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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band.

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Stuttgart war nun die Ernennung einer ständigen Commission vorgeschlagen,
welche sich mit der Zollfrage beschäftigen solle. Herr Schäffle widersetzte sich
dem Antrage, weil er hinter demselben zwei Dinge witterte. -- mit denen er
sich in seinem Buche ganz gut verträgt, -- Freihandel und Politik. Zu dem
Freihandel bekannte er sich im Princip, Das thun die Baumwollenspinner
auch. Sie haben wenig gegen das Princip, aber viel gegen dessen Anwen¬
dung. Aber -- fuhr Herr Schäffle fort, solche Commissionen, wie die hier
beantragte, legen den Verdacht einer Erschleichung politischer Bestrebungen
nahe. Sie könnten ihren Zweck um so weniger erreichen, weil Fragen dabei
in Betracht kommen, die rein politischer Natur sind, so die Beziehungen zu
Oestreich, zu Meklenburg und den Hansestädten u. s. w. In seinem Buche
erkennt der Verfasser, daß die Zollvereinsfrage eine politische Frage ist, und
in Stuttgart will er aus demselben Grunde nicht zugeben, daß eine Commis¬
sion diese Frage erörtere. Warum nicht? Weil er besorgt, die Commission
werde sich nicht in seinem Sinne aussprechen.

Wir begreifen, daß die Baumwollspinner bei den Twistzöllen ihr Sonder¬
interesse geltend machen, so wie sie es verstehen, und wir erkennen ihre Be¬
rechtigung, so weit sie begründet ist. Aber eine Vermittelung der Wissen¬
schaft mit dem Leben, wie Herr Schäffle sie unternimmt, können wir uns nur
dadurch erklären, daß der Nationalökonom aufhört, wo der Schwabe anfängt.


2) Die Capitalanlage in Wertpapieren der Staaten und großen Actien-
gesellschaften des In- und Auslandes von A. Moser, Verwalter des Jnter-
calarfonds in Stuttgart. Stuttgart, Wilhelm Nitzschke 1860. Erste und zweite
Lieferung.

Der Capitalist, der sein Vermögen ganz oder theilweise in zinstragenden
Schuldverschreibungen von Staaten, Bezirken, Gemeinden oder Gesellschaften
anlegt, -- wir reden nicht von dem Speculanten, noch weniger von dem
Schwindler, -- wählt in der Regel Papiere des eigenen oder eines Nachbar¬
landes, deren Sicherheit er vertraut. Bei auswärtigen Papieren, welche durch
niedrigen Curs oder hohen Zinsfuß, oder durch Beides locken, wird die Sicher¬
heit angezweifelt. Höchstens läßt die Vorsicht eine verhältnißmäßig geringe
Anlage in Lotterieanleihen zu, welche gegen ein Opfer an Zinsen die Mög¬
lichkeit eines Gewinnes bieten. Solche Kapitalisten bedürfen kaum eines
Handbuchs, um sich zu orientiren. Aber das vorliegende Werk leistet mehr.
Nach einem Allgemeinen Theile über Begriff und Wesen de.r Werthpapiere,
über die Entstehung und Entwickelung des Verkehrs in denselben, über den
öffentlichen Credit, die Geschäfte in Effecten, Münz- und Papiergeldwesen,
folgen die Darstellungen des Schuldenwesens und der Finanzlage der einzel¬
nen Staaten, welche ein reiches, zweckmäßig ausgewähltes und übersichtlich


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Stuttgart war nun die Ernennung einer ständigen Commission vorgeschlagen,
welche sich mit der Zollfrage beschäftigen solle. Herr Schäffle widersetzte sich
dem Antrage, weil er hinter demselben zwei Dinge witterte. — mit denen er
sich in seinem Buche ganz gut verträgt, — Freihandel und Politik. Zu dem
Freihandel bekannte er sich im Princip, Das thun die Baumwollenspinner
auch. Sie haben wenig gegen das Princip, aber viel gegen dessen Anwen¬
dung. Aber — fuhr Herr Schäffle fort, solche Commissionen, wie die hier
beantragte, legen den Verdacht einer Erschleichung politischer Bestrebungen
nahe. Sie könnten ihren Zweck um so weniger erreichen, weil Fragen dabei
in Betracht kommen, die rein politischer Natur sind, so die Beziehungen zu
Oestreich, zu Meklenburg und den Hansestädten u. s. w. In seinem Buche
erkennt der Verfasser, daß die Zollvereinsfrage eine politische Frage ist, und
in Stuttgart will er aus demselben Grunde nicht zugeben, daß eine Commis¬
sion diese Frage erörtere. Warum nicht? Weil er besorgt, die Commission
werde sich nicht in seinem Sinne aussprechen.

Wir begreifen, daß die Baumwollspinner bei den Twistzöllen ihr Sonder¬
interesse geltend machen, so wie sie es verstehen, und wir erkennen ihre Be¬
rechtigung, so weit sie begründet ist. Aber eine Vermittelung der Wissen¬
schaft mit dem Leben, wie Herr Schäffle sie unternimmt, können wir uns nur
dadurch erklären, daß der Nationalökonom aufhört, wo der Schwabe anfängt.


