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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.

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8. Brief), womit er die Enttäuschung zu ertragen und sich in einen andern
Wirkungskreis zu finden vermochte. Dasselbe bezeugt der folgende Brief,
der andrerseits einen Beweis liefert, mit welchem Geschicke I. Gottlieb Fichte
auch praktische Dinge zu behandeln wußte und mit welcher Energie er einige
bei seinem Aufenthaltswechsel eingetretene Mißverhältnisse ordnete.


19.

Jena, d. 14. November. 95.

Deine Gesinnung, mein lieber Bruder, die in Deinem Briefe sich zeigt,
freut mich, und ich wünsche Dir von Herzen Glük dazu. Auch ist es mir sehr
angenehm, daß diejenigen, die Dich umgeben, gleichfals in die Lage sich ge-
schikt haben.

An sich -- ich gestehe es Dir aufrichtig -- sehe ich auch dabei kein Un-
glük, wenn Du Soldat würdest; es versteht sich auf einige Zeit. Wenn Du
Dich appliciertest, könntest Du eine Unter Offizier, eine Fourier Steile, u. s. w.
erhalten: (nur wäre dabei zu wünschen, und nöthig, daß Du eine beßere festere
Hand schriebest.) Auch dieser Stand giebt eine eigne Bildung, eine eigne Be¬
arbeitung, eine Gefügigkeit in die Welt, die Dir besonders, so wie ich Dich
kenne, sehr nüzlich seyn würde. Da aber allerdings dadurch Dein anderwei¬
tiger Plan aufgehalten würde, und was die Hauptsache dabei ist, da Du eine
Abneigung gegen diesen Stand hast, so billige ich auch die Weise, wie Du Dich
davon befreien willst. Ich würde Deinen Brief noch eher beantwortet haben,
wenn nicht die Ueberlegung, ob ich Dir mit Vernunft jetzo die begehrten 30.
Rthr fehlten könnte, mich einige Zeit aufgehalten. Meine Lage ist die: Ich
habe zwar eine gute Einnahme gehabt; aber durch Vergeßlichkeiten war eine
solche Unordnung in meinem Hause eingcrißen, daß ich an 100 rthlr. Schul¬
den habe bezahlen müßen, auf die ich nicht gerechnet, und von denen
ich kein Wörtlein gewußt; überhaupt, daß ich seit 14. Tagen über 200 rthr.
Schulden bezahlt habe. Bedenke selbst welche Unordnung besonders der erste
Umstand in einer Haushaltung verursacht, in der ich schlechterdings, es koste
was es wolle, von nun an strenge Ordnung haben will. So unbedeutend nun
ZV. rthr. an sich mir seyn mögen, so sehe ich doch nicht mit Sicherheit vorher,
daß ich sie, bis ich wieder Geld bekomme
,''!>'-'''--.NI'"''




Ich hatte den Brief so weit geschrieben, als mir eine unerwartete Schuld
einging, die jenes äeüoit ersezt und mich in den Stand sezt, Deinem
Begehren selbst zu willfahren. Ich mag den Brief nicht umschreiben; und so
mag denn der Anfang stehen bleiben, um Dir einen Beweiß zu geben, daß Du
nicht etwa unbedachter Weise auf mich rechnest. Ich wollte Dir rathen, die
30. ehr. in Deiner Gegend, auf mein Wort zu borgen; allenfalls auch auf einen


8. Brief), womit er die Enttäuschung zu ertragen und sich in einen andern
Wirkungskreis zu finden vermochte. Dasselbe bezeugt der folgende Brief,
der andrerseits einen Beweis liefert, mit welchem Geschicke I. Gottlieb Fichte
auch praktische Dinge zu behandeln wußte und mit welcher Energie er einige
bei seinem Aufenthaltswechsel eingetretene Mißverhältnisse ordnete.


19.

Jena, d. 14. November. 95.

Deine Gesinnung, mein lieber Bruder, die in Deinem Briefe sich zeigt,
freut mich, und ich wünsche Dir von Herzen Glük dazu. Auch ist es mir sehr
angenehm, daß diejenigen, die Dich umgeben, gleichfals in die Lage sich ge-
schikt haben.

An sich — ich gestehe es Dir aufrichtig — sehe ich auch dabei kein Un-
glük, wenn Du Soldat würdest; es versteht sich auf einige Zeit. Wenn Du
Dich appliciertest, könntest Du eine Unter Offizier, eine Fourier Steile, u. s. w.
erhalten: (nur wäre dabei zu wünschen, und nöthig, daß Du eine beßere festere
Hand schriebest.) Auch dieser Stand giebt eine eigne Bildung, eine eigne Be¬
arbeitung, eine Gefügigkeit in die Welt, die Dir besonders, so wie ich Dich
kenne, sehr nüzlich seyn würde. Da aber allerdings dadurch Dein anderwei¬
tiger Plan aufgehalten würde, und was die Hauptsache dabei ist, da Du eine
Abneigung gegen diesen Stand hast, so billige ich auch die Weise, wie Du Dich
davon befreien willst. Ich würde Deinen Brief noch eher beantwortet haben,
wenn nicht die Ueberlegung, ob ich Dir mit Vernunft jetzo die begehrten 30.
Rthr fehlten könnte, mich einige Zeit aufgehalten. Meine Lage ist die: Ich
habe zwar eine gute Einnahme gehabt; aber durch Vergeßlichkeiten war eine
solche Unordnung in meinem Hause eingcrißen, daß ich an 100 rthlr. Schul¬
den habe bezahlen müßen, auf die ich nicht gerechnet, und von denen
ich kein Wörtlein gewußt; überhaupt, daß ich seit 14. Tagen über 200 rthr.
Schulden bezahlt habe. Bedenke selbst welche Unordnung besonders der erste
Umstand in einer Haushaltung verursacht, in der ich schlechterdings, es koste
was es wolle, von nun an strenge Ordnung haben will. So unbedeutend nun
ZV. rthr. an sich mir seyn mögen, so sehe ich doch nicht mit Sicherheit vorher,
daß ich sie, bis ich wieder Geld bekomme
,''!>'-'''--.NI'"''




Ich hatte den Brief so weit geschrieben, als mir eine unerwartete Schuld
einging, die jenes äeüoit ersezt und mich in den Stand sezt, Deinem
Begehren selbst zu willfahren. Ich mag den Brief nicht umschreiben; und so
mag denn der Anfang stehen bleiben, um Dir einen Beweiß zu geben, daß Du
nicht etwa unbedachter Weise auf mich rechnest. Ich wollte Dir rathen, die
30. ehr. in Deiner Gegend, auf mein Wort zu borgen; allenfalls auch auf einen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/170>, abgerufen am 05.05.2024.