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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band.

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Die Pariser Kunstausstellung von 1861 und die bildende Kunst
des 19. Jahrhunderts in Frankreich.
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Die Restauration und die Anfänge der romantischen Kunst. Der
realistische Umschwung durch G6ricault. Die Erneuerung der
idealen Richtung durch Ingres.
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So oft Ingres das Gebiet der historischen Kunst betrat, wählte er sich
am liebsten solche Stoffe, die eine stylvolle Behandlung verlangten. Was
Winkelmann die erhabene Grazie nannte, "die von der Harmonie gebildet,
eine Gesellin der Götter und sich selbst genugsam ist, die dem Pöbel störrisch
und unfreundlich erscheint und sich der seligen Stimmung der göttlichen Na¬
tur nähert." das war eigentlich das Ziel, das ihm vorschwebte. Es ist be¬
greiflich, daß. um dieses zu erreichen, die Stoffe aus dem Alterthum ihm die
passendsten schienen, wie denn auch seine Phantasie am leichtesten in die alte
Welt sich einlebte. Hier sand er ein Feld, auf dem seine ideale Anschauung
alles Kleine und Niedrige an dem Objecte tilgen und er dennoch oder viel
mehr eben deshalb dieses zum vollen schönen Leben herausbilden konnte, zu
einem"Leben, das ganz das Innere in die Gestalt ergoß, in sich selber be¬
friedigt war und doch mit dem Reiz der Erscheinung den Beschauer anzog.
Und allerdings haben seine mythologischen Darstellungen bei einer auf das
Sorgfältigste vollendeten Form einen Hauch und Fluß des Lebens, wie man
ihn seit lange nicht gewohnt war. Was die geschichtlichen Stoffe betrifft, so
wählte er sich keine großen, mächtig ergreifenden Vorgänge, sondern ruhige
Situationen, in denen sich eine einfache Empfindung und Beziehung mit der
schönen Bildung der Körper und dem edlen Schwung der Form leicht ver¬
einigen ließ. Die Gemälde, "Virgil liest dem Augustus und der Octcwia die
Aeneide vor; bei der Stelle aus dem sechsten Buche über Marcellus sinkt Oc¬
tavia von Schmerz überwältigt zusammen" und "Stratonice mit dem Gemahl
und Arzte am Krankenlager des Sohnes" sind ganz in dieser ernsten durchaus
künstlerischen Weise gehalten; besonders ist das erstere durch den vielfachen
Ausdruck des Adels und der Bewegung von großer Wirkung, während das
letztere schon an der Grenze eines allzugespannten Pathos steht.

Das Hauptwerk aber in dieser Richtung ist das Plafondbild in der An¬
tikensammlung des Louvre, "die Apotheose Homers" (1829 vollendet, Wieder¬
holung im Luxemburg vom Jahr 1,842). An einer solchen monumentalen


Die Pariser Kunstausstellung von 1861 und die bildende Kunst
des 19. Jahrhunderts in Frankreich.
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Die Restauration und die Anfänge der romantischen Kunst. Der
realistische Umschwung durch G6ricault. Die Erneuerung der
idealen Richtung durch Ingres.
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So oft Ingres das Gebiet der historischen Kunst betrat, wählte er sich
am liebsten solche Stoffe, die eine stylvolle Behandlung verlangten. Was
Winkelmann die erhabene Grazie nannte, „die von der Harmonie gebildet,
eine Gesellin der Götter und sich selbst genugsam ist, die dem Pöbel störrisch
und unfreundlich erscheint und sich der seligen Stimmung der göttlichen Na¬
tur nähert." das war eigentlich das Ziel, das ihm vorschwebte. Es ist be¬
greiflich, daß. um dieses zu erreichen, die Stoffe aus dem Alterthum ihm die
passendsten schienen, wie denn auch seine Phantasie am leichtesten in die alte
Welt sich einlebte. Hier sand er ein Feld, auf dem seine ideale Anschauung
alles Kleine und Niedrige an dem Objecte tilgen und er dennoch oder viel
mehr eben deshalb dieses zum vollen schönen Leben herausbilden konnte, zu
einem"Leben, das ganz das Innere in die Gestalt ergoß, in sich selber be¬
friedigt war und doch mit dem Reiz der Erscheinung den Beschauer anzog.
Und allerdings haben seine mythologischen Darstellungen bei einer auf das
Sorgfältigste vollendeten Form einen Hauch und Fluß des Lebens, wie man
ihn seit lange nicht gewohnt war. Was die geschichtlichen Stoffe betrifft, so
wählte er sich keine großen, mächtig ergreifenden Vorgänge, sondern ruhige
Situationen, in denen sich eine einfache Empfindung und Beziehung mit der
schönen Bildung der Körper und dem edlen Schwung der Form leicht ver¬
einigen ließ. Die Gemälde, „Virgil liest dem Augustus und der Octcwia die
Aeneide vor; bei der Stelle aus dem sechsten Buche über Marcellus sinkt Oc¬
tavia von Schmerz überwältigt zusammen" und „Stratonice mit dem Gemahl
und Arzte am Krankenlager des Sohnes" sind ganz in dieser ernsten durchaus
künstlerischen Weise gehalten; besonders ist das erstere durch den vielfachen
Ausdruck des Adels und der Bewegung von großer Wirkung, während das
letztere schon an der Grenze eines allzugespannten Pathos steht.

