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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band.

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wir, daß wieder einige Professoren neu ernannt worden sind. Der vermuth¬
lich an die Stelle Schülers. dessen Nachlaß noch immer der Veröffentlichung
harrt, berufene Professor Harum genießt in der juridischen Welt mit Recht eines
großen Ansehens, für Naturgeschichte wurde ein gewisser Kerner berufen, der
laut einer Angabe der Allgemeinen Zeitung ein geschätzter Botaniker sein soll;
Fachmänner, bei denen wir uns nach ihm erkundigten, scheinen nicht viel
von seinen Werken zu wissen. Sei dem, wie ihm wolle, mit der Botanik
allein ist in einem Lande, dessen Reichthum an den verschiedensten Natur¬
erzeugnissen sprichwörtlich ist, nicht viel ausgerichtet, auch Mineralogie
und Zoologie verlangen gebührende Vertretung. Soll unsere Landesuniversität
zu einem gedeihlichen Stand kommen, so muß auch hier aufgeräumt werden;
denn mit Dilettanten, welche ihre Berufung weniger einer wissenschaftlichen
Leistung als der Protection verdanken, ist nichts gethan, zu schweigen von
Leuten wie Mvy und Kerer, welche noch jesuitischer als die Jesuiten sind.
Bis jetzt haben wir viel gehofft, es ist aber nicht viel geschehen, die Galgen¬
frist, welche man dem Anhang des alten Systems gewähren kann, sollte doch
billigerweise jetzt als abgelaufen zu betrachten sein.




Lessing-Studien.

Lessing-Studien. Von C. Hehler, Privatdocent der Philosophie an der Hochschule
Bern. Bern, Verlag von Huber und Comp. (I. Körber.) 1862.

So erfreulich die Wahrnehmung ist, daß man sich in unsern Tagen flei¬
ßiger als je mit Lessing beschäftigt, so fehlt doch viel, daß auch die Ergeb¬
nisse dieser Beschäftigung allemal erfreuliche wären. Selbst an dem gesunde¬
sten Stoffe (und den gesundesten aller deutschen Schriftsteller kann man ja
Lessing füglich nennen) nährt der Kranke seine Krankheit: und der Kranken
gerade in den Stücken, auf welche Lessings wichtigste Schriften sich beziehen,
sind in unsrer Zeit nur gar zu viele. Je höher die Achtung vor Lessing, die
Geltung seines Wortes und Vorgangs, gestiegen ist, desto eifriger suchen die
verschiedensten Parteien seine ihres Tiefsinns wegen nicht immer leicht ver¬
ständlichen Orakel zu ihren Gunsten auszulegen, den großen Mann als einen


wir, daß wieder einige Professoren neu ernannt worden sind. Der vermuth¬
lich an die Stelle Schülers. dessen Nachlaß noch immer der Veröffentlichung
harrt, berufene Professor Harum genießt in der juridischen Welt mit Recht eines
großen Ansehens, für Naturgeschichte wurde ein gewisser Kerner berufen, der
laut einer Angabe der Allgemeinen Zeitung ein geschätzter Botaniker sein soll;
Fachmänner, bei denen wir uns nach ihm erkundigten, scheinen nicht viel
von seinen Werken zu wissen. Sei dem, wie ihm wolle, mit der Botanik
allein ist in einem Lande, dessen Reichthum an den verschiedensten Natur¬
erzeugnissen sprichwörtlich ist, nicht viel ausgerichtet, auch Mineralogie
und Zoologie verlangen gebührende Vertretung. Soll unsere Landesuniversität
zu einem gedeihlichen Stand kommen, so muß auch hier aufgeräumt werden;
denn mit Dilettanten, welche ihre Berufung weniger einer wissenschaftlichen
Leistung als der Protection verdanken, ist nichts gethan, zu schweigen von
Leuten wie Mvy und Kerer, welche noch jesuitischer als die Jesuiten sind.
Bis jetzt haben wir viel gehofft, es ist aber nicht viel geschehen, die Galgen¬
frist, welche man dem Anhang des alten Systems gewähren kann, sollte doch
billigerweise jetzt als abgelaufen zu betrachten sein.




