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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band.

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Schmerzen bereitet, sie haben, so hoffen wir. dadurch gesühnt, was ihr Geschlecht
in den letzten Decennien vorher versäumt und gefehlt hatte. Das Jahr war
bitter, aber sein Fieber brachte ihnen selbst und ihrem Volke die Rettung.




Berliner Brief.

Da über die deutsche Frage im preußischen Abgeordnetenhaus bereits be¬
richtet worden, soll hier noch das Wenige, was aus dem Kammerleben der
letzten Woche zu erwähnen ist, kurz erwähnt werden.

Die Plenarsitzungen sind auch in der verflossenen Woche noch nicht von
großer Bedeutung gewesen. Doch sind die Commissionen nunmehr in ihren
Arbeiten so weit vorgerückt, daß beide Häuser demnächst an die concreten le-
gislativen Aufgaben werden gehen können.

Das Abgeordnetenhaus hat während der letzten acht Tage zwei Sitzungen
gehabt, am Dienstag und am-Sonnabend. In der ersteren^, welche sich nur
mit Petitiousberichten beschäftigte, kam nichts von allgemeinerer Bedeutung
vor. In der Sonnabendsitzung wurde über einen Antrag aus Aufhebung der
gesetzlichen Zinsbeschränkungen verhandelt. Durch diesen Antrag wird nur
ein Gesetzentwurf wieder aufgenommen, welchen die Regierung schon vor
zwei Jahren beim Landtag eingebracht h"t. Die Wuchergesetze beruhen auf
demselben Irrthum, wie der Schutzzoll, der Zunftzwang und ähnliche Ver¬
anstaltungen, welche das materielle Wohl des Volkes dadurch zu fördern
meinen, daß sie den freien Verkehr unter Bevormundung stellen und ihm Licht
und Lust abschneiden. Aber sie bewirken nur das Gegentheil von dem, was
sie bezwecken, weil sie. wie jeder Eingriff der Gesetzgebung in die natür¬
lichen Gesetze des Verkehrs, das Capital in falsche, künstliche Kanäle leiten-.
Die principielle Seite der Frage ward am Sonnabend von den Abgeordneten
Michaelis. Fauchcr und Schulze-Delitzsch gut vertreten. Die Specialde-
batte wird erst, in dieser Woche stattfinden. Ueber das weitere Schicksal die¬
ses Antrages besteht kein Zweifel. Das Abgeordnetenhaus wird ihn mit


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Schmerzen bereitet, sie haben, so hoffen wir. dadurch gesühnt, was ihr Geschlecht
in den letzten Decennien vorher versäumt und gefehlt hatte. Das Jahr war
bitter, aber sein Fieber brachte ihnen selbst und ihrem Volke die Rettung.




Berliner Brief.

Da über die deutsche Frage im preußischen Abgeordnetenhaus bereits be¬
richtet worden, soll hier noch das Wenige, was aus dem Kammerleben der
letzten Woche zu erwähnen ist, kurz erwähnt werden.

Die Plenarsitzungen sind auch in der verflossenen Woche noch nicht von
großer Bedeutung gewesen. Doch sind die Commissionen nunmehr in ihren
Arbeiten so weit vorgerückt, daß beide Häuser demnächst an die concreten le-
gislativen Aufgaben werden gehen können.

Das Abgeordnetenhaus hat während der letzten acht Tage zwei Sitzungen
gehabt, am Dienstag und am-Sonnabend. In der ersteren^, welche sich nur
mit Petitiousberichten beschäftigte, kam nichts von allgemeinerer Bedeutung
vor. In der Sonnabendsitzung wurde über einen Antrag aus Aufhebung der
gesetzlichen Zinsbeschränkungen verhandelt. Durch diesen Antrag wird nur
ein Gesetzentwurf wieder aufgenommen, welchen die Regierung schon vor
zwei Jahren beim Landtag eingebracht h«t. Die Wuchergesetze beruhen auf
demselben Irrthum, wie der Schutzzoll, der Zunftzwang und ähnliche Ver¬
anstaltungen, welche das materielle Wohl des Volkes dadurch zu fördern
meinen, daß sie den freien Verkehr unter Bevormundung stellen und ihm Licht
und Lust abschneiden. Aber sie bewirken nur das Gegentheil von dem, was
sie bezwecken, weil sie. wie jeder Eingriff der Gesetzgebung in die natür¬
lichen Gesetze des Verkehrs, das Capital in falsche, künstliche Kanäle leiten-.
Die principielle Seite der Frage ward am Sonnabend von den Abgeordneten
Michaelis. Fauchcr und Schulze-Delitzsch gut vertreten. Die Specialde-
batte wird erst, in dieser Woche stattfinden. Ueber das weitere Schicksal die¬
ses Antrages besteht kein Zweifel. Das Abgeordnetenhaus wird ihn mit


Grenzboten I. 1L62. 55
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[0441] Schmerzen bereitet, sie haben, so hoffen wir. dadurch gesühnt, was ihr Geschlecht in den letzten Decennien vorher versäumt und gefehlt hatte. Das Jahr war bitter, aber sein Fieber brachte ihnen selbst und ihrem Volke die Rettung. Berliner Brief. Da über die deutsche Frage im preußischen Abgeordnetenhaus bereits be¬ richtet worden, soll hier noch das Wenige, was aus dem Kammerleben der letzten Woche zu erwähnen ist, kurz erwähnt werden. Die Plenarsitzungen sind auch in der verflossenen Woche noch nicht von großer Bedeutung gewesen. Doch sind die Commissionen nunmehr in ihren Arbeiten so weit vorgerückt, daß beide Häuser demnächst an die concreten le- gislativen Aufgaben werden gehen können. Das Abgeordnetenhaus hat während der letzten acht Tage zwei Sitzungen gehabt, am Dienstag und am-Sonnabend. In der ersteren^, welche sich nur mit Petitiousberichten beschäftigte, kam nichts von allgemeinerer Bedeutung vor. In der Sonnabendsitzung wurde über einen Antrag aus Aufhebung der gesetzlichen Zinsbeschränkungen verhandelt. Durch diesen Antrag wird nur ein Gesetzentwurf wieder aufgenommen, welchen die Regierung schon vor zwei Jahren beim Landtag eingebracht h«t. Die Wuchergesetze beruhen auf demselben Irrthum, wie der Schutzzoll, der Zunftzwang und ähnliche Ver¬ anstaltungen, welche das materielle Wohl des Volkes dadurch zu fördern meinen, daß sie den freien Verkehr unter Bevormundung stellen und ihm Licht und Lust abschneiden. Aber sie bewirken nur das Gegentheil von dem, was sie bezwecken, weil sie. wie jeder Eingriff der Gesetzgebung in die natür¬ lichen Gesetze des Verkehrs, das Capital in falsche, künstliche Kanäle leiten-. Die principielle Seite der Frage ward am Sonnabend von den Abgeordneten Michaelis. Fauchcr und Schulze-Delitzsch gut vertreten. Die Specialde- batte wird erst, in dieser Woche stattfinden. Ueber das weitere Schicksal die¬ ses Antrages besteht kein Zweifel. Das Abgeordnetenhaus wird ihn mit Grenzboten I. 1L62. 55

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241/441>, abgerufen am 28.04.2024.