Das Hauptwerk aber in dieser Richtung ist das Plafondbild in der An¬
tikensammlung des Louvre, „die Apotheose Homers" (1829 vollendet, Wieder¬
holung im Luxemburg vom Jahr 1,842). An einer solchen monumentalen


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[0080] Die Pariser Kunstausstellung von 1861 und die bildende Kunst des 19. Jahrhunderts in Frankreich. ' .WM-.«n,MtchesA ^? ^ 7. ^ zjch gy Se» LimtSW,,! v. O^in^' Die Restauration und die Anfänge der romantischen Kunst. Der realistische Umschwung durch G6ricault. Die Erneuerung der idealen Richtung durch Ingres. l,«,tsi6?<Z 4,111 l?(ir>^' tMuWk5?et'!llliil!ik^ ,n,jg'n »ne7-.6-i So oft Ingres das Gebiet der historischen Kunst betrat, wählte er sich am liebsten solche Stoffe, die eine stylvolle Behandlung verlangten. Was Winkelmann die erhabene Grazie nannte, „die von der Harmonie gebildet, eine Gesellin der Götter und sich selbst genugsam ist, die dem Pöbel störrisch und unfreundlich erscheint und sich der seligen Stimmung der göttlichen Na¬ tur nähert." das war eigentlich das Ziel, das ihm vorschwebte. Es ist be¬ greiflich, daß. um dieses zu erreichen, die Stoffe aus dem Alterthum ihm die passendsten schienen, wie denn auch seine Phantasie am leichtesten in die alte Welt sich einlebte. Hier sand er ein Feld, auf dem seine ideale Anschauung alles Kleine und Niedrige an dem Objecte tilgen und er dennoch oder viel mehr eben deshalb dieses zum vollen schönen Leben herausbilden konnte, zu einem"Leben, das ganz das Innere in die Gestalt ergoß, in sich selber be¬ friedigt war und doch mit dem Reiz der Erscheinung den Beschauer anzog. Und allerdings haben seine mythologischen Darstellungen bei einer auf das Sorgfältigste vollendeten Form einen Hauch und Fluß des Lebens, wie man ihn seit lange nicht gewohnt war. Was die geschichtlichen Stoffe betrifft, so wählte er sich keine großen, mächtig ergreifenden Vorgänge, sondern ruhige Situationen, in denen sich eine einfache Empfindung und Beziehung mit der schönen Bildung der Körper und dem edlen Schwung der Form leicht ver¬ einigen ließ. Die Gemälde, „Virgil liest dem Augustus und der Octcwia die Aeneide vor; bei der Stelle aus dem sechsten Buche über Marcellus sinkt Oc¬ tavia von Schmerz überwältigt zusammen" und „Stratonice mit dem Gemahl und Arzte am Krankenlager des Sohnes" sind ganz in dieser ernsten durchaus künstlerischen Weise gehalten; besonders ist das erstere durch den vielfachen Ausdruck des Adels und der Bewegung von großer Wirkung, während das letztere schon an der Grenze eines allzugespannten Pathos steht. Das Hauptwerk aber in dieser Richtung ist das Plafondbild in der An¬ tikensammlung des Louvre, „die Apotheose Homers" (1829 vollendet, Wieder¬ holung im Luxemburg vom Jahr 1,842). An einer solchen monumentalen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507/80>, abgerufen am 19.04.2024.