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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band.

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wand auf 160 bis 170 Millionen Gulden, darunter für Heer und Schuld zu¬
sammen ungefähr 95 Millionen. Im Jahre 1860 kosteten Heer und Schuld
zusammen 260 Millionen; der Voranschlag für 1862 beträgt gegen 230 Mil¬
lionen, ungerechnet 11V- Millionen Agioverlust für Silberzahlungen. Die or¬
dentlichen Einnahmen betragen nicht viel über 240 Millionen. Die Ausgaben
für Verzinsung und Tilgung der Staatsschuld lassen sich nicht wesentlich ver¬
mindern, wenn der Staat seine Verbindlichkeiten gegen die Gläubiger er¬
füllen will.

Es bleibt daher nur die Wahl: entweder den Aufwand für das Heer zu
vermindern, oder die Zinsen der Staatsschuld etwa auf die Hülste herabzu¬
setzen, d. h. den Bankerott zu erklären. Die Regierung hielt es nicht für-
ihre Aufgabe, diese Alternative öffentlich hinzustellen. Ob es der Reichsrath
thun und demgemäß seine Anträge stellen wird -- das wird sich zeigen.


K. M.


Erinnerungen eines Veteranen aus den Feldzügen von 180K
und 1807.
2. Erlebnisse während der Belagerung von Danzig bis zum Frieden.

Die Tage der Ruhe in Danzig waren uns .körperlich nicht nur höchst
nöthig, sondern auch zur Instandsetzung unserer sehr defect gewordenen Klei¬
dung und Bewaffnung unentbehrlich. Mit meiner Montur sah es äußerst
trübselig aus, das einzige Paar sehr grober weißer Tuchbeinkleider hielt kaum
noch so weit zusammen, daß es die Blöße bedeckte, meine übrige, vollkommen
ausreichende eigne Equipnung war mit unsrer Bagage verloren gegangen;
und aus eigner Tasche mich neu zu versehen, fehlte es an Mitteln. Ich hatte
zwar 3 Thlr. monatliche Zulage, für die damalige Zeit eine mit dem Gehalt
von 3 Thlr. 15 Sgr. hinreichende Einnahme; daß sich aber davon Montirungs"
stücke nicht anschaffen ließen, ist wohl ohne besondere Versicherung zu glauben.
Mein Quartier war bei einem Gärtner, welcher, im Dienste eines wohlhaben,
den Kaufmanns stehend, ein sehr nettes Gartenhaus bewohnte, in welchem
mir ein Zimmer angewiesen wurde. Ich aß mit meinen Wirthsleuten ihre
bescheidene Kost, die mir darum besonders mundete, weil es häufig Fische


wand auf 160 bis 170 Millionen Gulden, darunter für Heer und Schuld zu¬
sammen ungefähr 95 Millionen. Im Jahre 1860 kosteten Heer und Schuld
zusammen 260 Millionen; der Voranschlag für 1862 beträgt gegen 230 Mil¬
lionen, ungerechnet 11V- Millionen Agioverlust für Silberzahlungen. Die or¬
dentlichen Einnahmen betragen nicht viel über 240 Millionen. Die Ausgaben
für Verzinsung und Tilgung der Staatsschuld lassen sich nicht wesentlich ver¬
mindern, wenn der Staat seine Verbindlichkeiten gegen die Gläubiger er¬
füllen will.

Es bleibt daher nur die Wahl: entweder den Aufwand für das Heer zu
vermindern, oder die Zinsen der Staatsschuld etwa auf die Hülste herabzu¬
setzen, d. h. den Bankerott zu erklären. Die Regierung hielt es nicht für-
ihre Aufgabe, diese Alternative öffentlich hinzustellen. Ob es der Reichsrath
thun und demgemäß seine Anträge stellen wird — das wird sich zeigen.


K. M.


Erinnerungen eines Veteranen aus den Feldzügen von 180K
und 1807.
2. Erlebnisse während der Belagerung von Danzig bis zum Frieden.

