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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band.

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gewaltigen Schaden verursachen, als Manche prophezeien, aber die Aussichten
sind für die Amerikaner allerdings düster genug. Die einzige Hoffnung liegt
in einer baldigen Beendigung des Bürgerkriegs. Ob diese zu erwarten ist,
läßt sich nicht sagen, aber mau sollte meinen, daß alle Denkenden unter der
handeltreibenden Bevölkerung des Nordens sie im Stillen wünschen müßte".
Die Hauptstärke des Nordens schien in seinem Geld zu liegen. Geld war
das Element, mit welchem die Nordstaaten die südlichen so sehr überwogen,
daß ein ins Detail eingehender Vergleich unnütz, ja lächerlich erschien. Jetzt
ist dieses Geld ausgegeben oder doch in bedenklichem Grad vermindert, der
Süden aber noch immer unbczwungen. Ein Jahr noch von dieser Lage, und
der "allmächtige Dollar" wird auch in dieser Angelegenheit seine Allmacht
kund geben.




Literatur.
Das Leben und die Lehre des Mohammad. Nach bisher größtentheils
unbenützten Quellen bearbeitet von A. Sprenger. Erster Band. Berlin, Nico-
laische Verlagsbuchhandlung. 1861.

Der Verfasser hat durch Reisen im Orient und langjährige Wirksamkeit an
höhern mohammedanischen Lehranstalten ein besonderes Recht auf Beachtung erwor¬
ben, und er urtheilt über religiöse Dinge von einem Standpunkt aus. der dem
d. Bl. verwandt ist. Auch die Methode, der er folgt, die nämlich, ohne Haß und
Liebe für bestimmte Persönlichkeiten lediglich dem Wahren der Sache nachzu-
trachten, scheint uns für den Geschichtsforscher die richtige. Mohammed ist ihm
weder ein Werkzeug des Teufels uoch ein Heros im Sinne Carlyles, der .Is¬
lam weniger aus dem Willen seines Stifters als aus den Conjuncturen und Be¬
dürfnissen der Zeit seiner Entstehung hervorgegangen. Mit Sorgfalt spürt er
in den Legenden und Mythen, welche das Bild des Propheten in der arabischen
Tradition umgeben, dem eigentlichen und echten Charakter desselben nach. Die Bio¬
graphie Mohammeds hat schon frühzeitig einen dogmatischen Charakter angenommen.
Die Schriftsteller des Abendlands haben sich meist begnügt, diese dogmatische Biographie
in nüchterner Auffassung, aber ohne weitere Forschungen wiederzugeben. Sprenger da¬
gegen nimmt sich die Forschungsmethode der Geologen zum Muster. Er durchbricht jene
dogmatische Kruste und verfolgt das Traditionswcscn der Moslim bis in die Periode zu¬
rück, wo, wenn die Erzähler von der Wahrheit abweichen, jeder seine eigne Legende erzählt.
So gelingt es ihm, wie der Richter aus den Aussagen selbst unlauterer Zeugen den
Thatbestand ermittelt, durch Vergleichung verschiedener Traditionen von ein und dem¬
selben Ereigniß bis zu einem gewissen Grade befriedigende Resultate zu gewinnen. And¬
rerseits aber bietet sein Verfahren den Vortheil, daß die Entwickelung der Mythen
dabei bis in die Ciuzelnheiten verfolgt wird, wobei sich nicht unwichtige Ergebnisse


gewaltigen Schaden verursachen, als Manche prophezeien, aber die Aussichten
sind für die Amerikaner allerdings düster genug. Die einzige Hoffnung liegt
in einer baldigen Beendigung des Bürgerkriegs. Ob diese zu erwarten ist,
läßt sich nicht sagen, aber mau sollte meinen, daß alle Denkenden unter der
handeltreibenden Bevölkerung des Nordens sie im Stillen wünschen müßte».
Die Hauptstärke des Nordens schien in seinem Geld zu liegen. Geld war
das Element, mit welchem die Nordstaaten die südlichen so sehr überwogen,
daß ein ins Detail eingehender Vergleich unnütz, ja lächerlich erschien. Jetzt
ist dieses Geld ausgegeben oder doch in bedenklichem Grad vermindert, der
Süden aber noch immer unbczwungen. Ein Jahr noch von dieser Lage, und
der „allmächtige Dollar" wird auch in dieser Angelegenheit seine Allmacht
kund geben.




Literatur.
Das Leben und die Lehre des Mohammad. Nach bisher größtentheils
unbenützten Quellen bearbeitet von A. Sprenger. Erster Band. Berlin, Nico-
laische Verlagsbuchhandlung. 1861.

Der Verfasser hat durch Reisen im Orient und langjährige Wirksamkeit an
höhern mohammedanischen Lehranstalten ein besonderes Recht auf Beachtung erwor¬
ben, und er urtheilt über religiöse Dinge von einem Standpunkt aus. der dem
d. Bl. verwandt ist. Auch die Methode, der er folgt, die nämlich, ohne Haß und
Liebe für bestimmte Persönlichkeiten lediglich dem Wahren der Sache nachzu-
trachten, scheint uns für den Geschichtsforscher die richtige. Mohammed ist ihm
weder ein Werkzeug des Teufels uoch ein Heros im Sinne Carlyles, der .Is¬
lam weniger aus dem Willen seines Stifters als aus den Conjuncturen und Be¬
dürfnissen der Zeit seiner Entstehung hervorgegangen. Mit Sorgfalt spürt er
in den Legenden und Mythen, welche das Bild des Propheten in der arabischen
Tradition umgeben, dem eigentlichen und echten Charakter desselben nach. Die Bio¬
graphie Mohammeds hat schon frühzeitig einen dogmatischen Charakter angenommen.
Die Schriftsteller des Abendlands haben sich meist begnügt, diese dogmatische Biographie
in nüchterner Auffassung, aber ohne weitere Forschungen wiederzugeben. Sprenger da¬
gegen nimmt sich die Forschungsmethode der Geologen zum Muster. Er durchbricht jene
dogmatische Kruste und verfolgt das Traditionswcscn der Moslim bis in die Periode zu¬
rück, wo, wenn die Erzähler von der Wahrheit abweichen, jeder seine eigne Legende erzählt.
So gelingt es ihm, wie der Richter aus den Aussagen selbst unlauterer Zeugen den
Thatbestand ermittelt, durch Vergleichung verschiedener Traditionen von ein und dem¬
selben Ereigniß bis zu einem gewissen Grade befriedigende Resultate zu gewinnen. And¬
rerseits aber bietet sein Verfahren den Vortheil, daß die Entwickelung der Mythen
dabei bis in die Ciuzelnheiten verfolgt wird, wobei sich nicht unwichtige Ergebnisse


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241/205>, abgerufen am 27.04.2024.