Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite
N"es ein Wort über die Umgestaltung des preußischen Heeres.

Der Aufsatz in Ur. 40 der Grenzboten über die Organisation der preußi¬
schen Armee spricht einen so genialen Gedanken aus, daß ich nicht umhin
kann, Sie zu bitten, dem mir freilich unbekannten Verfasser gelegentlich meinen
Glückwunsch dazu auszusprechen. Ich meine aber den Gedanken, die Ausbil¬
dung der Mannschaften dadurch zu fördern und zu bessern, daß die Infanterie
nur alle zwei Jahre Rekruten erhält. Es entsteht daraus der für die Aus¬
bildung allerdings immense Vortheil, daß sie ganz stätig und ununterbrochen
zwei volle Jahre fortgehen kann, was bei der bisher befolgten Methode nicht
geschieht und nicht geschehen kann, weil entweder die Hälfte oder doch ^/" der
Compagnien stets aus Rekruten bestehen, deren Ausbildung fast die ganze
Thätigkeit des Compagniechefs und aller Chargen nothwendig in Anspruch
nimmt, welche dann für die länger dienenden Mannschaften nur den ermatteten
Rest ihrer Kräfte übrig haben. Man fühlt es dem Vorschlage gleich an, daß
er unmittelbar aus der Erfahrung eines alten Praktikers hervorgegangen ist,
und er dürfte also wol schwerlich die gewöhnlichen Einwendungen der soge¬
nannten Praxis zu befürchten haben, die häufig nichts ist als die gedanken¬
lose Gewohnheit und Bequemlichkeit einer einmal eingedrillten Methode. Es
>se gewiß entschieden so. wie gesagt wird, daß bei einer so durchgeführten
Zweijährigen Dienstzeit mehr gelernt werden würde, als jetzt bei einer drei¬
jährigen der Fall ist; die jetzige Methode sei ungefähr so, als wollte man
Tertianer, Secundaner und Primaner unter ein und demselben Lehrer in eine
Klasse thun, der Lehrer wird sich immer mit den Tertianern am meisten be¬
schäftigen müssen.

So überzeugend nur also jener Vorschlag erscheint und so sehr ich glauben
möchte, daß er in nächster Zeit zur Geltung kommen muß. so fraglich erscheint
mir doch, ob die Art der Durchführung, welche der geehrte Verfasser seinem
Vorschlage geben will, die beste sei. Er will von 2 Regimentern immer ab-
Wechselnd dem einen alle Rekruten beider zutheilen. Ich möchte es lie¬
ber jedesmal zwischen den beiden Musketier- oder Grenadier-Bataillonen
eines Regiments und den beiden Füsilierbataillonen einer Brigade wechseln
lassen. Die Gründe liegen nahe genug.


Grenzboten IV. 1861. 26
N»es ein Wort über die Umgestaltung des preußischen Heeres.

Der Aufsatz in Ur. 40 der Grenzboten über die Organisation der preußi¬
schen Armee spricht einen so genialen Gedanken aus, daß ich nicht umhin
kann, Sie zu bitten, dem mir freilich unbekannten Verfasser gelegentlich meinen
Glückwunsch dazu auszusprechen. Ich meine aber den Gedanken, die Ausbil¬
dung der Mannschaften dadurch zu fördern und zu bessern, daß die Infanterie
nur alle zwei Jahre Rekruten erhält. Es entsteht daraus der für die Aus¬
bildung allerdings immense Vortheil, daß sie ganz stätig und ununterbrochen
zwei volle Jahre fortgehen kann, was bei der bisher befolgten Methode nicht
geschieht und nicht geschehen kann, weil entweder die Hälfte oder doch ^/» der
Compagnien stets aus Rekruten bestehen, deren Ausbildung fast die ganze
Thätigkeit des Compagniechefs und aller Chargen nothwendig in Anspruch
nimmt, welche dann für die länger dienenden Mannschaften nur den ermatteten
Rest ihrer Kräfte übrig haben. Man fühlt es dem Vorschlage gleich an, daß
er unmittelbar aus der Erfahrung eines alten Praktikers hervorgegangen ist,
und er dürfte also wol schwerlich die gewöhnlichen Einwendungen der soge¬
nannten Praxis zu befürchten haben, die häufig nichts ist als die gedanken¬
lose Gewohnheit und Bequemlichkeit einer einmal eingedrillten Methode. Es
>se gewiß entschieden so. wie gesagt wird, daß bei einer so durchgeführten
Zweijährigen Dienstzeit mehr gelernt werden würde, als jetzt bei einer drei¬
jährigen der Fall ist; die jetzige Methode sei ungefähr so, als wollte man
Tertianer, Secundaner und Primaner unter ein und demselben Lehrer in eine
Klasse thun, der Lehrer wird sich immer mit den Tertianern am meisten be¬
schäftigen müssen.

So überzeugend nur also jener Vorschlag erscheint und so sehr ich glauben
möchte, daß er in nächster Zeit zur Geltung kommen muß. so fraglich erscheint
mir doch, ob die Art der Durchführung, welche der geehrte Verfasser seinem
Vorschlage geben will, die beste sei. Er will von 2 Regimentern immer ab-
Wechselnd dem einen alle Rekruten beider zutheilen. Ich möchte es lie¬
ber jedesmal zwischen den beiden Musketier- oder Grenadier-Bataillonen
eines Regiments und den beiden Füsilierbataillonen einer Brigade wechseln
lassen. Die Gründe liegen nahe genug.


