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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.

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König sich beklagte, daß in der Ausführung dieser Maßregeln die von ihm
gesetzten Schranken überschritten würden. Uebrigens war diese ganze Unter¬
stützung durch indirecte Mittel ein großer politischer Fehler. Sie verrieth die
geheimen Wünsche der französischen Regierung und machte Englands Argwohn
rege, ohne ihm zu imponiren. Spanien leistete man einen ziemlich werthlosen
Dienst, und erweckte doch in den Spaniern Hoffnungen, deren Nichterfüllung
Frankreichs Ansehen verminderte und in gleichem Maße das Englands erhöhte.

Indessen gingen die Dinge in Spanien ihren verhängnißvollen Gang
weiter. Als endlich, der Militarausstand von Ildefonso und die blutigen Aus¬
tritte von Madrid, als deren Opfer der tapfere Quesada siel, die Regentin zur
Anerkennung der Constitution von 1812 gezwungen hatten, war einerseits die
Dringlichkeit eines Einschreitens immer augenscheinlicher geworden, andererseits
mußten sich aber auch die Bedenken gegen ein solches steigern. Wem sollte
man zu Hülfe kommen? Einer Partei, die ihre Abneigung und ihren Trotz gegen
Frankreich offen zur Schau trug, die nach allen Berichten ganz besonders durch
die Machinationen Mendizabals, des ergebenen Clienten Englands, emporge¬
kommen war? Konnte man selbst nur darauf rechnen, daß Christine sich als
Regentin halten würde? Diese Erwägungen bestimmten den König, Frankreich
in keiner Weise in die spanischen Wirren zu verwickeln. Er befahl, die in der
Nähe der Pyrenäen aufgestellten Observationscorps aufzulösen. In Folge dieses
Beschlusses gab das Ministerium Thiers seine Entlassung. Frankreich aber gab
die unmittelbare Betheiligung an den spanischen Angelegenheiten auf, um spä¬
ter auf dem Wege einer höchst zweideutigen dynastischen Familienintrigue
darauf zurückzukommen und um eines sehr zweifelhaften Vortheils willen die
lange Zeit, trotz aller Spannung, ängstlich gepflegten Beziehungen zu England
Li. unheilbar zu compromittiren.




Eine Jesuitenschille.
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Im vorhergehenden Abschnitt ist erwähnt, daß die Zöglinge des Germa-
nicums im Collegium Romanum Vorlesungen hörten. Dieses großartige Ge.
baute enthält die Wohnungen von mehreren hundert Jesuiten, eine große
Bibliothek, chemische und physikalische Laboratorien, eine Sternwarte, eine gute
Apotheke, Räumlichkeiten für ein. von einigen hundert Schülern besuchtes
Gymnasium, Hörsäle für Philosophie und Theologie, die Aula maxima, Ka¬
pellen und ist mit einer großen, im Rokokostyl aufgeschmückten Kirche verbun¬
den, unter deren Altar der heilige Aloysius von Gonzaga, der Schutzpatron
der Studirenden. ruht. Das Lehrerpersonal besteht nur aus Jesuiten. Die
philosophischen und theologischen Vorlesungen werden von den "Scholastikern",


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König sich beklagte, daß in der Ausführung dieser Maßregeln die von ihm
gesetzten Schranken überschritten würden. Uebrigens war diese ganze Unter¬
stützung durch indirecte Mittel ein großer politischer Fehler. Sie verrieth die
geheimen Wünsche der französischen Regierung und machte Englands Argwohn
rege, ohne ihm zu imponiren. Spanien leistete man einen ziemlich werthlosen
Dienst, und erweckte doch in den Spaniern Hoffnungen, deren Nichterfüllung
Frankreichs Ansehen verminderte und in gleichem Maße das Englands erhöhte.

Indessen gingen die Dinge in Spanien ihren verhängnißvollen Gang
weiter. Als endlich, der Militarausstand von Ildefonso und die blutigen Aus¬
tritte von Madrid, als deren Opfer der tapfere Quesada siel, die Regentin zur
Anerkennung der Constitution von 1812 gezwungen hatten, war einerseits die
Dringlichkeit eines Einschreitens immer augenscheinlicher geworden, andererseits
mußten sich aber auch die Bedenken gegen ein solches steigern. Wem sollte
man zu Hülfe kommen? Einer Partei, die ihre Abneigung und ihren Trotz gegen
Frankreich offen zur Schau trug, die nach allen Berichten ganz besonders durch
die Machinationen Mendizabals, des ergebenen Clienten Englands, emporge¬
kommen war? Konnte man selbst nur darauf rechnen, daß Christine sich als
Regentin halten würde? Diese Erwägungen bestimmten den König, Frankreich
in keiner Weise in die spanischen Wirren zu verwickeln. Er befahl, die in der
Nähe der Pyrenäen aufgestellten Observationscorps aufzulösen. In Folge dieses
Beschlusses gab das Ministerium Thiers seine Entlassung. Frankreich aber gab
die unmittelbare Betheiligung an den spanischen Angelegenheiten auf, um spä¬
ter auf dem Wege einer höchst zweideutigen dynastischen Familienintrigue
darauf zurückzukommen und um eines sehr zweifelhaften Vortheils willen die
lange Zeit, trotz aller Spannung, ängstlich gepflegten Beziehungen zu England
Li. unheilbar zu compromittiren.




