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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band.

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Die Aussichten der nordmneriknnischen Union.

Wenn man den bisherigen Gang des amerikanischen Bürgerkriegs ober¬
flächlich ins Auge fühl, sollte man meinen, daß der Friede nicht fern sein
könne, und in der That sind schon wiederholt Gerüchte aufgetaucht, nach de¬
nen sich die Führer des Nordens von der Hoffnungslosigkeit ihrer Sache über-
zeugt haben sollten, während andere, etwas weniger zuversichtliche, wissen woll¬
ten, der Süden beginne Angesichts der Noth, welche die Blockade hervorge¬
rufen, und der gewaltigen Anstalten, welche die Centralregieruug am Missis¬
sippi wie am Potomac zum Einbruch in sein Gebiet trifft, einzusehen, daß
von Widerstand auf die Dauer nicht die Rede sein könne.

Keines von diesen beiden Gerüchten hat irgendwelche Begründung in den
Thatsachen. Weder der Norden noch der Süden denkt in diesem Augenblick
daran, nachzugeben. Der Norden hofft durch einen großen Sieg am Poto¬
mac. durch Einrücken in Tennessee, durch eine gepanzerte Flotte von Mississippi-
Dampfern, durch ein halb Dutzend Landungen in Südcarolina, Georgia und
Florida und vor Allem durch die Blockade aller südlichen Häfen mit ihrem
Gefolge von Theenoth, Kaffeenoth und Noth an allen Luxusgegenständen über¬
haupt den Willen des Südens zu brechen und ihm die Union von Neuem
aufzunöthigen. Wir behaupten, nach der Gestalt, welche die Dinge ^jetzt an¬
genommen haben, daß er sich in dieser Erwartung täuscht, daß es, wenn
überhaupt, sicher erst nach mehr als einem für ihn durchaus glücklichen Feld¬
zug gelingen wird, die Revolution niederzuwerfen, und daß es bei dem
tiefen Haß, den sie erzeugt, und der Ausdehnung des Landes, das sie ergriffen
hat, niemals gelingen wird, sie niederzuhalten.

Wir bitten, uns nicht mißzuverstehen. Wir rechtfertigen die Art, auf
welche die Secession bewirkt wurde, so wenig wie früher. So wenig wie
früher mißbilligen wir. daß Präsident Lincoln die Herausforderung der In¬
surgenten annahm und seine Autorität zu wahren suchte. Und so stark wie
früher verdammen und verabscheuen wir das schmachvolle Institut der Skla¬
verei, auf welche die südliche Conföderation basirt ist. Wohl aber haben wir
aus der Entwickelung, welche die Dinge genommen haben, und aus den De-


Grenjbotm I.-1862. 16
Die Aussichten der nordmneriknnischen Union.

Wenn man den bisherigen Gang des amerikanischen Bürgerkriegs ober¬
flächlich ins Auge fühl, sollte man meinen, daß der Friede nicht fern sein
könne, und in der That sind schon wiederholt Gerüchte aufgetaucht, nach de¬
nen sich die Führer des Nordens von der Hoffnungslosigkeit ihrer Sache über-
zeugt haben sollten, während andere, etwas weniger zuversichtliche, wissen woll¬
ten, der Süden beginne Angesichts der Noth, welche die Blockade hervorge¬
rufen, und der gewaltigen Anstalten, welche die Centralregieruug am Missis¬
sippi wie am Potomac zum Einbruch in sein Gebiet trifft, einzusehen, daß
von Widerstand auf die Dauer nicht die Rede sein könne.

