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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band.

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Der zweite deutsche Zuristentag.
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Die Erwartungen, welche man von dem diesjährigen Juristentag hegte,
waren sehr verschieden. Während man in dem gebildeten Laienstande die
Hoffnungen vielleicht zu hoch spannte, betrat ein großer Theil der Juristen
den Versammlungsort Dresden mit sehr geringen Aussichten auf ersprießliche
Erfolge. Bei einer Versammlung von solcher Ausdehnung und von solcher
Bedeutung verlohnt, es sich wohl der Mühe, etwas näher zu betrachten, was
der Juristentag füglich leisten sollte und was er geleistet hat.

Die geringen Erwartungen, welche Manche im Voraus hegten, bezogen
sich gewiß nicht auf die gesellige Seite der Zusammenkunft. Soviel durfte
man sich wol voraussagen, daß in der gastfreundlichen Hauptstadt Sachsens
der geeignete Platz für eine Zusammenkunft bezeichnet sei. zu der mehr oder
weniger auch das Bedürfniß persönlicher Annäherung Viele hinzieht. Jede
der größern Versammlungen, die sich rasch in Deutschland verdoppeln und ver¬
dreifachen, muß diesen Zweck, persönliche Bekanntschaft und persönlichen Ideen¬
austausch zu vermitteln, mit in Anschlag bringen. Wer nur einmal solchen
Congressen beigewohnt hat, weiß zur Genüge, daß leicht in dem zwanglosen
Begegnen, in dem gemüthlichen oder angeregten Gespräch, kurz in dem ge¬
selligen Theil des Festprogramms die hauptsächlichste Bedeutung der Zu¬
sammenkunft enthalten ist. Dies gilt in gewissem Maaß selbst von den wissen¬
schaftlichen Ergebnissen derselben. >

In den Haupt- oder Abtheiiungsversammlungen die Fragen der Tages¬
ordnung so ausführlich und gründlich zu besprechen, wie es der Stoff ver-
langte, ist häufig ganz unmöglich. Jeder Kundige sagt sich hundertmal, daß
er die Gründe für und wider weit erschöpfender und treffender bereits aus
andern Darstellungen, als hier aus den Reden einzelner Mitglieder gekannt und
gewürdigt habe. Obwol nun keineswegs der Nutzen der eigentlichen Ver¬
sammlungen nach dieser Seite verkleinert werden darf, obwol oft aus den
kurzen Bemerkungen eines einzelnen Redners gewiß mehr durchschlagender
Gewinn gezogen wird, als aus langen gedruckten Ausführungen, obwol erst
aus der gemeinsamen Berathung klar wird, welche Ansichten in den weiten
Kreisen dieses oder jenes Berufs Wurzel gefaßt haben, herrschen oder Zukunft
versprechen, so ist doch selbst der wahrhaft wissenschaftliche Nutzen der Privat¬
unterhaltung bei solchen Gelegenheiten kaum geringer. Wie viel Anregungen,


Der zweite deutsche Zuristentag.
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Die Erwartungen, welche man von dem diesjährigen Juristentag hegte,
waren sehr verschieden. Während man in dem gebildeten Laienstande die
Hoffnungen vielleicht zu hoch spannte, betrat ein großer Theil der Juristen
den Versammlungsort Dresden mit sehr geringen Aussichten auf ersprießliche
Erfolge. Bei einer Versammlung von solcher Ausdehnung und von solcher
Bedeutung verlohnt, es sich wohl der Mühe, etwas näher zu betrachten, was
der Juristentag füglich leisten sollte und was er geleistet hat.

Die geringen Erwartungen, welche Manche im Voraus hegten, bezogen
sich gewiß nicht auf die gesellige Seite der Zusammenkunft. Soviel durfte
man sich wol voraussagen, daß in der gastfreundlichen Hauptstadt Sachsens
der geeignete Platz für eine Zusammenkunft bezeichnet sei. zu der mehr oder
weniger auch das Bedürfniß persönlicher Annäherung Viele hinzieht. Jede
der größern Versammlungen, die sich rasch in Deutschland verdoppeln und ver¬
dreifachen, muß diesen Zweck, persönliche Bekanntschaft und persönlichen Ideen¬
austausch zu vermitteln, mit in Anschlag bringen. Wer nur einmal solchen
Congressen beigewohnt hat, weiß zur Genüge, daß leicht in dem zwanglosen
Begegnen, in dem gemüthlichen oder angeregten Gespräch, kurz in dem ge¬
selligen Theil des Festprogramms die hauptsächlichste Bedeutung der Zu¬
sammenkunft enthalten ist. Dies gilt in gewissem Maaß selbst von den wissen¬
schaftlichen Ergebnissen derselben. >

