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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band.

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Nachschrift der Redaction. Seitdem hat sich herausgestellt, daß die Noth
bereits größer und die Krisis weit näher ist, als hier angegeben wird. Die obige
Berechnung der Ausfuhr roher Baumwolle von England nach andern Ländern war
bis gegen das Ende des verflvssnen Jahres richtig. Aber in den letzten Wochen
hat die Verschiffung dieses Artikels nach dem Norden von Amerika außerordentlich
zugenommen Bostoner und neuuorker Häuser haben gewaltige Einkäufe in Liver¬
pool gemacht und einerseits die Preise zu einer für viele englische Spinner uner¬
schwinglichen Hohe hinaufgetrieben, andererseits den Vorrath beträchtlich geschmälert.
Man zahlt in Liverpool bereits 12 Pence für das Pfund roher Baumwolle, in den
ersten neun Tagen des neuen Jahres sind gegen 15.000 Ballen nach Neuyork und
gegen 5000 nach Boston abgegangen und der Druck auf die Fabriken ist bereits
so groß geworden, daß von den 46,700 Arbeitern Manchesters zu Anfang des Ja¬
nuar 12.500 nur einige Tage der Woche, 6.500 aber gar nicht mehr beschäftigt
waren.

Jedenfalls wird sich die amerikanische Nachfrage, seit der Streit zwischen Eng¬
land und der Union beigelegt ist. noch steigern. Der Schutzzvlltarif Amerikas giebt
dessen Fabrikanten die Herrschaft über dessen Märkte. Die großen Bestellungen der
Regierung gleichen den Verlust der südlichen Kunden für die nächste Zeit aus. Die
Fabriken von Massachusetts und Neuyork arbeiten die volle Woche und unter so ein¬
träglichen Bedingungen, daß sie 18 Pence für das Pfund Baumwolle zahlen können,
das in Liverpool nur 12 kostet. Sie brauchen wöchentlich 12,000 Ballen und
zwar meist amerikanische Baumwolle, von der in England nur noch 250,000 Ballen
übrig sind, und die sie nur von England beziehen können. Wenn daher in obigem
Artikel angenommen worden ist, daß der in den englischen Magazinen aufgestapelte
Vorrath bei einer wöchentlichen Ausfuhr von 8000 Ballen bis in den Juli reichend
werde, so ist davon mindestens eine gleiche Ausfuhr nach Amerika abzurechnen, und
wir haben dann zu befürchten, daß der Vorrath nicht erst in der Mitte des Jahres,
sondern bereits im Mai erschöpft sein wird. Viele Fabriken aber werden durch die
täglich steigenden Preise, welche die rohe Baumwolle so theuer machen wie die ver.
arbeitete, schon vor dieser Zeit zum Stillstand gebracht sein.




Literatur.
Das Staatsarchiv. Sammlung der officiellen Actenstücke zur Geschichte
der Gegenwart. In fortlaufenden monatlichen Heften. Herausgegeben vou L. K,
Aegidi und A. Klanhvid. H^se 1 -- 5. Hamburg, O. Meißner. 1861.

Ein sehr verdienstliches und dankenswerthes Unternehmen, das mit der Zeit


Nachschrift der Redaction. Seitdem hat sich herausgestellt, daß die Noth
bereits größer und die Krisis weit näher ist, als hier angegeben wird. Die obige
Berechnung der Ausfuhr roher Baumwolle von England nach andern Ländern war
bis gegen das Ende des verflvssnen Jahres richtig. Aber in den letzten Wochen
hat die Verschiffung dieses Artikels nach dem Norden von Amerika außerordentlich
zugenommen Bostoner und neuuorker Häuser haben gewaltige Einkäufe in Liver¬
pool gemacht und einerseits die Preise zu einer für viele englische Spinner uner¬
schwinglichen Hohe hinaufgetrieben, andererseits den Vorrath beträchtlich geschmälert.
Man zahlt in Liverpool bereits 12 Pence für das Pfund roher Baumwolle, in den
ersten neun Tagen des neuen Jahres sind gegen 15.000 Ballen nach Neuyork und
gegen 5000 nach Boston abgegangen und der Druck auf die Fabriken ist bereits
so groß geworden, daß von den 46,700 Arbeitern Manchesters zu Anfang des Ja¬
nuar 12.500 nur einige Tage der Woche, 6.500 aber gar nicht mehr beschäftigt
waren.