Keines von diesen beiden Gerüchten hat irgendwelche Begründung in den
Thatsachen. Weder der Norden noch der Süden denkt in diesem Augenblick
daran, nachzugeben. Der Norden hofft durch einen großen Sieg am Poto¬
mac. durch Einrücken in Tennessee, durch eine gepanzerte Flotte von Mississippi-
Dampfern, durch ein halb Dutzend Landungen in Südcarolina, Georgia und
Florida und vor Allem durch die Blockade aller südlichen Häfen mit ihrem
Gefolge von Theenoth, Kaffeenoth und Noth an allen Luxusgegenständen über¬
haupt den Willen des Südens zu brechen und ihm die Union von Neuem
aufzunöthigen. Wir behaupten, nach der Gestalt, welche die Dinge ^jetzt an¬
genommen haben, daß er sich in dieser Erwartung täuscht, daß es, wenn
überhaupt, sicher erst nach mehr als einem für ihn durchaus glücklichen Feld¬
zug gelingen wird, die Revolution niederzuwerfen, und daß es bei dem
tiefen Haß, den sie erzeugt, und der Ausdehnung des Landes, das sie ergriffen
hat, niemals gelingen wird, sie niederzuhalten.

Wir bitten, uns nicht mißzuverstehen. Wir rechtfertigen die Art, auf
welche die Secession bewirkt wurde, so wenig wie früher. So wenig wie
früher mißbilligen wir. daß Präsident Lincoln die Herausforderung der In¬
surgenten annahm und seine Autorität zu wahren suchte. Und so stark wie
früher verdammen und verabscheuen wir das schmachvolle Institut der Skla¬
verei, auf welche die südliche Conföderation basirt ist. Wohl aber haben wir
aus der Entwickelung, welche die Dinge genommen haben, und aus den De-


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[0129] Die Aussichten der nordmneriknnischen Union. Wenn man den bisherigen Gang des amerikanischen Bürgerkriegs ober¬ flächlich ins Auge fühl, sollte man meinen, daß der Friede nicht fern sein könne, und in der That sind schon wiederholt Gerüchte aufgetaucht, nach de¬ nen sich die Führer des Nordens von der Hoffnungslosigkeit ihrer Sache über- zeugt haben sollten, während andere, etwas weniger zuversichtliche, wissen woll¬ ten, der Süden beginne Angesichts der Noth, welche die Blockade hervorge¬ rufen, und der gewaltigen Anstalten, welche die Centralregieruug am Missis¬ sippi wie am Potomac zum Einbruch in sein Gebiet trifft, einzusehen, daß von Widerstand auf die Dauer nicht die Rede sein könne. Keines von diesen beiden Gerüchten hat irgendwelche Begründung in den Thatsachen. Weder der Norden noch der Süden denkt in diesem Augenblick daran, nachzugeben. Der Norden hofft durch einen großen Sieg am Poto¬ mac. durch Einrücken in Tennessee, durch eine gepanzerte Flotte von Mississippi- Dampfern, durch ein halb Dutzend Landungen in Südcarolina, Georgia und Florida und vor Allem durch die Blockade aller südlichen Häfen mit ihrem Gefolge von Theenoth, Kaffeenoth und Noth an allen Luxusgegenständen über¬ haupt den Willen des Südens zu brechen und ihm die Union von Neuem aufzunöthigen. Wir behaupten, nach der Gestalt, welche die Dinge ^jetzt an¬ genommen haben, daß er sich in dieser Erwartung täuscht, daß es, wenn überhaupt, sicher erst nach mehr als einem für ihn durchaus glücklichen Feld¬ zug gelingen wird, die Revolution niederzuwerfen, und daß es bei dem tiefen Haß, den sie erzeugt, und der Ausdehnung des Landes, das sie ergriffen hat, niemals gelingen wird, sie niederzuhalten. Wir bitten, uns nicht mißzuverstehen. Wir rechtfertigen die Art, auf welche die Secession bewirkt wurde, so wenig wie früher. So wenig wie früher mißbilligen wir. daß Präsident Lincoln die Herausforderung der In¬ surgenten annahm und seine Autorität zu wahren suchte. Und so stark wie früher verdammen und verabscheuen wir das schmachvolle Institut der Skla¬ verei, auf welche die südliche Conföderation basirt ist. Wohl aber haben wir aus der Entwickelung, welche die Dinge genommen haben, und aus den De- Grenjbotm I.-1862. 16

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241/129>, abgerufen am 27.04.2024.