Eine Jesuitenschille.
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Im vorhergehenden Abschnitt ist erwähnt, daß die Zöglinge des Germa-
nicums im Collegium Romanum Vorlesungen hörten. Dieses großartige Ge.
baute enthält die Wohnungen von mehreren hundert Jesuiten, eine große
Bibliothek, chemische und physikalische Laboratorien, eine Sternwarte, eine gute
Apotheke, Räumlichkeiten für ein. von einigen hundert Schülern besuchtes
Gymnasium, Hörsäle für Philosophie und Theologie, die Aula maxima, Ka¬
pellen und ist mit einer großen, im Rokokostyl aufgeschmückten Kirche verbun¬
den, unter deren Altar der heilige Aloysius von Gonzaga, der Schutzpatron
der Studirenden. ruht. Das Lehrerpersonal besteht nur aus Jesuiten. Die
philosophischen und theologischen Vorlesungen werden von den „Scholastikern",


Grenzboten it. 1LS2. 62
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[0497] König sich beklagte, daß in der Ausführung dieser Maßregeln die von ihm gesetzten Schranken überschritten würden. Uebrigens war diese ganze Unter¬ stützung durch indirecte Mittel ein großer politischer Fehler. Sie verrieth die geheimen Wünsche der französischen Regierung und machte Englands Argwohn rege, ohne ihm zu imponiren. Spanien leistete man einen ziemlich werthlosen Dienst, und erweckte doch in den Spaniern Hoffnungen, deren Nichterfüllung Frankreichs Ansehen verminderte und in gleichem Maße das Englands erhöhte. Indessen gingen die Dinge in Spanien ihren verhängnißvollen Gang weiter. Als endlich, der Militarausstand von Ildefonso und die blutigen Aus¬ tritte von Madrid, als deren Opfer der tapfere Quesada siel, die Regentin zur Anerkennung der Constitution von 1812 gezwungen hatten, war einerseits die Dringlichkeit eines Einschreitens immer augenscheinlicher geworden, andererseits mußten sich aber auch die Bedenken gegen ein solches steigern. Wem sollte man zu Hülfe kommen? Einer Partei, die ihre Abneigung und ihren Trotz gegen Frankreich offen zur Schau trug, die nach allen Berichten ganz besonders durch die Machinationen Mendizabals, des ergebenen Clienten Englands, emporge¬ kommen war? Konnte man selbst nur darauf rechnen, daß Christine sich als Regentin halten würde? Diese Erwägungen bestimmten den König, Frankreich in keiner Weise in die spanischen Wirren zu verwickeln. Er befahl, die in der Nähe der Pyrenäen aufgestellten Observationscorps aufzulösen. In Folge dieses Beschlusses gab das Ministerium Thiers seine Entlassung. Frankreich aber gab die unmittelbare Betheiligung an den spanischen Angelegenheiten auf, um spä¬ ter auf dem Wege einer höchst zweideutigen dynastischen Familienintrigue darauf zurückzukommen und um eines sehr zweifelhaften Vortheils willen die lange Zeit, trotz aller Spannung, ängstlich gepflegten Beziehungen zu England Li. unheilbar zu compromittiren. Eine Jesuitenschille. j^V,Ä'-" 12: >..Wtt Im vorhergehenden Abschnitt ist erwähnt, daß die Zöglinge des Germa- nicums im Collegium Romanum Vorlesungen hörten. Dieses großartige Ge. baute enthält die Wohnungen von mehreren hundert Jesuiten, eine große Bibliothek, chemische und physikalische Laboratorien, eine Sternwarte, eine gute Apotheke, Räumlichkeiten für ein. von einigen hundert Schülern besuchtes Gymnasium, Hörsäle für Philosophie und Theologie, die Aula maxima, Ka¬ pellen und ist mit einer großen, im Rokokostyl aufgeschmückten Kirche verbun¬ den, unter deren Altar der heilige Aloysius von Gonzaga, der Schutzpatron der Studirenden. ruht. Das Lehrerpersonal besteht nur aus Jesuiten. Die philosophischen und theologischen Vorlesungen werden von den „Scholastikern", Grenzboten it. 1LS2. 62

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113779/497>, abgerufen am 02.05.2024.