Jedenfalls wird sich die amerikanische Nachfrage, seit der Streit zwischen Eng¬
land und der Union beigelegt ist. noch steigern. Der Schutzzvlltarif Amerikas giebt
dessen Fabrikanten die Herrschaft über dessen Märkte. Die großen Bestellungen der
Regierung gleichen den Verlust der südlichen Kunden für die nächste Zeit aus. Die
Fabriken von Massachusetts und Neuyork arbeiten die volle Woche und unter so ein¬
träglichen Bedingungen, daß sie 18 Pence für das Pfund Baumwolle zahlen können,
das in Liverpool nur 12 kostet. Sie brauchen wöchentlich 12,000 Ballen und
zwar meist amerikanische Baumwolle, von der in England nur noch 250,000 Ballen
übrig sind, und die sie nur von England beziehen können. Wenn daher in obigem
Artikel angenommen worden ist, daß der in den englischen Magazinen aufgestapelte
Vorrath bei einer wöchentlichen Ausfuhr von 8000 Ballen bis in den Juli reichend
werde, so ist davon mindestens eine gleiche Ausfuhr nach Amerika abzurechnen, und
wir haben dann zu befürchten, daß der Vorrath nicht erst in der Mitte des Jahres,
sondern bereits im Mai erschöpft sein wird. Viele Fabriken aber werden durch die
täglich steigenden Preise, welche die rohe Baumwolle so theuer machen wie die ver.
arbeitete, schon vor dieser Zeit zum Stillstand gebracht sein.




Literatur.
Das Staatsarchiv. Sammlung der officiellen Actenstücke zur Geschichte
der Gegenwart. In fortlaufenden monatlichen Heften. Herausgegeben vou L. K,
Aegidi und A. Klanhvid. H^se 1 — 5. Hamburg, O. Meißner. 1861.

Ein sehr verdienstliches und dankenswerthes Unternehmen, das mit der Zeit


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[0165] Nachschrift der Redaction. Seitdem hat sich herausgestellt, daß die Noth bereits größer und die Krisis weit näher ist, als hier angegeben wird. Die obige Berechnung der Ausfuhr roher Baumwolle von England nach andern Ländern war bis gegen das Ende des verflvssnen Jahres richtig. Aber in den letzten Wochen hat die Verschiffung dieses Artikels nach dem Norden von Amerika außerordentlich zugenommen Bostoner und neuuorker Häuser haben gewaltige Einkäufe in Liver¬ pool gemacht und einerseits die Preise zu einer für viele englische Spinner uner¬ schwinglichen Hohe hinaufgetrieben, andererseits den Vorrath beträchtlich geschmälert. Man zahlt in Liverpool bereits 12 Pence für das Pfund roher Baumwolle, in den ersten neun Tagen des neuen Jahres sind gegen 15.000 Ballen nach Neuyork und gegen 5000 nach Boston abgegangen und der Druck auf die Fabriken ist bereits so groß geworden, daß von den 46,700 Arbeitern Manchesters zu Anfang des Ja¬ nuar 12.500 nur einige Tage der Woche, 6.500 aber gar nicht mehr beschäftigt waren. Jedenfalls wird sich die amerikanische Nachfrage, seit der Streit zwischen Eng¬ land und der Union beigelegt ist. noch steigern. Der Schutzzvlltarif Amerikas giebt dessen Fabrikanten die Herrschaft über dessen Märkte. Die großen Bestellungen der Regierung gleichen den Verlust der südlichen Kunden für die nächste Zeit aus. Die Fabriken von Massachusetts und Neuyork arbeiten die volle Woche und unter so ein¬ träglichen Bedingungen, daß sie 18 Pence für das Pfund Baumwolle zahlen können, das in Liverpool nur 12 kostet. Sie brauchen wöchentlich 12,000 Ballen und zwar meist amerikanische Baumwolle, von der in England nur noch 250,000 Ballen übrig sind, und die sie nur von England beziehen können. Wenn daher in obigem Artikel angenommen worden ist, daß der in den englischen Magazinen aufgestapelte Vorrath bei einer wöchentlichen Ausfuhr von 8000 Ballen bis in den Juli reichend werde, so ist davon mindestens eine gleiche Ausfuhr nach Amerika abzurechnen, und wir haben dann zu befürchten, daß der Vorrath nicht erst in der Mitte des Jahres, sondern bereits im Mai erschöpft sein wird. Viele Fabriken aber werden durch die täglich steigenden Preise, welche die rohe Baumwolle so theuer machen wie die ver. arbeitete, schon vor dieser Zeit zum Stillstand gebracht sein. Literatur. Das Staatsarchiv. Sammlung der officiellen Actenstücke zur Geschichte der Gegenwart. In fortlaufenden monatlichen Heften. Herausgegeben vou L. K, Aegidi und A. Klanhvid. H^se 1 — 5. Hamburg, O. Meißner. 1861. Ein sehr verdienstliches und dankenswerthes Unternehmen, das mit der Zeit

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241/165>, abgerufen am 28.04.2024.