In den Haupt- oder Abtheiiungsversammlungen die Fragen der Tages¬
ordnung so ausführlich und gründlich zu besprechen, wie es der Stoff ver-
langte, ist häufig ganz unmöglich. Jeder Kundige sagt sich hundertmal, daß
er die Gründe für und wider weit erschöpfender und treffender bereits aus
andern Darstellungen, als hier aus den Reden einzelner Mitglieder gekannt und
gewürdigt habe. Obwol nun keineswegs der Nutzen der eigentlichen Ver¬
sammlungen nach dieser Seite verkleinert werden darf, obwol oft aus den
kurzen Bemerkungen eines einzelnen Redners gewiß mehr durchschlagender
Gewinn gezogen wird, als aus langen gedruckten Ausführungen, obwol erst
aus der gemeinsamen Berathung klar wird, welche Ansichten in den weiten
Kreisen dieses oder jenes Berufs Wurzel gefaßt haben, herrschen oder Zukunft
versprechen, so ist doch selbst der wahrhaft wissenschaftliche Nutzen der Privat¬
unterhaltung bei solchen Gelegenheiten kaum geringer. Wie viel Anregungen,


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[0272] Der zweite deutsche Zuristentag. Ani et>7»(! ste,s.,M>i^" iiiZlii,', «6 ,s»i»^'.« Sö.'j si-U'l 6l„, Ä Sri»-j> Die Erwartungen, welche man von dem diesjährigen Juristentag hegte, waren sehr verschieden. Während man in dem gebildeten Laienstande die Hoffnungen vielleicht zu hoch spannte, betrat ein großer Theil der Juristen den Versammlungsort Dresden mit sehr geringen Aussichten auf ersprießliche Erfolge. Bei einer Versammlung von solcher Ausdehnung und von solcher Bedeutung verlohnt, es sich wohl der Mühe, etwas näher zu betrachten, was der Juristentag füglich leisten sollte und was er geleistet hat. Die geringen Erwartungen, welche Manche im Voraus hegten, bezogen sich gewiß nicht auf die gesellige Seite der Zusammenkunft. Soviel durfte man sich wol voraussagen, daß in der gastfreundlichen Hauptstadt Sachsens der geeignete Platz für eine Zusammenkunft bezeichnet sei. zu der mehr oder weniger auch das Bedürfniß persönlicher Annäherung Viele hinzieht. Jede der größern Versammlungen, die sich rasch in Deutschland verdoppeln und ver¬ dreifachen, muß diesen Zweck, persönliche Bekanntschaft und persönlichen Ideen¬ austausch zu vermitteln, mit in Anschlag bringen. Wer nur einmal solchen Congressen beigewohnt hat, weiß zur Genüge, daß leicht in dem zwanglosen Begegnen, in dem gemüthlichen oder angeregten Gespräch, kurz in dem ge¬ selligen Theil des Festprogramms die hauptsächlichste Bedeutung der Zu¬ sammenkunft enthalten ist. Dies gilt in gewissem Maaß selbst von den wissen¬ schaftlichen Ergebnissen derselben. > In den Haupt- oder Abtheiiungsversammlungen die Fragen der Tages¬ ordnung so ausführlich und gründlich zu besprechen, wie es der Stoff ver- langte, ist häufig ganz unmöglich. Jeder Kundige sagt sich hundertmal, daß er die Gründe für und wider weit erschöpfender und treffender bereits aus andern Darstellungen, als hier aus den Reden einzelner Mitglieder gekannt und gewürdigt habe. Obwol nun keineswegs der Nutzen der eigentlichen Ver¬ sammlungen nach dieser Seite verkleinert werden darf, obwol oft aus den kurzen Bemerkungen eines einzelnen Redners gewiß mehr durchschlagender Gewinn gezogen wird, als aus langen gedruckten Ausführungen, obwol erst aus der gemeinsamen Berathung klar wird, welche Ansichten in den weiten Kreisen dieses oder jenes Berufs Wurzel gefaßt haben, herrschen oder Zukunft versprechen, so ist doch selbst der wahrhaft wissenschaftliche Nutzen der Privat¬ unterhaltung bei solchen Gelegenheiten kaum geringer. Wie viel Anregungen,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507/272>, abgerufen am 24.04.2024.