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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.

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vivs 1^ ?i'g.nee! -- so müssen die französischen Truppen, wie 1798, einrücken,
um den "Wunsch der Bevölkerung" zu unterstützen, wie es dann in der officiellen
französischen Sprache lauten würde. Der Eidgenossenschaft aber würde alsdann
auf ihre Protestationen dieselbe Antwort zu Theil werden, welche der deutsche
König Heinrich der Dritte im Jahre 1038 den Abgesandten des Böhmenberzogs
Bracislaw gab- "Wer durch Gesetze regiert, der steht nicht selbst unter dem Ge¬
setze, weil das Gesetz, um mit dem Sprichwort zu reden, eine wächserne Nase
hat, Könige aber lange eiserne Arme besitzen, die sie hinstrecken können, wohin
es ihnen beliebt. Thut ihr nicht, was ich will, so sollt ihr erfahren, wie viel
gemalte Schilder-mir zu Gebote stehen!" --




Die Pflicht der liberalen Parteien in Preußen.

Die liberalen Parteien Angesichts der Zukunft Preußens.
Berlin, 1862. I. Springer.

Indem Wir die vorstehend genannte Schrift als eine durchweg treffliche
kritische Uebersicht über das Thun der preußischen Regierung sowie der preu¬
ßischen Parteien in den letzten Jahren auf das Wärmste und Angelegentlichste
empfehlen, glauben wir die Absicht des Verfassers nicht besser unterstützen zu
können, als durch einen Auszug aus dem Schlußkapitel, welches aus dem in
den vorhergehenden Abschnitten Gefundenen die Pflichten ableitet, welche die
Parteien in Preußen bei der gegenwärtigen Lage der Dinge haben.

Der Versuch, das Bedürfniß der Staatslage durch eine dem Gebot der
Zeit entgegenkommende Regierung zu befriedigen und so zugleich den Volkswillen
zu klären, ihn mit den Schranken und Pflichten des Staats zu versöhnen, ist durch
die Märztage dieses Jahres unterbrochen. Dadurch sind Preußen und Deutsch¬
land in eine nicht zu verkennende Gefahr gebracht; denn wenn wir auch an
unserm Volk und feiner Zukunft nicht verzweifeln dürfen, so kann doch die Fort¬
dauer der innern Zerrüttung, welche mit der Fortdauer einer ohnmächtigen,
sittlich unproductiven Reaction verbunden ist, eine ganze Generation um die
Früchte einer ernsten Lehrzeit und einer langen treuen Hingebung bringen. Wir
dürfen nichts verschulden, was diesen Zustand verlängern kann. Nur Eines
kann ihn verlängern: die Schwäche unsres Willens; letztrer ist aber schwach,


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vivs 1^ ?i'g.nee! — so müssen die französischen Truppen, wie 1798, einrücken,
um den „Wunsch der Bevölkerung" zu unterstützen, wie es dann in der officiellen
französischen Sprache lauten würde. Der Eidgenossenschaft aber würde alsdann
auf ihre Protestationen dieselbe Antwort zu Theil werden, welche der deutsche
König Heinrich der Dritte im Jahre 1038 den Abgesandten des Böhmenberzogs
Bracislaw gab- „Wer durch Gesetze regiert, der steht nicht selbst unter dem Ge¬
setze, weil das Gesetz, um mit dem Sprichwort zu reden, eine wächserne Nase
hat, Könige aber lange eiserne Arme besitzen, die sie hinstrecken können, wohin
es ihnen beliebt. Thut ihr nicht, was ich will, so sollt ihr erfahren, wie viel
gemalte Schilder-mir zu Gebote stehen!" —




Die Pflicht der liberalen Parteien in Preußen.

Die liberalen Parteien Angesichts der Zukunft Preußens.
Berlin, 1862. I. Springer.

Indem Wir die vorstehend genannte Schrift als eine durchweg treffliche
kritische Uebersicht über das Thun der preußischen Regierung sowie der preu¬
ßischen Parteien in den letzten Jahren auf das Wärmste und Angelegentlichste
empfehlen, glauben wir die Absicht des Verfassers nicht besser unterstützen zu
können, als durch einen Auszug aus dem Schlußkapitel, welches aus dem in
den vorhergehenden Abschnitten Gefundenen die Pflichten ableitet, welche die
Parteien in Preußen bei der gegenwärtigen Lage der Dinge haben.

Der Versuch, das Bedürfniß der Staatslage durch eine dem Gebot der
Zeit entgegenkommende Regierung zu befriedigen und so zugleich den Volkswillen
zu klären, ihn mit den Schranken und Pflichten des Staats zu versöhnen, ist durch
die Märztage dieses Jahres unterbrochen. Dadurch sind Preußen und Deutsch¬
land in eine nicht zu verkennende Gefahr gebracht; denn wenn wir auch an
unserm Volk und feiner Zukunft nicht verzweifeln dürfen, so kann doch die Fort¬
dauer der innern Zerrüttung, welche mit der Fortdauer einer ohnmächtigen,
sittlich unproductiven Reaction verbunden ist, eine ganze Generation um die
Früchte einer ernsten Lehrzeit und einer langen treuen Hingebung bringen. Wir
dürfen nichts verschulden, was diesen Zustand verlängern kann. Nur Eines
kann ihn verlängern: die Schwäche unsres Willens; letztrer ist aber schwach,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113779/267>, abgerufen am 02.05.2024.