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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band.

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Diplomatenspiegel.

Die Diplomatie, nicht die Wissenschaft, sondern die besonders vor¬
nehme Klasse von Staatsbeamten, dem Militär ebenbürtig, äußerlich eben so
durch Uniformen und Orden gekennzeichnet, deshalb auch dem strebsamen
Theile der adligen Jugend ein wünschenswerther Beruf, ist, was sie jetzt ist,
seit dem westphälischen Frieden geworden. Früher waren die ständigen
Agenten, welche die Höfe, einer bei dem andern, beglaubigten, nicht in sol¬
cher Zahl und Gliederung üblich. Hatte ein Fürst einem andern etwas zu
sagen, so schickte er einen Botschafter; zu Unterhandlungen über wichtige An¬
gelegenheiten, wie Bündnisse, Friedensschlüsse und andere Verträge, traten Be¬
vollmächtigte zusammen, und diese wurden aus der Zahl der höheren Geist¬
lichen, Militärs. Rechtsgelehrten, Finanzbeamten, je nach dein Gegenstand,
um den es sich handelte, gewählt. Erzbischöfe. Bischöfe und Prälaten boten
sich im Mittelalter schon darum als die zu diplomatischen Geschäften am be¬
sten geeigneten Persönlichkeiten dar, weil der geistliche Stand der Träger der
Bildung fast ausschließlich war. Galt es, Glanz zu entfalten, zu imponiren,
hinter der Feder das Schwert zu zeigen, dann lieferte' die hohe Aristokratie
die tauglichsten Vertreter, und ihre Zierden waren ja alle auch Krieger, Ge¬
nerale, Feldherren. Noch heut zu Tage fühlt die Diplomatie, sobald ihr außer¬
gewöhnliche Leistungen zugemuthet werden, das Bedürfniß, Kräfte, welche in
dem geistlichen oder in dem Kriegerstande sich ausgebildet haben, heranzuziehen
und in sich aufzunehmen. Jedem Leser fällt dabei, ohne daß es nöthig wäre,
besonders darauf aufmerksam zu machen, der Bischof von Antun ein, das
Muster eines modernen Diplomaten; anch die Führer der Truppen werden
häufig mit diplomatischen Functionen betraut, die Führer der Flotten sind es
regelmäßig, und nicht selten sieht man Militärs als Inhaber von Gesandt-
schaftsposten, wie z. B. sogar Marschall Pelissier eine Zeit lang am Hofe zu
London. So himmelweit auch die Bildung und der Beruf eines Geistlichen
und eines Kriegers äußerlich verschieden erscheinen, so muß doch eine innere
Wahlverwandtschaft zwischen ihnen bestehn. Die Menschen kennen eine strei-


Grenzboten IV. 1860- 31
Diplomatenspiegel.

Die Diplomatie, nicht die Wissenschaft, sondern die besonders vor¬
nehme Klasse von Staatsbeamten, dem Militär ebenbürtig, äußerlich eben so
durch Uniformen und Orden gekennzeichnet, deshalb auch dem strebsamen
Theile der adligen Jugend ein wünschenswerther Beruf, ist, was sie jetzt ist,
seit dem westphälischen Frieden geworden. Früher waren die ständigen
Agenten, welche die Höfe, einer bei dem andern, beglaubigten, nicht in sol¬
cher Zahl und Gliederung üblich. Hatte ein Fürst einem andern etwas zu
sagen, so schickte er einen Botschafter; zu Unterhandlungen über wichtige An¬
gelegenheiten, wie Bündnisse, Friedensschlüsse und andere Verträge, traten Be¬
vollmächtigte zusammen, und diese wurden aus der Zahl der höheren Geist¬
lichen, Militärs. Rechtsgelehrten, Finanzbeamten, je nach dein Gegenstand,
um den es sich handelte, gewählt. Erzbischöfe. Bischöfe und Prälaten boten
sich im Mittelalter schon darum als die zu diplomatischen Geschäften am be¬
sten geeigneten Persönlichkeiten dar, weil der geistliche Stand der Träger der
Bildung fast ausschließlich war. Galt es, Glanz zu entfalten, zu imponiren,
hinter der Feder das Schwert zu zeigen, dann lieferte' die hohe Aristokratie
die tauglichsten Vertreter, und ihre Zierden waren ja alle auch Krieger, Ge¬
nerale, Feldherren. Noch heut zu Tage fühlt die Diplomatie, sobald ihr außer¬
gewöhnliche Leistungen zugemuthet werden, das Bedürfniß, Kräfte, welche in
dem geistlichen oder in dem Kriegerstande sich ausgebildet haben, heranzuziehen
und in sich aufzunehmen. Jedem Leser fällt dabei, ohne daß es nöthig wäre,
besonders darauf aufmerksam zu machen, der Bischof von Antun ein, das
Muster eines modernen Diplomaten; anch die Führer der Truppen werden
häufig mit diplomatischen Functionen betraut, die Führer der Flotten sind es
regelmäßig, und nicht selten sieht man Militärs als Inhaber von Gesandt-
schaftsposten, wie z. B. sogar Marschall Pelissier eine Zeit lang am Hofe zu
London. So himmelweit auch die Bildung und der Beruf eines Geistlichen
und eines Kriegers äußerlich verschieden erscheinen, so muß doch eine innere
Wahlverwandtschaft zwischen ihnen bestehn. Die Menschen kennen eine strei-