Grenzboten IV. 1861. 26
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0211" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/112719"/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> N»es ein Wort über die Umgestaltung des preußischen Heeres.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_637"> Der Aufsatz in Ur. 40 der Grenzboten über die Organisation der preußi¬<lb/>
schen Armee spricht einen so genialen Gedanken aus, daß ich nicht umhin<lb/>
kann, Sie zu bitten, dem mir freilich unbekannten Verfasser gelegentlich meinen<lb/>
Glückwunsch dazu auszusprechen. Ich meine aber den Gedanken, die Ausbil¬<lb/>
dung der Mannschaften dadurch zu fördern und zu bessern, daß die Infanterie<lb/>
nur alle zwei Jahre Rekruten erhält. Es entsteht daraus der für die Aus¬<lb/>
bildung allerdings immense Vortheil, daß sie ganz stätig und ununterbrochen<lb/>
zwei volle Jahre fortgehen kann, was bei der bisher befolgten Methode nicht<lb/>
geschieht und nicht geschehen kann, weil entweder die Hälfte oder doch ^/» der<lb/>
Compagnien stets aus Rekruten bestehen, deren Ausbildung fast die ganze<lb/>
Thätigkeit des Compagniechefs und aller Chargen nothwendig in Anspruch<lb/>
nimmt, welche dann für die länger dienenden Mannschaften nur den ermatteten<lb/>
Rest ihrer Kräfte übrig haben. Man fühlt es dem Vorschlage gleich an, daß<lb/>
er unmittelbar aus der Erfahrung eines alten Praktikers hervorgegangen ist,<lb/>
und er dürfte also wol schwerlich die gewöhnlichen Einwendungen der soge¬<lb/>
nannten Praxis zu befürchten haben, die häufig nichts ist als die gedanken¬<lb/>
lose Gewohnheit und Bequemlichkeit einer einmal eingedrillten Methode. Es<lb/>
&gt;se gewiß entschieden so. wie gesagt wird, daß bei einer so durchgeführten<lb/>
Zweijährigen Dienstzeit mehr gelernt werden würde, als jetzt bei einer drei¬<lb/>
jährigen der Fall ist; die jetzige Methode sei ungefähr so, als wollte man<lb/>
Tertianer, Secundaner und Primaner unter ein und demselben Lehrer in eine<lb/>
Klasse thun, der Lehrer wird sich immer mit den Tertianern am meisten be¬<lb/>
schäftigen müssen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_638"> So überzeugend nur also jener Vorschlag erscheint und so sehr ich glauben<lb/>
möchte, daß er in nächster Zeit zur Geltung kommen muß. so fraglich erscheint<lb/>
mir doch, ob die Art der Durchführung, welche der geehrte Verfasser seinem<lb/>
Vorschlage geben will, die beste sei. Er will von 2 Regimentern immer ab-<lb/>
Wechselnd dem einen alle Rekruten beider zutheilen. Ich möchte es lie¬<lb/>
ber jedesmal zwischen den beiden Musketier- oder Grenadier-Bataillonen<lb/>
eines Regiments und den beiden Füsilierbataillonen einer Brigade wechseln<lb/>
lassen. Die Gründe liegen nahe genug.</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten IV. 1861. 26</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0211] N»es ein Wort über die Umgestaltung des preußischen Heeres. Der Aufsatz in Ur. 40 der Grenzboten über die Organisation der preußi¬ schen Armee spricht einen so genialen Gedanken aus, daß ich nicht umhin kann, Sie zu bitten, dem mir freilich unbekannten Verfasser gelegentlich meinen Glückwunsch dazu auszusprechen. Ich meine aber den Gedanken, die Ausbil¬ dung der Mannschaften dadurch zu fördern und zu bessern, daß die Infanterie nur alle zwei Jahre Rekruten erhält. Es entsteht daraus der für die Aus¬ bildung allerdings immense Vortheil, daß sie ganz stätig und ununterbrochen zwei volle Jahre fortgehen kann, was bei der bisher befolgten Methode nicht geschieht und nicht geschehen kann, weil entweder die Hälfte oder doch ^/» der Compagnien stets aus Rekruten bestehen, deren Ausbildung fast die ganze Thätigkeit des Compagniechefs und aller Chargen nothwendig in Anspruch nimmt, welche dann für die länger dienenden Mannschaften nur den ermatteten Rest ihrer Kräfte übrig haben. Man fühlt es dem Vorschlage gleich an, daß er unmittelbar aus der Erfahrung eines alten Praktikers hervorgegangen ist, und er dürfte also wol schwerlich die gewöhnlichen Einwendungen der soge¬ nannten Praxis zu befürchten haben, die häufig nichts ist als die gedanken¬ lose Gewohnheit und Bequemlichkeit einer einmal eingedrillten Methode. Es >se gewiß entschieden so. wie gesagt wird, daß bei einer so durchgeführten Zweijährigen Dienstzeit mehr gelernt werden würde, als jetzt bei einer drei¬ jährigen der Fall ist; die jetzige Methode sei ungefähr so, als wollte man Tertianer, Secundaner und Primaner unter ein und demselben Lehrer in eine Klasse thun, der Lehrer wird sich immer mit den Tertianern am meisten be¬ schäftigen müssen. So überzeugend nur also jener Vorschlag erscheint und so sehr ich glauben möchte, daß er in nächster Zeit zur Geltung kommen muß. so fraglich erscheint mir doch, ob die Art der Durchführung, welche der geehrte Verfasser seinem Vorschlage geben will, die beste sei. Er will von 2 Regimentern immer ab- Wechselnd dem einen alle Rekruten beider zutheilen. Ich möchte es lie¬ ber jedesmal zwischen den beiden Musketier- oder Grenadier-Bataillonen eines Regiments und den beiden Füsilierbataillonen einer Brigade wechseln lassen. Die Gründe liegen nahe genug. Grenzboten IV. 1861. 26

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507/211
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507/211>, abgerufen am 28.03.2024.