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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band.

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MliMits oder Mlmiteilllmsches Regiment.

Es scheint ein eigenthümliches verhängnißvolles Geschick der Monarchen
zu sein, welche sich in Widerspruch mit Ansprüchen des Volkes und seiner Ver¬
treter befinden, daß durch ungeschickte Vertheidiger ihrer Ansichten Streitpunkte
erhoben und formulirt werden, die gerade von dieser Seite lieber vermieden
werden sollten, und daß so von Seite des Königthums eine theoretische Abklä¬
rung der thatsächlichen Zerwürfnisse angebahnt wird, welche nur zum Nach¬
theile der provocirenden Seite ausschlagen kann. So waren es die Schutz¬
schriften für Karl den Ersten von England von Hobbes und Salmasius über
die unbedingte Gehorsamspflicht der Unterthanen und weiter das Werk von
Filmer unter Jacob dem Zweiten, welche beidemale den theoretischen Streit
eröffnete" und dadurch die berühmten Gegenschriften zu Gunsten des ver¬
fassungsmäßigen Gehorsams hervorriefen. So wird auch in Preußen, dessen
Zustände überhaupt in vielen Beziehungen an jene Stadien der englischen Ge¬
schichte erinnern, grade von der Partei, welche die Ansprüche des Königthums
und des göttlichen Rechtes vertheidigt, die ganze Frage in eine Formel zu¬
gespitzt, die allerdings zur Klärung und schließlichen Lösung der jetzigen Ver¬
wirrung wesentlich beitragen muß, aber schwerlich zu Gunsten der Ansprüche
der Krone. Als im November 1858 die große Wendung in Preußen eintrat,
liberale Minister das Band des Vertrauens zwischen Krone und Volk knüpften
und ein aufrichtiger und wahrer Constitutionalismus dem Volke zugesichert
wurde, da hielt man es gerade von liberaler Seite für gerathen, ja nöthig,
den Unterschied zwischen Constitutionalismus und Parlamentarismus nachdrücklich
zu betonen und sich mit aller Bestimmtheit zu verwahren, daß der erstere den
letzteren im Gefolge haben werde. Man berief sich dafür auf die bekannten,
angeblich in Preußen obwaltenden Gründe, die Bedeutung des Königthums für
die ganze Entstehung und Entwicklung des Staates und die Nothwendigkeit
einer starken, allezeit schlagfertigen Executive.

Schreiber dieser Zeilen erlaubte sich bereits damals, einem der liberalen
Blatter, welches lebhaft mit Leitartikeln solchen Inhalts zu Felde zog. seine
bescheidenen Bedenken auszusprechen, aber ohne Erfolg. Und doch ist, was


Grenzboten II. 1662. 11 .
MliMits oder Mlmiteilllmsches Regiment.

Es scheint ein eigenthümliches verhängnißvolles Geschick der Monarchen
zu sein, welche sich in Widerspruch mit Ansprüchen des Volkes und seiner Ver¬
treter befinden, daß durch ungeschickte Vertheidiger ihrer Ansichten Streitpunkte
erhoben und formulirt werden, die gerade von dieser Seite lieber vermieden
werden sollten, und daß so von Seite des Königthums eine theoretische Abklä¬
rung der thatsächlichen Zerwürfnisse angebahnt wird, welche nur zum Nach¬
theile der provocirenden Seite ausschlagen kann. So waren es die Schutz¬
schriften für Karl den Ersten von England von Hobbes und Salmasius über
die unbedingte Gehorsamspflicht der Unterthanen und weiter das Werk von
Filmer unter Jacob dem Zweiten, welche beidemale den theoretischen Streit
eröffnete» und dadurch die berühmten Gegenschriften zu Gunsten des ver¬
fassungsmäßigen Gehorsams hervorriefen. So wird auch in Preußen, dessen
Zustände überhaupt in vielen Beziehungen an jene Stadien der englischen Ge¬
schichte erinnern, grade von der Partei, welche die Ansprüche des Königthums
und des göttlichen Rechtes vertheidigt, die ganze Frage in eine Formel zu¬
gespitzt, die allerdings zur Klärung und schließlichen Lösung der jetzigen Ver¬
wirrung wesentlich beitragen muß, aber schwerlich zu Gunsten der Ansprüche
der Krone. Als im November 1858 die große Wendung in Preußen eintrat,
liberale Minister das Band des Vertrauens zwischen Krone und Volk knüpften
und ein aufrichtiger und wahrer Constitutionalismus dem Volke zugesichert
wurde, da hielt man es gerade von liberaler Seite für gerathen, ja nöthig,
den Unterschied zwischen Constitutionalismus und Parlamentarismus nachdrücklich
zu betonen und sich mit aller Bestimmtheit zu verwahren, daß der erstere den
letzteren im Gefolge haben werde. Man berief sich dafür auf die bekannten,
angeblich in Preußen obwaltenden Gründe, die Bedeutung des Königthums für
die ganze Entstehung und Entwicklung des Staates und die Nothwendigkeit
einer starken, allezeit schlagfertigen Executive.

