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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.

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meines herzlichen Antheils. Ich werde ihm schreiben, sobald ich Zeit haben
werde. Eben so an Bruder Gottlob, und meine Eltern.


Pein treuer Bruder Fichte,
'
.

..
Lieber theurer Bruder!

...ii-..
Ich kann meines Mannes Brief nicht vortgelm

laßen ohne Ihnen auch ein paar Zeidler zu schreiben, ohne Ihnen zu sagen
daß mein theurer Vatter Sie innig Uebt, und herzlich grüßt, daß Er und ich
aufrichtig wünschen daß Sie bald bei uns sein mögen; faßen Sie Muth Theu¬
rer, die Zeit daß Sie bei uns Leben, wird ja auch nicht mehr so lange
dauern, und denn werden Sie Sich das überstanden zu jhier steht, durchstrichen,
"Habens freuen haben.

Daß w,r Ihnen so wenig schreiben, ist gewis nicht Mangel Liebe, sondern
Mangel an Zeit, das ist im ganzen ein wirwarvolles Leben hier, daß wenig
wahren Genuß schaft. und viel Zeit raubt; Sie werd einmahl selber sehn;
ich wünsche nur daß Sie- bald kommen, und kann nicht so ganz einsehn wa¬
rum mein Mann es so aufschiebt, die Lebensart ist hier nicht gar sein, so daß
gewis ein jeder sich bald hineinsindt; ich wünschte nur auch Sie einmahl zu
sehn Lieber Bruder! Warum können, und sollen Sie uns denn nie besuchen?
Sie und ich, wir wollten, unsern Fichte denn schon bekehren, ich glaube immer
Er nimt die Sache viel zu strenge. Leben Sie wohl! Guter theurer Bruder,
Ihre Fichtin. von ganzem Herzen '

In dem nächsten Briefe klingt in bemerkenswerther Weise aus Johannas
durch und durch christlichem Gemüthe eine ergebungsvolle Stimmung heraus,
das Gefühl, daß wir auf Erden schon Bürger des Himmels seien, in welchem
erst unsere wahre und ewige Heimath sei. So schreibt auch später, gegen Ende
des Jahres 1806. Fichte aus Königsberg an seine Gattin: "Ich habe meine
Entschiedenheit sür das Leben, die in meinem Innern nie zweideutig war, nun
auch äußerlich realisirt. Du bist der Erde ohnedies abgestorben, wie das Weib
mag, der Mann nie darf noch soll. Du wirst mit dem bescheidenen Plaize,
den ich mir behalten habe in der letztem, vergnügt sein" (I. 371). Als
äußerliche Veranlassung zur Offenbarung dieser Denkart in diesem Briefe
müssen wohl die bis zu gewaltsamen Angriffen gehenden Anfeindungen und
Beleidigungen betrachtet werden, mit denen Fichte von den Ordensverbindungcn
der Studenten verfolgt wurde, die er als die Quellen vielfacher Unsittlichkeit
erkannte und darum veranlassen wollte sich aufzulösen.


15.

^eng, ä. 8. ^prill 1795.


Theurer Bruder!

Schon lange wollt ich Ihnen schreiben, schon lange einliegendes fehlten;


meines herzlichen Antheils. Ich werde ihm schreiben, sobald ich Zeit haben
werde. Eben so an Bruder Gottlob, und meine Eltern.


Pein treuer Bruder Fichte,
'
.

..
Lieber theurer Bruder!

...ii-..
Ich kann meines Mannes Brief nicht vortgelm

laßen ohne Ihnen auch ein paar Zeidler zu schreiben, ohne Ihnen zu sagen
daß mein theurer Vatter Sie innig Uebt, und herzlich grüßt, daß Er und ich
aufrichtig wünschen daß Sie bald bei uns sein mögen; faßen Sie Muth Theu¬
rer, die Zeit daß Sie bei uns Leben, wird ja auch nicht mehr so lange
dauern, und denn werden Sie Sich das überstanden zu jhier steht, durchstrichen,
„Habens freuen haben.

Daß w,r Ihnen so wenig schreiben, ist gewis nicht Mangel Liebe, sondern
Mangel an Zeit, das ist im ganzen ein wirwarvolles Leben hier, daß wenig
wahren Genuß schaft. und viel Zeit raubt; Sie werd einmahl selber sehn;
ich wünsche nur daß Sie- bald kommen, und kann nicht so ganz einsehn wa¬
rum mein Mann es so aufschiebt, die Lebensart ist hier nicht gar sein, so daß
gewis ein jeder sich bald hineinsindt; ich wünschte nur auch Sie einmahl zu
sehn Lieber Bruder! Warum können, und sollen Sie uns denn nie besuchen?
Sie und ich, wir wollten, unsern Fichte denn schon bekehren, ich glaube immer
Er nimt die Sache viel zu strenge. Leben Sie wohl! Guter theurer Bruder,
Ihre Fichtin. von ganzem Herzen '