Grenzboten IV. 1860- 31
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[0253] Diplomatenspiegel. Die Diplomatie, nicht die Wissenschaft, sondern die besonders vor¬ nehme Klasse von Staatsbeamten, dem Militär ebenbürtig, äußerlich eben so durch Uniformen und Orden gekennzeichnet, deshalb auch dem strebsamen Theile der adligen Jugend ein wünschenswerther Beruf, ist, was sie jetzt ist, seit dem westphälischen Frieden geworden. Früher waren die ständigen Agenten, welche die Höfe, einer bei dem andern, beglaubigten, nicht in sol¬ cher Zahl und Gliederung üblich. Hatte ein Fürst einem andern etwas zu sagen, so schickte er einen Botschafter; zu Unterhandlungen über wichtige An¬ gelegenheiten, wie Bündnisse, Friedensschlüsse und andere Verträge, traten Be¬ vollmächtigte zusammen, und diese wurden aus der Zahl der höheren Geist¬ lichen, Militärs. Rechtsgelehrten, Finanzbeamten, je nach dein Gegenstand, um den es sich handelte, gewählt. Erzbischöfe. Bischöfe und Prälaten boten sich im Mittelalter schon darum als die zu diplomatischen Geschäften am be¬ sten geeigneten Persönlichkeiten dar, weil der geistliche Stand der Träger der Bildung fast ausschließlich war. Galt es, Glanz zu entfalten, zu imponiren, hinter der Feder das Schwert zu zeigen, dann lieferte' die hohe Aristokratie die tauglichsten Vertreter, und ihre Zierden waren ja alle auch Krieger, Ge¬ nerale, Feldherren. Noch heut zu Tage fühlt die Diplomatie, sobald ihr außer¬ gewöhnliche Leistungen zugemuthet werden, das Bedürfniß, Kräfte, welche in dem geistlichen oder in dem Kriegerstande sich ausgebildet haben, heranzuziehen und in sich aufzunehmen. Jedem Leser fällt dabei, ohne daß es nöthig wäre, besonders darauf aufmerksam zu machen, der Bischof von Antun ein, das Muster eines modernen Diplomaten; anch die Führer der Truppen werden häufig mit diplomatischen Functionen betraut, die Führer der Flotten sind es regelmäßig, und nicht selten sieht man Militärs als Inhaber von Gesandt- schaftsposten, wie z. B. sogar Marschall Pelissier eine Zeit lang am Hofe zu London. So himmelweit auch die Bildung und der Beruf eines Geistlichen und eines Kriegers äußerlich verschieden erscheinen, so muß doch eine innere Wahlverwandtschaft zwischen ihnen bestehn. Die Menschen kennen eine strei- Grenzboten IV. 1860- 31

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_110347/253>, abgerufen am 03.05.2024.