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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band.

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ist, Posen vom preußischen Staate loßznreißcn und einem polnischen Reiche, dessen
Wiedererrichtung gehofft wird, einzuverleiben; sie hofft dabei auf die Mitwirkung
auswärtiger Mächte, denen als Garanten der von den Polen in Anspruch genom¬
menen nationalen Selbstständigkeit ein Recht dazu zustehen soll. Nach solchen Vor¬
gängen kann die deutsche Bevölkerung in Posen keinen Polen wählen. Jeder gute
Preuße wird in Posen sein Parteiinteresse unter das Interesse des Staats stellen.
Deshalb hat die deutsche Bevölkerung in Posen sich dahin geeinigt, daß man lieber
seinem extremsten politischen Gegner, wenn es nur ein Deutscher ist, seine Stimme
geben, als durch Uneinigkeit dazu beitragen wolle, daß ein Pole gewählt
werde. Nur die Feudalen und Zünstler sind so verrannt in ihren Vorurtheilen, daß
sie, weil die Polen während der letzten Session gegen die Gewerbefreiheit gestimmt
haben, sich bemühen, die deutschen Handwerker in der Provinz Posen in s polnische
Lager zu treiben. Namentlich die Abgeordneten von Bentkowsl'i und von Morawski
werden in Rundschreiben der " Handwerker - Central-Wahlcomits s " als solche be¬
zeichnet, die "für das Recht und die Interessen des Handwerkerstandes gestimmt ha¬
ben," Von der sittlichen Verwahrlosung, die sich in dieser Thatsache offenbart, hat
die Kreuzzeitung doch noch eine Ahnung; sie beweist dies dadurch, daß sie eine
Fluth der pöbelhaftesten Schimpfwörter über ihre Gegner ausgießt, die das Factum
an's Licht gebracht haben.

Gegen diese Koalition Stolberg-Pause - Reichensperger-Bcntkowski hat sick die
liberale Bevölkerung des Landes zu rüsten. Von ihren Gegnern können die Libe¬
ralen wenigstens Eines lernen, nämlich, daß man um großer Zwecke willen kleine
U 9. nterschiede vergessen muß. Doch davon ein andermal,




Literatur.

Reisen im Orient von H. Petermann. Zweiter Band. Nebst einer Karte,
entworfen von H. Kiepert. Leipzig. Verlag von Veit u. Comp, 1861.

Die Reisen Petermann's haben ihren Werth vorzüglich in den sehr ausführlichen
und gründlichen Schilderungen des socialen Lebens in den von dem Verfasser durch¬
wanderten Gegenden und namentlich in den Mittheilungen, die er über die dortigen
Kirchen und Seelen gibt. Während der von uns bereits angezeigte erste Band
besonders Interessantes über Damaskus und den Libanon, sowie über die Drusen


ist, Posen vom preußischen Staate loßznreißcn und einem polnischen Reiche, dessen
Wiedererrichtung gehofft wird, einzuverleiben; sie hofft dabei auf die Mitwirkung
auswärtiger Mächte, denen als Garanten der von den Polen in Anspruch genom¬
menen nationalen Selbstständigkeit ein Recht dazu zustehen soll. Nach solchen Vor¬
gängen kann die deutsche Bevölkerung in Posen keinen Polen wählen. Jeder gute
Preuße wird in Posen sein Parteiinteresse unter das Interesse des Staats stellen.
Deshalb hat die deutsche Bevölkerung in Posen sich dahin geeinigt, daß man lieber
seinem extremsten politischen Gegner, wenn es nur ein Deutscher ist, seine Stimme
geben, als durch Uneinigkeit dazu beitragen wolle, daß ein Pole gewählt
werde. Nur die Feudalen und Zünstler sind so verrannt in ihren Vorurtheilen, daß
sie, weil die Polen während der letzten Session gegen die Gewerbefreiheit gestimmt
haben, sich bemühen, die deutschen Handwerker in der Provinz Posen in s polnische
Lager zu treiben. Namentlich die Abgeordneten von Bentkowsl'i und von Morawski
werden in Rundschreiben der „ Handwerker - Central-Wahlcomits s " als solche be¬
zeichnet, die „für das Recht und die Interessen des Handwerkerstandes gestimmt ha¬
ben," Von der sittlichen Verwahrlosung, die sich in dieser Thatsache offenbart, hat
die Kreuzzeitung doch noch eine Ahnung; sie beweist dies dadurch, daß sie eine
Fluth der pöbelhaftesten Schimpfwörter über ihre Gegner ausgießt, die das Factum
an's Licht gebracht haben.

Gegen diese Koalition Stolberg-Pause - Reichensperger-Bcntkowski hat sick die
liberale Bevölkerung des Landes zu rüsten. Von ihren Gegnern können die Libe¬
ralen wenigstens Eines lernen, nämlich, daß man um großer Zwecke willen kleine
U 9. nterschiede vergessen muß. Doch davon ein andermal,




Literatur.

Reisen im Orient von H. Petermann. Zweiter Band. Nebst einer Karte,
entworfen von H. Kiepert. Leipzig. Verlag von Veit u. Comp, 1861.

Die Reisen Petermann's haben ihren Werth vorzüglich in den sehr ausführlichen
und gründlichen Schilderungen des socialen Lebens in den von dem Verfasser durch¬
wanderten Gegenden und namentlich in den Mittheilungen, die er über die dortigen
Kirchen und Seelen gibt. Während der von uns bereits angezeigte erste Band
besonders Interessantes über Damaskus und den Libanon, sowie über die Drusen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507/287>, abgerufen am 24.04.2024.