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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band.

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Die Lage der VerMmMilgelegeiiheit Kurhesseus.

Den Angelpunkt der kurhessischen Verfassiingssache bildet gegenwärtig die
Frage-, nach welchen Bestimmungen kann und muß eine vollberechtigte
Landesvertrctun g gewählt werden?

Um diesen Gegenstand klar erfassen und richtig beurtheilen zu können,
muß man sich die Entstehung, den Ausbau und den Umsturz der Verfassung
vom 5. Januar 1831, sowie die Grundlagen der augenblicklich in Anwendung
befindlichen Verfassungs- und Wahlbestimmungeu vom 30. Mai 1860 ver¬
gegenwärtigen. Versuchen wir's also, einen gedrängten Ueberblick davon zu
gewinnen.

Die Verfassungsurkunde von 1831 beruht auf Vereinbarung zwischen der
Negierung Wilhelms des Zweiten und den althessischem Ständen. Mit Rück¬
sicht aus die geschichtlichen Grundlagen und auf die besondern Verhältnisse des
Landes, welches in keiner Weise die Grundlagen und Bestandtheile für eine
erste Kammer zu bieten schien, wurde mit allseitiger Zustimmung nur eine
Versammlung von Ständen gebildet. Sie bestand 1) aus den Prinzen der
apanagirten Linien des Kurhauses, 2) aus den Häuptern der Standesherrlichen
Familien, 3) aus dem Senior oder dein sonst mit dein Erbmarschallamte be-
liehcnen Mitglieds der Familie von Riedesel, 4) aus einem der ritterschaft-
lichen Obervorsteher der adligen Stifter Kaufungen und Wetter, K) aus einem
Abgeordneten der Landesuniversität, 6) aus fünf Abgeordneten der althessischem
Ritterschaft, 7) aus einem Abgeordneten der Schauenburger Ritterschaft und der
adligen Fräuleinstiftcr Obernkirchen und Fischbach, 8) aus einem Abgeord¬
neten des ehemaligen reichsunmittelbaren Adels der Kreise Fulda und Hün¬
feld, 9) aus einem Abgeordneten des ehemals reichsunmittelbaren und des sonst
starkbegüterten Adels der Provinz Hanau, 10) aus sechzehn Abgeordneten der
Städte, dergestalt, daß Kassel und Hanau je zwei, Marburg, Fulda und Schmal-
kalden je einen wühlten und die kleinern Städte mehrere Wahlkreise bildeten;
endlich ii) aus sechzehn Abgeordneten der Landgemeinden. Ueber die Wahlen
enthielt die Verfassungsurkunde selbst mehrere Bestimmungen; die übrigen
wurden einem besondern Wahlgesetze vorbehalten, welches aber im Voraus


Grenzboten IV. 1660. 46
Die Lage der VerMmMilgelegeiiheit Kurhesseus.

Den Angelpunkt der kurhessischen Verfassiingssache bildet gegenwärtig die
Frage-, nach welchen Bestimmungen kann und muß eine vollberechtigte
Landesvertrctun g gewählt werden?

Um diesen Gegenstand klar erfassen und richtig beurtheilen zu können,
muß man sich die Entstehung, den Ausbau und den Umsturz der Verfassung
vom 5. Januar 1831, sowie die Grundlagen der augenblicklich in Anwendung
befindlichen Verfassungs- und Wahlbestimmungeu vom 30. Mai 1860 ver¬
gegenwärtigen. Versuchen wir's also, einen gedrängten Ueberblick davon zu
gewinnen.

