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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band.

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stellt, bleibt es vergebene Mühe, an Nebendingen Staatskunst zu üben. Oest¬
reichs Monarch kann nichts Edleres, nichts Größeres thun als sich selbst zum
Anwalt des Rechtes machen, das er als ein unantastbares Erbstück seines
Vorfahren anerkannte. Diese That allein setzt ein sicheres Ziel der Corruption,
die in alle Schichten der Gesellschaft drang, sie allein ist das Pfand unsers
künftigen Glückes.




Der deutsche Bund nud die souveränen.

Die Anregung zu den gegenwärtigen Betrachtungen gibt uns eine Bro¬
schüre von Konstantin Franz: "Dreiunddreißig Sätze vom deutschen
Bunde/' oder vielmehr ein ausführlicher Auszug aus derselben, welchen die
Leipziger Zeitung vom 1. November mittheilt. Wir haben uns mit diesem
Auszug begnügt, weil es uns wichtiger lst. die Ansichten der Leipziger Zeitung
zu erfahren als die Ansichten des Herrn Constantin Franz. Sollte auch wirk¬
lich, wie die Leipziger Zeitung meint, das Vaterland des letzteren, Preußen,
"auf dessen ungewöhnliche Gcistesbegabung stolz zu sein, Ursache haben." so
ist es doch immer nur ein Privatmann, der, so viel wir wissen, keine einzige
politische Partei in Preußen und vermuthlich auch nicht die preußische Regie¬
rung vertritt -- obgleich wir das letztere nur schüchtern zu behaupten wagen.
Die Leipziger Zeitung dagegen ist zwar nicht ein officielles Blatt, aber sie ist
ein Staatsunternehmen, und wird daher schwerlich eine von der Staatsre¬
gierung gemißbilligte Ansicht vertreten. Die Leipziger Zeitung nun findet
in jener Broschüre "eine wahre Herzcuserquickung"; das Meiste ist ihr "aus
der Seele geschrieben"; ja sie erscheint ihr so wichtig, daß sie ihr "von neuem
den Muth im verzagenden Gemüth erhebt".

Grund genug, daß wir aus jener Broschüre wenigstens die Anregung ent¬
nehmen, einen Begriff zu analysiren, der durch die Unklarheit seiner Fassung
unendlichen Schaden angerichtet hat, den Begriff der Souvcränetüt, nament¬
lich in sofern er in einem Bundesstaat in Anwendung kommt.

Die Souvcränetüt eines Staates zeigt sich nach Außen und nach Innen:
nach Außen, in sofern er mit andern Staaten Verträge schließt und Krieg
führt, nach Innen, in sofern er Zwangsmittel besitzt, seinen Gesetzen und Ver-


stellt, bleibt es vergebene Mühe, an Nebendingen Staatskunst zu üben. Oest¬
reichs Monarch kann nichts Edleres, nichts Größeres thun als sich selbst zum
Anwalt des Rechtes machen, das er als ein unantastbares Erbstück seines
Vorfahren anerkannte. Diese That allein setzt ein sicheres Ziel der Corruption,
die in alle Schichten der Gesellschaft drang, sie allein ist das Pfand unsers
künftigen Glückes.




Der deutsche Bund nud die souveränen.

Die Anregung zu den gegenwärtigen Betrachtungen gibt uns eine Bro¬
schüre von Konstantin Franz: „Dreiunddreißig Sätze vom deutschen
Bunde/' oder vielmehr ein ausführlicher Auszug aus derselben, welchen die
Leipziger Zeitung vom 1. November mittheilt. Wir haben uns mit diesem
Auszug begnügt, weil es uns wichtiger lst. die Ansichten der Leipziger Zeitung
zu erfahren als die Ansichten des Herrn Constantin Franz. Sollte auch wirk¬
lich, wie die Leipziger Zeitung meint, das Vaterland des letzteren, Preußen,
„auf dessen ungewöhnliche Gcistesbegabung stolz zu sein, Ursache haben." so
ist es doch immer nur ein Privatmann, der, so viel wir wissen, keine einzige
politische Partei in Preußen und vermuthlich auch nicht die preußische Regie¬
rung vertritt — obgleich wir das letztere nur schüchtern zu behaupten wagen.
Die Leipziger Zeitung dagegen ist zwar nicht ein officielles Blatt, aber sie ist
ein Staatsunternehmen, und wird daher schwerlich eine von der Staatsre¬
gierung gemißbilligte Ansicht vertreten. Die Leipziger Zeitung nun findet
in jener Broschüre „eine wahre Herzcuserquickung"; das Meiste ist ihr „aus
der Seele geschrieben"; ja sie erscheint ihr so wichtig, daß sie ihr „von neuem
den Muth im verzagenden Gemüth erhebt".