Lessing-Studien.

Lessing-Studien. Von C. Hehler, Privatdocent der Philosophie an der Hochschule
Bern. Bern, Verlag von Huber und Comp. (I. Körber.) 1862.

So erfreulich die Wahrnehmung ist, daß man sich in unsern Tagen flei¬
ßiger als je mit Lessing beschäftigt, so fehlt doch viel, daß auch die Ergeb¬
nisse dieser Beschäftigung allemal erfreuliche wären. Selbst an dem gesunde¬
sten Stoffe (und den gesundesten aller deutschen Schriftsteller kann man ja
Lessing füglich nennen) nährt der Kranke seine Krankheit: und der Kranken
gerade in den Stücken, auf welche Lessings wichtigste Schriften sich beziehen,
sind in unsrer Zeit nur gar zu viele. Je höher die Achtung vor Lessing, die
Geltung seines Wortes und Vorgangs, gestiegen ist, desto eifriger suchen die
verschiedensten Parteien seine ihres Tiefsinns wegen nicht immer leicht ver¬
ständlichen Orakel zu ihren Gunsten auszulegen, den großen Mann als einen


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[0112] wir, daß wieder einige Professoren neu ernannt worden sind. Der vermuth¬ lich an die Stelle Schülers. dessen Nachlaß noch immer der Veröffentlichung harrt, berufene Professor Harum genießt in der juridischen Welt mit Recht eines großen Ansehens, für Naturgeschichte wurde ein gewisser Kerner berufen, der laut einer Angabe der Allgemeinen Zeitung ein geschätzter Botaniker sein soll; Fachmänner, bei denen wir uns nach ihm erkundigten, scheinen nicht viel von seinen Werken zu wissen. Sei dem, wie ihm wolle, mit der Botanik allein ist in einem Lande, dessen Reichthum an den verschiedensten Natur¬ erzeugnissen sprichwörtlich ist, nicht viel ausgerichtet, auch Mineralogie und Zoologie verlangen gebührende Vertretung. Soll unsere Landesuniversität zu einem gedeihlichen Stand kommen, so muß auch hier aufgeräumt werden; denn mit Dilettanten, welche ihre Berufung weniger einer wissenschaftlichen Leistung als der Protection verdanken, ist nichts gethan, zu schweigen von Leuten wie Mvy und Kerer, welche noch jesuitischer als die Jesuiten sind. Bis jetzt haben wir viel gehofft, es ist aber nicht viel geschehen, die Galgen¬ frist, welche man dem Anhang des alten Systems gewähren kann, sollte doch billigerweise jetzt als abgelaufen zu betrachten sein. Lessing-Studien. Lessing-Studien. Von C. Hehler, Privatdocent der Philosophie an der Hochschule Bern. Bern, Verlag von Huber und Comp. (I. Körber.) 1862. So erfreulich die Wahrnehmung ist, daß man sich in unsern Tagen flei¬ ßiger als je mit Lessing beschäftigt, so fehlt doch viel, daß auch die Ergeb¬ nisse dieser Beschäftigung allemal erfreuliche wären. Selbst an dem gesunde¬ sten Stoffe (und den gesundesten aller deutschen Schriftsteller kann man ja Lessing füglich nennen) nährt der Kranke seine Krankheit: und der Kranken gerade in den Stücken, auf welche Lessings wichtigste Schriften sich beziehen, sind in unsrer Zeit nur gar zu viele. Je höher die Achtung vor Lessing, die Geltung seines Wortes und Vorgangs, gestiegen ist, desto eifriger suchen die verschiedensten Parteien seine ihres Tiefsinns wegen nicht immer leicht ver¬ ständlichen Orakel zu ihren Gunsten auszulegen, den großen Mann als einen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507/112>, abgerufen am 23.04.2024.