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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.

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Gemeinnützige Anordnungen, constitutionelles System und freie Presse sind
gute Dinge. Oestreich, Preußen und die meisten deutschen Staaten haben sie
dem Bundestag vorweggenommen. Sobald Oestreich, Preußen und die Mittel¬
staaten sich dazu verstehen, drei Gesandte in Frankfurt als Träger der deutschen
Centralgewalt mit weiten Vollmachten auszustatten, um die Beschlüsse einer
einfach-en Majorität des Bundestages überall zu vollziehen: dann wird der
Bundestag wohl auch keinen Anstand nehmen, die Borschläge des Herrn Für¬
sten zu sanctioniren und die bayerische Trias herzustellen. Wir schwärmen
nicht für diese Einrichtung. Wie die Dinge liegen, würde die Majorität den
Herrn Grafen Rechberg, v. d. Pfordten, v. Beust. v. Borries, v. Hügel,
v. Dalwigk, Hassenpflug u. s. w. zufallen, die wir von ihrer starken Seite
nicht eben als Garanten des constitutionellen Systeme, liberaler Institutionen
und der Preßfreiheit haben kennen lernen. Aber -- wie wäre es, wenn die
Würzburger unter sich das Experiment mit der Trias und dem Kammern-
Parlament machen wollten? Nur zur Probe, um zu erfahren, ob es für ganz
Deutschland Paßt oder nicht.


Die ungarische Frage und die östreichische Finanzcalamität.
Den Staatsmännern, Politikern und insbesondere den Besitzern östreichischer
Staatspapiere gewidmet von Eti Sander. Berlin im Selbstverlage 1862.

In der frühern Berliner Börsen- und Schwindelliteralur, als Lvhnredner
bei Generalversammlungen, hat sich der Verfasser einen Namen gemacht, für
den es kein Unglück wäre, wenn er vergessen würde. Hat vielleicht ein leicht¬
sinniger Magyare gewähnt, durch vorliegende Schrift die Besitzer von
Metalliques und National-Anleihe in das ungarische Lager zu treiben,
so hat er vergebliche Opfer gebracht. Die östreichischen Finanzen können
sich nicht erheben, bevor Ungarn versöhnt ist. Ungarn versöhnt sich nicht,
bevor ihm gewährt wird, was Hr. Deal verlangt. Weiter liegt nichts drin.
Von ganz anderem Werthe ist eine in Paris bei Amyot unlängst erschienene
Schrift: Lolntion Ah 1a ciise nonAroisv aus der Feder des Ritters Debrauz.
der seit länger als dreißig Jahren in Paris für Oestreich wirkt. Sein östrei¬
chischer Patriotismus heißt ihn Gerechtigkeit für Ungarn verlangen. Seine
Vorschläge beginnen mit einem Krönungs-Landtage und Ernennung eines Pa¬
ladin, der den Ungarn angenehm ist (Erzherzog Maximilian). Die Wiener
offiziöse Presse hat zwar erklärt, daß die Schrift nicht den Gedanken der Re¬
gierung wiedergebe, die Schrift verliert jedoch dadurch nicht entfernt an ihrem
Werthe.




Gemeinnützige Anordnungen, constitutionelles System und freie Presse sind
gute Dinge. Oestreich, Preußen und die meisten deutschen Staaten haben sie
dem Bundestag vorweggenommen. Sobald Oestreich, Preußen und die Mittel¬
staaten sich dazu verstehen, drei Gesandte in Frankfurt als Träger der deutschen
Centralgewalt mit weiten Vollmachten auszustatten, um die Beschlüsse einer
einfach-en Majorität des Bundestages überall zu vollziehen: dann wird der
Bundestag wohl auch keinen Anstand nehmen, die Borschläge des Herrn Für¬
sten zu sanctioniren und die bayerische Trias herzustellen. Wir schwärmen
nicht für diese Einrichtung. Wie die Dinge liegen, würde die Majorität den
Herrn Grafen Rechberg, v. d. Pfordten, v. Beust. v. Borries, v. Hügel,
v. Dalwigk, Hassenpflug u. s. w. zufallen, die wir von ihrer starken Seite
nicht eben als Garanten des constitutionellen Systeme, liberaler Institutionen
und der Preßfreiheit haben kennen lernen. Aber — wie wäre es, wenn die
Würzburger unter sich das Experiment mit der Trias und dem Kammern-
Parlament machen wollten? Nur zur Probe, um zu erfahren, ob es für ganz
Deutschland Paßt oder nicht.


Die ungarische Frage und die östreichische Finanzcalamität.
Den Staatsmännern, Politikern und insbesondere den Besitzern östreichischer
Staatspapiere gewidmet von Eti Sander. Berlin im Selbstverlage 1862.