In dem nächsten Briefe klingt in bemerkenswerther Weise aus Johannas
durch und durch christlichem Gemüthe eine ergebungsvolle Stimmung heraus,
das Gefühl, daß wir auf Erden schon Bürger des Himmels seien, in welchem
erst unsere wahre und ewige Heimath sei. So schreibt auch später, gegen Ende
des Jahres 1806. Fichte aus Königsberg an seine Gattin: „Ich habe meine
Entschiedenheit sür das Leben, die in meinem Innern nie zweideutig war, nun
auch äußerlich realisirt. Du bist der Erde ohnedies abgestorben, wie das Weib
mag, der Mann nie darf noch soll. Du wirst mit dem bescheidenen Plaize,
den ich mir behalten habe in der letztem, vergnügt sein" (I. 371). Als
äußerliche Veranlassung zur Offenbarung dieser Denkart in diesem Briefe
müssen wohl die bis zu gewaltsamen Angriffen gehenden Anfeindungen und
Beleidigungen betrachtet werden, mit denen Fichte von den Ordensverbindungcn
der Studenten verfolgt wurde, die er als die Quellen vielfacher Unsittlichkeit
erkannte und darum veranlassen wollte sich aufzulösen.


15.

^eng, ä. 8. ^prill 1795.


Theurer Bruder!

Schon lange wollt ich Ihnen schreiben, schon lange einliegendes fehlten;


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[0146] meines herzlichen Antheils. Ich werde ihm schreiben, sobald ich Zeit haben werde. Eben so an Bruder Gottlob, und meine Eltern. Pein treuer Bruder Fichte, ' . .. Lieber theurer Bruder! ...ii-.. Ich kann meines Mannes Brief nicht vortgelm laßen ohne Ihnen auch ein paar Zeidler zu schreiben, ohne Ihnen zu sagen daß mein theurer Vatter Sie innig Uebt, und herzlich grüßt, daß Er und ich aufrichtig wünschen daß Sie bald bei uns sein mögen; faßen Sie Muth Theu¬ rer, die Zeit daß Sie bei uns Leben, wird ja auch nicht mehr so lange dauern, und denn werden Sie Sich das überstanden zu jhier steht, durchstrichen, „Habens freuen haben. Daß w,r Ihnen so wenig schreiben, ist gewis nicht Mangel Liebe, sondern Mangel an Zeit, das ist im ganzen ein wirwarvolles Leben hier, daß wenig wahren Genuß schaft. und viel Zeit raubt; Sie werd einmahl selber sehn; ich wünsche nur daß Sie- bald kommen, und kann nicht so ganz einsehn wa¬ rum mein Mann es so aufschiebt, die Lebensart ist hier nicht gar sein, so daß gewis ein jeder sich bald hineinsindt; ich wünschte nur auch Sie einmahl zu sehn Lieber Bruder! Warum können, und sollen Sie uns denn nie besuchen? Sie und ich, wir wollten, unsern Fichte denn schon bekehren, ich glaube immer Er nimt die Sache viel zu strenge. Leben Sie wohl! Guter theurer Bruder, Ihre Fichtin. von ganzem Herzen ' In dem nächsten Briefe klingt in bemerkenswerther Weise aus Johannas durch und durch christlichem Gemüthe eine ergebungsvolle Stimmung heraus, das Gefühl, daß wir auf Erden schon Bürger des Himmels seien, in welchem erst unsere wahre und ewige Heimath sei. So schreibt auch später, gegen Ende des Jahres 1806. Fichte aus Königsberg an seine Gattin: „Ich habe meine Entschiedenheit sür das Leben, die in meinem Innern nie zweideutig war, nun auch äußerlich realisirt. Du bist der Erde ohnedies abgestorben, wie das Weib mag, der Mann nie darf noch soll. Du wirst mit dem bescheidenen Plaize, den ich mir behalten habe in der letztem, vergnügt sein" (I. 371). Als äußerliche Veranlassung zur Offenbarung dieser Denkart in diesem Briefe müssen wohl die bis zu gewaltsamen Angriffen gehenden Anfeindungen und Beleidigungen betrachtet werden, mit denen Fichte von den Ordensverbindungcn der Studenten verfolgt wurde, die er als die Quellen vielfacher Unsittlichkeit erkannte und darum veranlassen wollte sich aufzulösen. 15. ^eng, ä. 8. ^prill 1795. Theurer Bruder! Schon lange wollt ich Ihnen schreiben, schon lange einliegendes fehlten;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/146>, abgerufen am 04.05.2024.