2) Die Capitalanlage in Wertpapieren der Staaten und großen Actien-
gesellschaften des In- und Auslandes von A. Moser, Verwalter des Jnter-
calarfonds in Stuttgart. Stuttgart, Wilhelm Nitzschke 1860. Erste und zweite
Lieferung.

Der Capitalist, der sein Vermögen ganz oder theilweise in zinstragenden
Schuldverschreibungen von Staaten, Bezirken, Gemeinden oder Gesellschaften
anlegt, — wir reden nicht von dem Speculanten, noch weniger von dem
Schwindler, — wählt in der Regel Papiere des eigenen oder eines Nachbar¬
landes, deren Sicherheit er vertraut. Bei auswärtigen Papieren, welche durch
niedrigen Curs oder hohen Zinsfuß, oder durch Beides locken, wird die Sicher¬
heit angezweifelt. Höchstens läßt die Vorsicht eine verhältnißmäßig geringe
Anlage in Lotterieanleihen zu, welche gegen ein Opfer an Zinsen die Mög¬
lichkeit eines Gewinnes bieten. Solche Kapitalisten bedürfen kaum eines
Handbuchs, um sich zu orientiren. Aber das vorliegende Werk leistet mehr.
Nach einem Allgemeinen Theile über Begriff und Wesen de.r Werthpapiere,
über die Entstehung und Entwickelung des Verkehrs in denselben, über den
öffentlichen Credit, die Geschäfte in Effecten, Münz- und Papiergeldwesen,
folgen die Darstellungen des Schuldenwesens und der Finanzlage der einzel¬
nen Staaten, welche ein reiches, zweckmäßig ausgewähltes und übersichtlich


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[0149] Stuttgart war nun die Ernennung einer ständigen Commission vorgeschlagen, welche sich mit der Zollfrage beschäftigen solle. Herr Schäffle widersetzte sich dem Antrage, weil er hinter demselben zwei Dinge witterte. — mit denen er sich in seinem Buche ganz gut verträgt, — Freihandel und Politik. Zu dem Freihandel bekannte er sich im Princip, Das thun die Baumwollenspinner auch. Sie haben wenig gegen das Princip, aber viel gegen dessen Anwen¬ dung. Aber — fuhr Herr Schäffle fort, solche Commissionen, wie die hier beantragte, legen den Verdacht einer Erschleichung politischer Bestrebungen nahe. Sie könnten ihren Zweck um so weniger erreichen, weil Fragen dabei in Betracht kommen, die rein politischer Natur sind, so die Beziehungen zu Oestreich, zu Meklenburg und den Hansestädten u. s. w. In seinem Buche erkennt der Verfasser, daß die Zollvereinsfrage eine politische Frage ist, und in Stuttgart will er aus demselben Grunde nicht zugeben, daß eine Commis¬ sion diese Frage erörtere. Warum nicht? Weil er besorgt, die Commission werde sich nicht in seinem Sinne aussprechen. Wir begreifen, daß die Baumwollspinner bei den Twistzöllen ihr Sonder¬ interesse geltend machen, so wie sie es verstehen, und wir erkennen ihre Be¬ rechtigung, so weit sie begründet ist. Aber eine Vermittelung der Wissen¬ schaft mit dem Leben, wie Herr Schäffle sie unternimmt, können wir uns nur dadurch erklären, daß der Nationalökonom aufhört, wo der Schwabe anfängt. 2) Die Capitalanlage in Wertpapieren der Staaten und großen Actien- gesellschaften des In- und Auslandes von A. Moser, Verwalter des Jnter- calarfonds in Stuttgart. Stuttgart, Wilhelm Nitzschke 1860. Erste und zweite Lieferung. Der Capitalist, der sein Vermögen ganz oder theilweise in zinstragenden Schuldverschreibungen von Staaten, Bezirken, Gemeinden oder Gesellschaften anlegt, — wir reden nicht von dem Speculanten, noch weniger von dem Schwindler, — wählt in der Regel Papiere des eigenen oder eines Nachbar¬ landes, deren Sicherheit er vertraut. Bei auswärtigen Papieren, welche durch niedrigen Curs oder hohen Zinsfuß, oder durch Beides locken, wird die Sicher¬ heit angezweifelt. Höchstens läßt die Vorsicht eine verhältnißmäßig geringe Anlage in Lotterieanleihen zu, welche gegen ein Opfer an Zinsen die Mög¬ lichkeit eines Gewinnes bieten. Solche Kapitalisten bedürfen kaum eines Handbuchs, um sich zu orientiren. Aber das vorliegende Werk leistet mehr. Nach einem Allgemeinen Theile über Begriff und Wesen de.r Werthpapiere, über die Entstehung und Entwickelung des Verkehrs in denselben, über den öffentlichen Credit, die Geschäfte in Effecten, Münz- und Papiergeldwesen, folgen die Darstellungen des Schuldenwesens und der Finanzlage der einzel¬ nen Staaten, welche ein reiches, zweckmäßig ausgewähltes und übersichtlich 18*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507/149>, abgerufen am 28.03.2024.