Grund genug, daß wir aus jener Broschüre wenigstens die Anregung ent¬
nehmen, einen Begriff zu analysiren, der durch die Unklarheit seiner Fassung
unendlichen Schaden angerichtet hat, den Begriff der Souvcränetüt, nament¬
lich in sofern er in einem Bundesstaat in Anwendung kommt.

Die Souvcränetüt eines Staates zeigt sich nach Außen und nach Innen:
nach Außen, in sofern er mit andern Staaten Verträge schließt und Krieg
führt, nach Innen, in sofern er Zwangsmittel besitzt, seinen Gesetzen und Ver-


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[0358] stellt, bleibt es vergebene Mühe, an Nebendingen Staatskunst zu üben. Oest¬ reichs Monarch kann nichts Edleres, nichts Größeres thun als sich selbst zum Anwalt des Rechtes machen, das er als ein unantastbares Erbstück seines Vorfahren anerkannte. Diese That allein setzt ein sicheres Ziel der Corruption, die in alle Schichten der Gesellschaft drang, sie allein ist das Pfand unsers künftigen Glückes. Der deutsche Bund nud die souveränen. Die Anregung zu den gegenwärtigen Betrachtungen gibt uns eine Bro¬ schüre von Konstantin Franz: „Dreiunddreißig Sätze vom deutschen Bunde/' oder vielmehr ein ausführlicher Auszug aus derselben, welchen die Leipziger Zeitung vom 1. November mittheilt. Wir haben uns mit diesem Auszug begnügt, weil es uns wichtiger lst. die Ansichten der Leipziger Zeitung zu erfahren als die Ansichten des Herrn Constantin Franz. Sollte auch wirk¬ lich, wie die Leipziger Zeitung meint, das Vaterland des letzteren, Preußen, „auf dessen ungewöhnliche Gcistesbegabung stolz zu sein, Ursache haben." so ist es doch immer nur ein Privatmann, der, so viel wir wissen, keine einzige politische Partei in Preußen und vermuthlich auch nicht die preußische Regie¬ rung vertritt — obgleich wir das letztere nur schüchtern zu behaupten wagen. Die Leipziger Zeitung dagegen ist zwar nicht ein officielles Blatt, aber sie ist ein Staatsunternehmen, und wird daher schwerlich eine von der Staatsre¬ gierung gemißbilligte Ansicht vertreten. Die Leipziger Zeitung nun findet in jener Broschüre „eine wahre Herzcuserquickung"; das Meiste ist ihr „aus der Seele geschrieben"; ja sie erscheint ihr so wichtig, daß sie ihr „von neuem den Muth im verzagenden Gemüth erhebt". Grund genug, daß wir aus jener Broschüre wenigstens die Anregung ent¬ nehmen, einen Begriff zu analysiren, der durch die Unklarheit seiner Fassung unendlichen Schaden angerichtet hat, den Begriff der Souvcränetüt, nament¬ lich in sofern er in einem Bundesstaat in Anwendung kommt. Die Souvcränetüt eines Staates zeigt sich nach Außen und nach Innen: nach Außen, in sofern er mit andern Staaten Verträge schließt und Krieg führt, nach Innen, in sofern er Zwangsmittel besitzt, seinen Gesetzen und Ver-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_110347/358>, abgerufen am 03.05.2024.