Die Tage der Ruhe in Danzig waren uns .körperlich nicht nur höchst
nöthig, sondern auch zur Instandsetzung unserer sehr defect gewordenen Klei¬
dung und Bewaffnung unentbehrlich. Mit meiner Montur sah es äußerst
trübselig aus, das einzige Paar sehr grober weißer Tuchbeinkleider hielt kaum
noch so weit zusammen, daß es die Blöße bedeckte, meine übrige, vollkommen
ausreichende eigne Equipnung war mit unsrer Bagage verloren gegangen;
und aus eigner Tasche mich neu zu versehen, fehlte es an Mitteln. Ich hatte
zwar 3 Thlr. monatliche Zulage, für die damalige Zeit eine mit dem Gehalt
von 3 Thlr. 15 Sgr. hinreichende Einnahme; daß sich aber davon Montirungs«
stücke nicht anschaffen ließen, ist wohl ohne besondere Versicherung zu glauben.
Mein Quartier war bei einem Gärtner, welcher, im Dienste eines wohlhaben,
den Kaufmanns stehend, ein sehr nettes Gartenhaus bewohnte, in welchem
mir ein Zimmer angewiesen wurde. Ich aß mit meinen Wirthsleuten ihre
bescheidene Kost, die mir darum besonders mundete, weil es häufig Fische


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[0056] wand auf 160 bis 170 Millionen Gulden, darunter für Heer und Schuld zu¬ sammen ungefähr 95 Millionen. Im Jahre 1860 kosteten Heer und Schuld zusammen 260 Millionen; der Voranschlag für 1862 beträgt gegen 230 Mil¬ lionen, ungerechnet 11V- Millionen Agioverlust für Silberzahlungen. Die or¬ dentlichen Einnahmen betragen nicht viel über 240 Millionen. Die Ausgaben für Verzinsung und Tilgung der Staatsschuld lassen sich nicht wesentlich ver¬ mindern, wenn der Staat seine Verbindlichkeiten gegen die Gläubiger er¬ füllen will. Es bleibt daher nur die Wahl: entweder den Aufwand für das Heer zu vermindern, oder die Zinsen der Staatsschuld etwa auf die Hülste herabzu¬ setzen, d. h. den Bankerott zu erklären. Die Regierung hielt es nicht für- ihre Aufgabe, diese Alternative öffentlich hinzustellen. Ob es der Reichsrath thun und demgemäß seine Anträge stellen wird — das wird sich zeigen. K. M. Erinnerungen eines Veteranen aus den Feldzügen von 180K und 1807. 2. Erlebnisse während der Belagerung von Danzig bis zum Frieden. Die Tage der Ruhe in Danzig waren uns .körperlich nicht nur höchst nöthig, sondern auch zur Instandsetzung unserer sehr defect gewordenen Klei¬ dung und Bewaffnung unentbehrlich. Mit meiner Montur sah es äußerst trübselig aus, das einzige Paar sehr grober weißer Tuchbeinkleider hielt kaum noch so weit zusammen, daß es die Blöße bedeckte, meine übrige, vollkommen ausreichende eigne Equipnung war mit unsrer Bagage verloren gegangen; und aus eigner Tasche mich neu zu versehen, fehlte es an Mitteln. Ich hatte zwar 3 Thlr. monatliche Zulage, für die damalige Zeit eine mit dem Gehalt von 3 Thlr. 15 Sgr. hinreichende Einnahme; daß sich aber davon Montirungs« stücke nicht anschaffen ließen, ist wohl ohne besondere Versicherung zu glauben. Mein Quartier war bei einem Gärtner, welcher, im Dienste eines wohlhaben, den Kaufmanns stehend, ein sehr nettes Gartenhaus bewohnte, in welchem mir ein Zimmer angewiesen wurde. Ich aß mit meinen Wirthsleuten ihre bescheidene Kost, die mir darum besonders mundete, weil es häufig Fische

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113241/56>, abgerufen am 28.04.2024.