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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band.

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harstaaten flüchteten, wurden dort von dem ewglisctien Einfluß erreicht, und
wenn die vielen Formalitäten des englischen Criminalprocesses dem einen und dem
andern schlauen Thug eine Hinterthür offen gelassen hatten, so wurde diese
durch eine Acte des Jahres 1836 verschlossen. So ist es jetzt- schon seit
Jahren gelungen, das weite Netz, das die Thuggie wie sine grausige Spinne
über das Land und seine Bewohner gesponnen, zu zerreißen, die Gilde aus¬
einanderzusprengen, und nur sehr selten und vereinzelt kommen noch Mord¬
thaten dieser Art vor.




Berliner Briefe.
'''-''

Das zuerst in die Augen springende Ergebniß der Urwähler ist die vollstän¬
digste Niederlage der Reaction. Daß die Feudalpartei in den Städten keinen irgend
in Betracht kommenden Anhang habe, wußte man schon lange; aber auch auf
dem platten Lande ist der Einfluß des Junkerthums offenbar bei Weitem geringer,
als man bisher geglaubt hat. Trotz der verzweifelten Mittel hat selbst in den
hintcrpommer'sehen Landdistricten die Reaction nur ausnahmsweise gesiegt-. Obgleich
an manchen Stellen die Landräthe selbst den Minister des Innern unter Censur ge¬
stellt, und seine Wahlerlasse nur in einer travestirten Form bekannt gemacht ha¬
ben, obgleich Herr v. Gerlach in einer an die Wähler seines Kreises gerichteten Ka-
puzinade seine Partei als die eigentlich ministerielle dargestellt hat, so haben doch
alle diese Künste nichts verschlagen, -- die Leute wissen recht gut, daß Herr von
Roon nicht allein das Ministerium bildet, daß er vielmehr eine Zugabe von sehr
zweifelhaftem Werth ist, den man sich nur etwa um der übrigen Minister willen
gefallen lassen kann. -- Das Bündniß mit den Zunftmeistern hat der Reaction gar
nichts genützt; sie hat sich dadurch nur lächerlich gemacht. Ueberall wo in Hcmd-
wcrterversammlungen ein Anhänger Pause'S mit den bekannten Phrasen und Stich"
Wörtern der Kreuzzeitung aufzutreten versuchte, wurde er mit schallendem Gelächter
empfangen. Im nächsten Abgeordnetenhaus wird die feudale Partei es höchstens
auf etwa 30 bis 40 Stimmen bringen. Hoffentlich werden ihre Koryphäen nichts
desto" weniger während der nächsten Legislaturperiode nicht fehlen. Denn unter
allen Umständen ist es gut, daß jede im Lande wirklich vorhandene Partei durch
ihre bedeutendsten Mitglieder in der Volksvertretung zum Worte komme. Wir ha¬
ben immer bedauert, daß während der letzten Legislaturperiode Herr v. Gerlach in
der Kammer gefehlt hat. Der Kreis Schievelbein thut jetzt hoffentlich ein Einsehen


harstaaten flüchteten, wurden dort von dem ewglisctien Einfluß erreicht, und
wenn die vielen Formalitäten des englischen Criminalprocesses dem einen und dem
andern schlauen Thug eine Hinterthür offen gelassen hatten, so wurde diese
durch eine Acte des Jahres 1836 verschlossen. So ist es jetzt- schon seit
Jahren gelungen, das weite Netz, das die Thuggie wie sine grausige Spinne
über das Land und seine Bewohner gesponnen, zu zerreißen, die Gilde aus¬
einanderzusprengen, und nur sehr selten und vereinzelt kommen noch Mord¬
thaten dieser Art vor.




Berliner Briefe.
'''-''

Das zuerst in die Augen springende Ergebniß der Urwähler ist die vollstän¬
digste Niederlage der Reaction. Daß die Feudalpartei in den Städten keinen irgend
in Betracht kommenden Anhang habe, wußte man schon lange; aber auch auf
dem platten Lande ist der Einfluß des Junkerthums offenbar bei Weitem geringer,
als man bisher geglaubt hat. Trotz der verzweifelten Mittel hat selbst in den
hintcrpommer'sehen Landdistricten die Reaction nur ausnahmsweise gesiegt-. Obgleich
an manchen Stellen die Landräthe selbst den Minister des Innern unter Censur ge¬
stellt, und seine Wahlerlasse nur in einer travestirten Form bekannt gemacht ha¬
ben, obgleich Herr v. Gerlach in einer an die Wähler seines Kreises gerichteten Ka-
puzinade seine Partei als die eigentlich ministerielle dargestellt hat, so haben doch
alle diese Künste nichts verschlagen, — die Leute wissen recht gut, daß Herr von
Roon nicht allein das Ministerium bildet, daß er vielmehr eine Zugabe von sehr
zweifelhaftem Werth ist, den man sich nur etwa um der übrigen Minister willen
gefallen lassen kann. — Das Bündniß mit den Zunftmeistern hat der Reaction gar
nichts genützt; sie hat sich dadurch nur lächerlich gemacht. Ueberall wo in Hcmd-
wcrterversammlungen ein Anhänger Pause'S mit den bekannten Phrasen und Stich»
Wörtern der Kreuzzeitung aufzutreten versuchte, wurde er mit schallendem Gelächter
empfangen. Im nächsten Abgeordnetenhaus wird die feudale Partei es höchstens
auf etwa 30 bis 40 Stimmen bringen. Hoffentlich werden ihre Koryphäen nichts
desto« weniger während der nächsten Legislaturperiode nicht fehlen. Denn unter
allen Umständen ist es gut, daß jede im Lande wirklich vorhandene Partei durch
ihre bedeutendsten Mitglieder in der Volksvertretung zum Worte komme. Wir ha¬
ben immer bedauert, daß während der letzten Legislaturperiode Herr v. Gerlach in
der Kammer gefehlt hat. Der Kreis Schievelbein thut jetzt hoffentlich ein Einsehen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507/404>, abgerufen am 20.04.2024.