zum Tiefsinn geneigt sei und daß bei längerer Hast für seinen
Gemüthszustand zu fürchten, höhnisch, die Gefängnißluft werde ihn gesund
machen. Vermuthlich aus diesem menschenfreundlichen Grunde hielt man ihn
neun volle Tage ohne Verhör eingesperrt, aber der Erfolg war kein glücklicher.
Eines Morgens fand mau Gerte, dessen Melancholie mit jedem Tage zugenom-


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[0024] Die Dänen in Schleswig. ^ - ^z"^'"'"^^'^^ Schon Mitte Februar erließ das Ministerium für das Herzogthum Schles¬ wig ein Rescript an das gottorfer Amthaus wie an einige andere Behörden, worin dieselben aufmerksam gemacht wurden, daß in verschiedenen Bezirken Petitionen verbrecherischen Inhalts im Umlauf seien, woran die Weisung sich knüpfte, auf solche Schriftstücke zu fahnden und gegen die Unterzeichner Unter¬ suchung einzuleiten. Die Polizei setzte sich in Bewegung, und nachdem einige Behörden einberichtct, daß namentlich in Angeln Petitionen an die Stände eingereicht worden seien, deren Fassung ma» nach den vorgefundenen Abschriften für strafbar halten müsse, erfolgte vom Ministerium der Auftrag, gegen die Betreffenden crimincll zu verfahren und dabei besonders diejenigen scharf ins Auge zu fassen, welche 1851 nur bedingt amncstirt worden seien, wobei zu bemerken ist. daß zu letztem alle die gezählt werden, welche vor der 1850 in das Herzogthum einrückenden dänische» Armee nach Süden geflüchtet waren. Inzwischen hatte die Polizei auch in der Stadt Schleswig eine hierher gehörige Entdeckung gemacht. In der letzten Woche des Februar, als man mit Einfordcrung der von Heiberg verbreiteten Abdrücke der Sechsundzwanziger- adrcsse beschäftigt war, fand sich ein Polizeidiener in der Wohnung des Hand¬ schuhmachers Stender ein, um ein diesem eingesandtes Exemplar abzuholen. Der Mann ist nicht daheim, die Frau, die nicht weiß, wovon die Rede, sucht in der Schublade, findet eine Abschrift der Schleswiger Petition an die Stände und übergibt sie dem Polizeidiener, der sie mitnimmt. Die Folge ist, daß am nächsten Tage erst Stender, dann der Knopfmacher Gerte, dessen Hand¬ schrift aus dem Papier erkannt worden, vom Polizeimeister in Haft genom¬ men wird. „Werde die Leute schon mürbe kriegen," äußerte der Mann der Polizei, und es ist ihm wenigstens mit dem einen vollständig gelungen. Gerte ist mürbe geworden. Man sperrte ihn in ein gemeines Diebsloch, versagte ihm die von der Familie besorgten Bequemlichkeiten, (selbst die von der Schwester gebrachten Morgenschuhe wurden zurückgeschickt) und erwiderte auf die Andeu¬ tung, daß er zum Tiefsinn geneigt sei und daß bei längerer Hast für seinen Gemüthszustand zu fürchten, höhnisch, die Gefängnißluft werde ihn gesund machen. Vermuthlich aus diesem menschenfreundlichen Grunde hielt man ihn neun volle Tage ohne Verhör eingesperrt, aber der Erfolg war kein glücklicher. Eines Morgens fand mau Gerte, dessen Melancholie mit jedem Tage zugenom-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_110347/24>, abgerufen am 03.05.2024.