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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band.

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Der Zoll- und Handelsvertrag zwischen dem Zollverein und
Frankreich.
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Nach übereinstimmenden Berichten öffentlicher Blätter ist in den Verhand¬
lungen zwischen Preußen, Namens des Zollvereins, und Frankreich, über einen
Zoll- und Handelsvertrag, ein Stillstand eingetreten. Herr de Clercq, der
französische Unterhändler, ist von Berlin nach Paris zurückgekehrt, um zu Be¬
richten und weitere Instructionen einzuholen. Von dem preußischen Ministe¬
rium der auswärtigen Angelegenheiten ist an die übrigen Zollvercinsregie-
rungen eine Mittheilung ergangen, welche den Stand der Verhandlungen dar¬
legt, Vorschläge macht und die Aeußerungen der Regierungen darüber erwar¬
tet. So viel weiß daS Publicum, mehr weiß es nicht. Die Einen hoffen,
die Anderen besorgen, daß der Vertrag nun zu Tode verhandelt sei und nicht
mehr auferstehen werde. Ohne zu wissen, um was es sich handelt, hegen
weite Kreise das Gefühl, basi Deutschland bei jedem Vertrage mit Frankreich
zu kurz kommen werde; dazu tritt für gewisse Klassen von Producenten die
nahe liegende Vorstellung, das! der Vertrag die Eingangsabgaben des Vereins¬
tarifs auf das Blut der französischen Rebe, wie auf die feinen Erzeugnisse
der französischen Industrie ermäßigen und diese angenehmen Dinge dem deut¬
schen Weltbürger leichter zugänglich machen werde. Wer weiß, ob der Ver¬
trag nicht gar noch dem deutschen Fabrikanten verbieten würde, dem Fran¬
zosen seine geschmackvollen Muster und seine beliebten Fabrikzeichen in üblicher
Weise nachzumachen! -- Ans der andern Seite gibt es in Deutschland Pro¬
ducenten, welche jetzt schon nach Frankreich Absatz haben, und ihn zu verlieren
fürchten, wenn nicht ein Vertrag ihnen auf dem französischen Markte die näm¬
lichen Vortheile einräumt, die England und Belgien erzielt haben, Italien
und die Schweiz aber bald erzielen werden. Andere warten nur auf die Be¬
seitigung des Einfuhrverbots oder die Ermäßigung der vcrbotsgleichen Zoll¬
sätze, um für ihre deutschen Waaren eine neue Absatzguelle zu suchen. Gebt
doch jetzt schon deutsches Papier in Menge nach England, das die im Ver¬
trage mit Frankreich bedungene Zollermäßigung allen übrigen Ländern eben¬
falls gewährt. Die Pariser Luxus-Industrie hat ihren Absatz nach England
verdoppelt; der französische Handwerker und Arbeiter dagegen kann seinen


Grenzboten IV. 1861. 3S
Der Zoll- und Handelsvertrag zwischen dem Zollverein und
Frankreich.
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Nach übereinstimmenden Berichten öffentlicher Blätter ist in den Verhand¬
lungen zwischen Preußen, Namens des Zollvereins, und Frankreich, über einen
Zoll- und Handelsvertrag, ein Stillstand eingetreten. Herr de Clercq, der
französische Unterhändler, ist von Berlin nach Paris zurückgekehrt, um zu Be¬
richten und weitere Instructionen einzuholen. Von dem preußischen Ministe¬
rium der auswärtigen Angelegenheiten ist an die übrigen Zollvercinsregie-
rungen eine Mittheilung ergangen, welche den Stand der Verhandlungen dar¬
legt, Vorschläge macht und die Aeußerungen der Regierungen darüber erwar¬
tet. So viel weiß daS Publicum, mehr weiß es nicht. Die Einen hoffen,
die Anderen besorgen, daß der Vertrag nun zu Tode verhandelt sei und nicht
mehr auferstehen werde. Ohne zu wissen, um was es sich handelt, hegen
weite Kreise das Gefühl, basi Deutschland bei jedem Vertrage mit Frankreich
zu kurz kommen werde; dazu tritt für gewisse Klassen von Producenten die
nahe liegende Vorstellung, das! der Vertrag die Eingangsabgaben des Vereins¬
tarifs auf das Blut der französischen Rebe, wie auf die feinen Erzeugnisse
der französischen Industrie ermäßigen und diese angenehmen Dinge dem deut¬
schen Weltbürger leichter zugänglich machen werde. Wer weiß, ob der Ver¬
trag nicht gar noch dem deutschen Fabrikanten verbieten würde, dem Fran¬
zosen seine geschmackvollen Muster und seine beliebten Fabrikzeichen in üblicher
Weise nachzumachen! — Ans der andern Seite gibt es in Deutschland Pro¬
ducenten, welche jetzt schon nach Frankreich Absatz haben, und ihn zu verlieren
fürchten, wenn nicht ein Vertrag ihnen auf dem französischen Markte die näm¬
lichen Vortheile einräumt, die England und Belgien erzielt haben, Italien
und die Schweiz aber bald erzielen werden. Andere warten nur auf die Be¬
seitigung des Einfuhrverbots oder die Ermäßigung der vcrbotsgleichen Zoll¬
sätze, um für ihre deutschen Waaren eine neue Absatzguelle zu suchen. Gebt
doch jetzt schon deutsches Papier in Menge nach England, das die im Ver¬
trage mit Frankreich bedungene Zollermäßigung allen übrigen Ländern eben¬
falls gewährt. Die Pariser Luxus-Industrie hat ihren Absatz nach England
verdoppelt; der französische Handwerker und Arbeiter dagegen kann seinen


