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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band.

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Eiserne Kriegsschiffe.
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v.
Zu keiner Zeit hat die Kunst der Erbauung von Kriegsschiffen so rasche
Wandlungen durchgemacht, als in der jetzigen. Kaum waren die alten Segel¬
schiffe durch Schraubendarnpfer verdrängt, als die Erfindung der gezogenen
Kanonen zum Bau von Panzerschiffen nöthigte, und schon seit geraumer Zeit
streitet man sich in England, ob es nicht gerathen sei, die gesammte Flotte
aus Eisen zu erbauen. Wortführer der Partei, welche diese Frage bejaht, ist
der Erbauer des Great Eastern. I. Scott Rüssel, der seine Ansicht in
der von uns bereits angezeigten Schrift "Die Flotte der Zukunft: Eisen oder
Holz?" (übersetzt von Stipperger, erschienen zu Hamburg 1S61, P. Salomon
und Comp.) vertheidigt, und den wir. da die Frage auch sür Deutschland
von hoher Bedeutung ist und dem Vernehmen nach im preußischen Marine¬
ministerium bereits erörtert wird, im Folgenden seine Hauptgrundsätze aus¬
sprechen lassen. Die zum Beweis von ihm beigebrachten Ersahrungen und
Beispiele bitten wir in dem Buch selbst nachzusehen.

Der berühmte Ingenieur beginnt den Theil seiner Betrachtung, der uns
hier vorzüglich interessirt, mit dem Satz, daß hölzerne Schiffe sich gänzlich
unfähig gezeigt haben, länger als einige Minuten der Macht der neuen Ar¬
tillerie zu widerstehen. Erfahrene Seeoffiziere gestehen zu, daß ein Gefecht
auf Pistolenschußweite zwischen zwei Linienschiffen nur eine Frage von fünf
Minuten sein könne. Es entstand daher die Frage: Warum nicht von Eisen
bauen? Die. welche dies verneinten, stützten sich auf verschiedene Borurtheile,
von denen wir aus der Widerlegung Rüssels nur die anführen, welche sich
nicht von selbst widerlegen.

Erstes Vorurtheil. Ein Schiff von dünnen Eisenplatten kann nicht so
stark sein, als em Schiff von dicken Holzplanken.

Da Eisen zehnmal schwerer als Holz und dieses Holz als das beste
Eichenholz angenommen ist, so folgt daraus, daß eine eichene Plante von
10 Zoll und eine eiserne Platte von. 1 Zoll Dicke gleichviel wiegen werden.
Nimmt man nun an, daß die Beplankung der Außenseite eines hölzernen
Schiffes 5 Zoll dick und die eiserne Außenverkleidung eines eisernen Schiffes
V" Zoll dick wäre, so haben diese beiden Verkleidungen ein gleiches Gewicht.
Es sollten daher, beim Vergleichen von eisernen Schiffen mit hölzernen, die
Zahlen V, Zoll und 5 Zoll als die Grundzahlen behalten werden.

Es gibt jedoch nicht die wirkliche Stätte des Stückes Eisen im Ver-


Eiserne Kriegsschiffe.
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v.
Zu keiner Zeit hat die Kunst der Erbauung von Kriegsschiffen so rasche
Wandlungen durchgemacht, als in der jetzigen. Kaum waren die alten Segel¬
schiffe durch Schraubendarnpfer verdrängt, als die Erfindung der gezogenen
Kanonen zum Bau von Panzerschiffen nöthigte, und schon seit geraumer Zeit
streitet man sich in England, ob es nicht gerathen sei, die gesammte Flotte
aus Eisen zu erbauen. Wortführer der Partei, welche diese Frage bejaht, ist
der Erbauer des Great Eastern. I. Scott Rüssel, der seine Ansicht in
der von uns bereits angezeigten Schrift „Die Flotte der Zukunft: Eisen oder
Holz?" (übersetzt von Stipperger, erschienen zu Hamburg 1S61, P. Salomon
und Comp.) vertheidigt, und den wir. da die Frage auch sür Deutschland
von hoher Bedeutung ist und dem Vernehmen nach im preußischen Marine¬
ministerium bereits erörtert wird, im Folgenden seine Hauptgrundsätze aus¬
sprechen lassen. Die zum Beweis von ihm beigebrachten Ersahrungen und
Beispiele bitten wir in dem Buch selbst nachzusehen.