Schreiber dieser Zeilen erlaubte sich bereits damals, einem der liberalen
Blatter, welches lebhaft mit Leitartikeln solchen Inhalts zu Felde zog. seine
bescheidenen Bedenken auszusprechen, aber ohne Erfolg. Und doch ist, was


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[0089] MliMits oder Mlmiteilllmsches Regiment. Es scheint ein eigenthümliches verhängnißvolles Geschick der Monarchen zu sein, welche sich in Widerspruch mit Ansprüchen des Volkes und seiner Ver¬ treter befinden, daß durch ungeschickte Vertheidiger ihrer Ansichten Streitpunkte erhoben und formulirt werden, die gerade von dieser Seite lieber vermieden werden sollten, und daß so von Seite des Königthums eine theoretische Abklä¬ rung der thatsächlichen Zerwürfnisse angebahnt wird, welche nur zum Nach¬ theile der provocirenden Seite ausschlagen kann. So waren es die Schutz¬ schriften für Karl den Ersten von England von Hobbes und Salmasius über die unbedingte Gehorsamspflicht der Unterthanen und weiter das Werk von Filmer unter Jacob dem Zweiten, welche beidemale den theoretischen Streit eröffnete» und dadurch die berühmten Gegenschriften zu Gunsten des ver¬ fassungsmäßigen Gehorsams hervorriefen. So wird auch in Preußen, dessen Zustände überhaupt in vielen Beziehungen an jene Stadien der englischen Ge¬ schichte erinnern, grade von der Partei, welche die Ansprüche des Königthums und des göttlichen Rechtes vertheidigt, die ganze Frage in eine Formel zu¬ gespitzt, die allerdings zur Klärung und schließlichen Lösung der jetzigen Ver¬ wirrung wesentlich beitragen muß, aber schwerlich zu Gunsten der Ansprüche der Krone. Als im November 1858 die große Wendung in Preußen eintrat, liberale Minister das Band des Vertrauens zwischen Krone und Volk knüpften und ein aufrichtiger und wahrer Constitutionalismus dem Volke zugesichert wurde, da hielt man es gerade von liberaler Seite für gerathen, ja nöthig, den Unterschied zwischen Constitutionalismus und Parlamentarismus nachdrücklich zu betonen und sich mit aller Bestimmtheit zu verwahren, daß der erstere den letzteren im Gefolge haben werde. Man berief sich dafür auf die bekannten, angeblich in Preußen obwaltenden Gründe, die Bedeutung des Königthums für die ganze Entstehung und Entwicklung des Staates und die Nothwendigkeit einer starken, allezeit schlagfertigen Executive. Schreiber dieser Zeilen erlaubte sich bereits damals, einem der liberalen Blatter, welches lebhaft mit Leitartikeln solchen Inhalts zu Felde zog. seine bescheidenen Bedenken auszusprechen, aber ohne Erfolg. Und doch ist, was Grenzboten II. 1662. 11 .

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_113779/89>, abgerufen am 02.05.2024.