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[0291] Der Zoll- und Handelsvertrag zwischen dem Zollverein und Frankreich. "i'l . ' ' ^MMMNMgW MMMW -.!.-M?> Nach übereinstimmenden Berichten öffentlicher Blätter ist in den Verhand¬ lungen zwischen Preußen, Namens des Zollvereins, und Frankreich, über einen Zoll- und Handelsvertrag, ein Stillstand eingetreten. Herr de Clercq, der französische Unterhändler, ist von Berlin nach Paris zurückgekehrt, um zu Be¬ richten und weitere Instructionen einzuholen. Von dem preußischen Ministe¬ rium der auswärtigen Angelegenheiten ist an die übrigen Zollvercinsregie- rungen eine Mittheilung ergangen, welche den Stand der Verhandlungen dar¬ legt, Vorschläge macht und die Aeußerungen der Regierungen darüber erwar¬ tet. So viel weiß daS Publicum, mehr weiß es nicht. Die Einen hoffen, die Anderen besorgen, daß der Vertrag nun zu Tode verhandelt sei und nicht mehr auferstehen werde. Ohne zu wissen, um was es sich handelt, hegen weite Kreise das Gefühl, basi Deutschland bei jedem Vertrage mit Frankreich zu kurz kommen werde; dazu tritt für gewisse Klassen von Producenten die nahe liegende Vorstellung, das! der Vertrag die Eingangsabgaben des Vereins¬ tarifs auf das Blut der französischen Rebe, wie auf die feinen Erzeugnisse der französischen Industrie ermäßigen und diese angenehmen Dinge dem deut¬ schen Weltbürger leichter zugänglich machen werde. Wer weiß, ob der Ver¬ trag nicht gar noch dem deutschen Fabrikanten verbieten würde, dem Fran¬ zosen seine geschmackvollen Muster und seine beliebten Fabrikzeichen in üblicher Weise nachzumachen! — Ans der andern Seite gibt es in Deutschland Pro¬ ducenten, welche jetzt schon nach Frankreich Absatz haben, und ihn zu verlieren fürchten, wenn nicht ein Vertrag ihnen auf dem französischen Markte die näm¬ lichen Vortheile einräumt, die England und Belgien erzielt haben, Italien und die Schweiz aber bald erzielen werden. Andere warten nur auf die Be¬ seitigung des Einfuhrverbots oder die Ermäßigung der vcrbotsgleichen Zoll¬ sätze, um für ihre deutschen Waaren eine neue Absatzguelle zu suchen. Gebt doch jetzt schon deutsches Papier in Menge nach England, das die im Ver¬ trage mit Frankreich bedungene Zollermäßigung allen übrigen Ländern eben¬ falls gewährt. Die Pariser Luxus-Industrie hat ihren Absatz nach England verdoppelt; der französische Handwerker und Arbeiter dagegen kann seinen Grenzboten IV. 1861. 3S

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507/291>, abgerufen am 24.04.2024.