Der berühmte Ingenieur beginnt den Theil seiner Betrachtung, der uns
hier vorzüglich interessirt, mit dem Satz, daß hölzerne Schiffe sich gänzlich
unfähig gezeigt haben, länger als einige Minuten der Macht der neuen Ar¬
tillerie zu widerstehen. Erfahrene Seeoffiziere gestehen zu, daß ein Gefecht
auf Pistolenschußweite zwischen zwei Linienschiffen nur eine Frage von fünf
Minuten sein könne. Es entstand daher die Frage: Warum nicht von Eisen
bauen? Die. welche dies verneinten, stützten sich auf verschiedene Borurtheile,
von denen wir aus der Widerlegung Rüssels nur die anführen, welche sich
nicht von selbst widerlegen.

Erstes Vorurtheil. Ein Schiff von dünnen Eisenplatten kann nicht so
stark sein, als em Schiff von dicken Holzplanken.

Da Eisen zehnmal schwerer als Holz und dieses Holz als das beste
Eichenholz angenommen ist, so folgt daraus, daß eine eichene Plante von
10 Zoll und eine eiserne Platte von. 1 Zoll Dicke gleichviel wiegen werden.
Nimmt man nun an, daß die Beplankung der Außenseite eines hölzernen
Schiffes 5 Zoll dick und die eiserne Außenverkleidung eines eisernen Schiffes
V» Zoll dick wäre, so haben diese beiden Verkleidungen ein gleiches Gewicht.
Es sollten daher, beim Vergleichen von eisernen Schiffen mit hölzernen, die
Zahlen V, Zoll und 5 Zoll als die Grundzahlen behalten werden.

Es gibt jedoch nicht die wirkliche Stätte des Stückes Eisen im Ver-


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[0438] Eiserne Kriegsschiffe. ' v. Zu keiner Zeit hat die Kunst der Erbauung von Kriegsschiffen so rasche Wandlungen durchgemacht, als in der jetzigen. Kaum waren die alten Segel¬ schiffe durch Schraubendarnpfer verdrängt, als die Erfindung der gezogenen Kanonen zum Bau von Panzerschiffen nöthigte, und schon seit geraumer Zeit streitet man sich in England, ob es nicht gerathen sei, die gesammte Flotte aus Eisen zu erbauen. Wortführer der Partei, welche diese Frage bejaht, ist der Erbauer des Great Eastern. I. Scott Rüssel, der seine Ansicht in der von uns bereits angezeigten Schrift „Die Flotte der Zukunft: Eisen oder Holz?" (übersetzt von Stipperger, erschienen zu Hamburg 1S61, P. Salomon und Comp.) vertheidigt, und den wir. da die Frage auch sür Deutschland von hoher Bedeutung ist und dem Vernehmen nach im preußischen Marine¬ ministerium bereits erörtert wird, im Folgenden seine Hauptgrundsätze aus¬ sprechen lassen. Die zum Beweis von ihm beigebrachten Ersahrungen und Beispiele bitten wir in dem Buch selbst nachzusehen. Der berühmte Ingenieur beginnt den Theil seiner Betrachtung, der uns hier vorzüglich interessirt, mit dem Satz, daß hölzerne Schiffe sich gänzlich unfähig gezeigt haben, länger als einige Minuten der Macht der neuen Ar¬ tillerie zu widerstehen. Erfahrene Seeoffiziere gestehen zu, daß ein Gefecht auf Pistolenschußweite zwischen zwei Linienschiffen nur eine Frage von fünf Minuten sein könne. Es entstand daher die Frage: Warum nicht von Eisen bauen? Die. welche dies verneinten, stützten sich auf verschiedene Borurtheile, von denen wir aus der Widerlegung Rüssels nur die anführen, welche sich nicht von selbst widerlegen. Erstes Vorurtheil. Ein Schiff von dünnen Eisenplatten kann nicht so stark sein, als em Schiff von dicken Holzplanken. Da Eisen zehnmal schwerer als Holz und dieses Holz als das beste Eichenholz angenommen ist, so folgt daraus, daß eine eichene Plante von 10 Zoll und eine eiserne Platte von. 1 Zoll Dicke gleichviel wiegen werden. Nimmt man nun an, daß die Beplankung der Außenseite eines hölzernen Schiffes 5 Zoll dick und die eiserne Außenverkleidung eines eisernen Schiffes V» Zoll dick wäre, so haben diese beiden Verkleidungen ein gleiches Gewicht. Es sollten daher, beim Vergleichen von eisernen Schiffen mit hölzernen, die Zahlen V, Zoll und 5 Zoll als die Grundzahlen behalten werden. Es gibt jedoch nicht die wirkliche Stätte des Stückes Eisen im Ver-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507/438>, abgerufen am 24.04.2024.