In der frühern Berliner Börsen- und Schwindelliteralur, als Lvhnredner
bei Generalversammlungen, hat sich der Verfasser einen Namen gemacht, für
den es kein Unglück wäre, wenn er vergessen würde. Hat vielleicht ein leicht¬
sinniger Magyare gewähnt, durch vorliegende Schrift die Besitzer von
Metalliques und National-Anleihe in das ungarische Lager zu treiben,
so hat er vergebliche Opfer gebracht. Die östreichischen Finanzen können
sich nicht erheben, bevor Ungarn versöhnt ist. Ungarn versöhnt sich nicht,
bevor ihm gewährt wird, was Hr. Deal verlangt. Weiter liegt nichts drin.
Von ganz anderem Werthe ist eine in Paris bei Amyot unlängst erschienene
Schrift: Lolntion Ah 1a ciise nonAroisv aus der Feder des Ritters Debrauz.
der seit länger als dreißig Jahren in Paris für Oestreich wirkt. Sein östrei¬
chischer Patriotismus heißt ihn Gerechtigkeit für Ungarn verlangen. Seine
Vorschläge beginnen mit einem Krönungs-Landtage und Ernennung eines Pa¬
ladin, der den Ungarn angenehm ist (Erzherzog Maximilian). Die Wiener
offiziöse Presse hat zwar erklärt, daß die Schrift nicht den Gedanken der Re¬
gierung wiedergebe, die Schrift verliert jedoch dadurch nicht entfernt an ihrem
Werthe.




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[0415] Gemeinnützige Anordnungen, constitutionelles System und freie Presse sind gute Dinge. Oestreich, Preußen und die meisten deutschen Staaten haben sie dem Bundestag vorweggenommen. Sobald Oestreich, Preußen und die Mittel¬ staaten sich dazu verstehen, drei Gesandte in Frankfurt als Träger der deutschen Centralgewalt mit weiten Vollmachten auszustatten, um die Beschlüsse einer einfach-en Majorität des Bundestages überall zu vollziehen: dann wird der Bundestag wohl auch keinen Anstand nehmen, die Borschläge des Herrn Für¬ sten zu sanctioniren und die bayerische Trias herzustellen. Wir schwärmen nicht für diese Einrichtung. Wie die Dinge liegen, würde die Majorität den Herrn Grafen Rechberg, v. d. Pfordten, v. Beust. v. Borries, v. Hügel, v. Dalwigk, Hassenpflug u. s. w. zufallen, die wir von ihrer starken Seite nicht eben als Garanten des constitutionellen Systeme, liberaler Institutionen und der Preßfreiheit haben kennen lernen. Aber — wie wäre es, wenn die Würzburger unter sich das Experiment mit der Trias und dem Kammern- Parlament machen wollten? Nur zur Probe, um zu erfahren, ob es für ganz Deutschland Paßt oder nicht. Die ungarische Frage und die östreichische Finanzcalamität. Den Staatsmännern, Politikern und insbesondere den Besitzern östreichischer Staatspapiere gewidmet von Eti Sander. Berlin im Selbstverlage 1862. In der frühern Berliner Börsen- und Schwindelliteralur, als Lvhnredner bei Generalversammlungen, hat sich der Verfasser einen Namen gemacht, für den es kein Unglück wäre, wenn er vergessen würde. Hat vielleicht ein leicht¬ sinniger Magyare gewähnt, durch vorliegende Schrift die Besitzer von Metalliques und National-Anleihe in das ungarische Lager zu treiben, so hat er vergebliche Opfer gebracht. Die östreichischen Finanzen können sich nicht erheben, bevor Ungarn versöhnt ist. Ungarn versöhnt sich nicht, bevor ihm gewährt wird, was Hr. Deal verlangt. Weiter liegt nichts drin. Von ganz anderem Werthe ist eine in Paris bei Amyot unlängst erschienene Schrift: Lolntion Ah 1a ciise nonAroisv aus der Feder des Ritters Debrauz. der seit länger als dreißig Jahren in Paris für Oestreich wirkt. Sein östrei¬ chischer Patriotismus heißt ihn Gerechtigkeit für Ungarn verlangen. Seine Vorschläge beginnen mit einem Krönungs-Landtage und Ernennung eines Pa¬ ladin, der den Ungarn angenehm ist (Erzherzog Maximilian). Die Wiener offiziöse Presse hat zwar erklärt, daß die Schrift nicht den Gedanken der Re¬ gierung wiedergebe, die Schrift verliert jedoch dadurch nicht entfernt an ihrem Werthe.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113779/415>, abgerufen am 02.05.2024.