Die Verfassungsurkunde von 1831 beruht auf Vereinbarung zwischen der
Negierung Wilhelms des Zweiten und den althessischem Ständen. Mit Rück¬
sicht aus die geschichtlichen Grundlagen und auf die besondern Verhältnisse des
Landes, welches in keiner Weise die Grundlagen und Bestandtheile für eine
erste Kammer zu bieten schien, wurde mit allseitiger Zustimmung nur eine
Versammlung von Ständen gebildet. Sie bestand 1) aus den Prinzen der
apanagirten Linien des Kurhauses, 2) aus den Häuptern der Standesherrlichen
Familien, 3) aus dem Senior oder dein sonst mit dein Erbmarschallamte be-
liehcnen Mitglieds der Familie von Riedesel, 4) aus einem der ritterschaft-
lichen Obervorsteher der adligen Stifter Kaufungen und Wetter, K) aus einem
Abgeordneten der Landesuniversität, 6) aus fünf Abgeordneten der althessischem
Ritterschaft, 7) aus einem Abgeordneten der Schauenburger Ritterschaft und der
adligen Fräuleinstiftcr Obernkirchen und Fischbach, 8) aus einem Abgeord¬
neten des ehemaligen reichsunmittelbaren Adels der Kreise Fulda und Hün¬
feld, 9) aus einem Abgeordneten des ehemals reichsunmittelbaren und des sonst
starkbegüterten Adels der Provinz Hanau, 10) aus sechzehn Abgeordneten der
Städte, dergestalt, daß Kassel und Hanau je zwei, Marburg, Fulda und Schmal-
kalden je einen wühlten und die kleinern Städte mehrere Wahlkreise bildeten;
endlich ii) aus sechzehn Abgeordneten der Landgemeinden. Ueber die Wahlen
enthielt die Verfassungsurkunde selbst mehrere Bestimmungen; die übrigen
wurden einem besondern Wahlgesetze vorbehalten, welches aber im Voraus


Grenzboten IV. 1660. 46
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[0373] Die Lage der VerMmMilgelegeiiheit Kurhesseus. Den Angelpunkt der kurhessischen Verfassiingssache bildet gegenwärtig die Frage-, nach welchen Bestimmungen kann und muß eine vollberechtigte Landesvertrctun g gewählt werden? Um diesen Gegenstand klar erfassen und richtig beurtheilen zu können, muß man sich die Entstehung, den Ausbau und den Umsturz der Verfassung vom 5. Januar 1831, sowie die Grundlagen der augenblicklich in Anwendung befindlichen Verfassungs- und Wahlbestimmungeu vom 30. Mai 1860 ver¬ gegenwärtigen. Versuchen wir's also, einen gedrängten Ueberblick davon zu gewinnen. Die Verfassungsurkunde von 1831 beruht auf Vereinbarung zwischen der Negierung Wilhelms des Zweiten und den althessischem Ständen. Mit Rück¬ sicht aus die geschichtlichen Grundlagen und auf die besondern Verhältnisse des Landes, welches in keiner Weise die Grundlagen und Bestandtheile für eine erste Kammer zu bieten schien, wurde mit allseitiger Zustimmung nur eine Versammlung von Ständen gebildet. Sie bestand 1) aus den Prinzen der apanagirten Linien des Kurhauses, 2) aus den Häuptern der Standesherrlichen Familien, 3) aus dem Senior oder dein sonst mit dein Erbmarschallamte be- liehcnen Mitglieds der Familie von Riedesel, 4) aus einem der ritterschaft- lichen Obervorsteher der adligen Stifter Kaufungen und Wetter, K) aus einem Abgeordneten der Landesuniversität, 6) aus fünf Abgeordneten der althessischem Ritterschaft, 7) aus einem Abgeordneten der Schauenburger Ritterschaft und der adligen Fräuleinstiftcr Obernkirchen und Fischbach, 8) aus einem Abgeord¬ neten des ehemaligen reichsunmittelbaren Adels der Kreise Fulda und Hün¬ feld, 9) aus einem Abgeordneten des ehemals reichsunmittelbaren und des sonst starkbegüterten Adels der Provinz Hanau, 10) aus sechzehn Abgeordneten der Städte, dergestalt, daß Kassel und Hanau je zwei, Marburg, Fulda und Schmal- kalden je einen wühlten und die kleinern Städte mehrere Wahlkreise bildeten; endlich ii) aus sechzehn Abgeordneten der Landgemeinden. Ueber die Wahlen enthielt die Verfassungsurkunde selbst mehrere Bestimmungen; die übrigen wurden einem besondern Wahlgesetze vorbehalten, welches aber im Voraus Grenzboten IV. 1660. 46

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_110347/373>, abgerufen am 03.05.2024.