Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite
28.

Jena, d, 18. 9br. 98.


Lieber Bruder,

So eben kehre ich meine Chatoulle bis auf den Boden, in welche ich
alles Gold und sächsische Geld, das ich seit meiner Rülkehr eingenommen, ge¬
worfen, und noch überdieß wechseln lassen, und finde nicht mehr, als das auf
beiliegenden Zettel bemerkte,......




Ueberhaupt, -- plagt mich das Geldschiken bloß um der nicht beizutreibenden
Geldsorten willen; aber, sobald etwas notwendig gebraucht wird, oder wo ein
Vortheil zu machen ist, so schreibe ja sogleich. Ich kann Dir vieles, was ich
versprochen hatte, heute nicht schreiben, weil ich in Arbeiten vergraben bin.
Ich werde bei der ersten Gelegenheit, da ich ein wenig freie Luft habe,
schreiben.

Melde mir ausführlich, wie Deine Messe abgelaufen. Die Aussicht für
den Handel ist überhaupt höchst betrübt, durch das schändliche Verfahren der
Engländer, und die Dummheit der Deutschen. Ich habe wieder etwas aufge¬
trieben, das unserer Bandfabrik vielleicht Kunden verschaft.

Ferner habe ich vor einigen Tagen eine Sammlung von physikalischen
Experimenten in die Hände bekommen, die ich Dir bei Gelegenheit zusenden
werde. Es ist da manches über Färberei, wovon ich nicht weiß, ob es Dir
nützen kann; aber es ist da ein Rezept zu schnellen Bleichen, das einige
Anlage, und etwas Menschenverstand erfordert, und Dir gewiß nüzlich seyn
könnte. Ich werde es selbst noch besser durchdenken, und dann mit meinen
Bemerkungen es Dir fehlten; kaufe daher nur nicht so viel weisses Garn, son¬
dern rohes.

Ich habe noch mancherlei sehr sichere Gedanken zur Verbesserung der
Bandfabriken, von denen ich nur zweifle, ob ich sie Dir schriftlich vortragen
kann. Hierüber ein andermal.

Die alte Uhr ist. glaub ich, des Postgeldes nicht werth. Sonst konnte
ich sie durch Schütteln, und Rütteln zum Gehen bringen; da ich sie das lezte-
mal sah, half auch dieses Mittel nicht mehr. Beruhige den guten Vater.
Eine Uhr soll er sicher von mir bekommen; ob es grade die aus dem alten
Eisen seyn wird, kann ich nicht versprechen. Lebe wohl, und grüsse Eltern,
und Geschwister. Dein treuer Bruder


I. G. F.

Du schreibst in Deinem lezten Briefe, daß Du 90 Thlr. in Frankfurt zu
*


22
28.

Jena, d, 18. 9br. 98.


Lieber Bruder,

So eben kehre ich meine Chatoulle bis auf den Boden, in welche ich
alles Gold und sächsische Geld, das ich seit meiner Rülkehr eingenommen, ge¬
worfen, und noch überdieß wechseln lassen, und finde nicht mehr, als das auf
beiliegenden Zettel bemerkte,......




Ueberhaupt, — plagt mich das Geldschiken bloß um der nicht beizutreibenden
Geldsorten willen; aber, sobald etwas notwendig gebraucht wird, oder wo ein
Vortheil zu machen ist, so schreibe ja sogleich. Ich kann Dir vieles, was ich
versprochen hatte, heute nicht schreiben, weil ich in Arbeiten vergraben bin.
Ich werde bei der ersten Gelegenheit, da ich ein wenig freie Luft habe,
schreiben.

Melde mir ausführlich, wie Deine Messe abgelaufen. Die Aussicht für
den Handel ist überhaupt höchst betrübt, durch das schändliche Verfahren der
Engländer, und die Dummheit der Deutschen. Ich habe wieder etwas aufge¬
trieben, das unserer Bandfabrik vielleicht Kunden verschaft.

Ferner habe ich vor einigen Tagen eine Sammlung von physikalischen
Experimenten in die Hände bekommen, die ich Dir bei Gelegenheit zusenden
werde. Es ist da manches über Färberei, wovon ich nicht weiß, ob es Dir
nützen kann; aber es ist da ein Rezept zu schnellen Bleichen, das einige
Anlage, und etwas Menschenverstand erfordert, und Dir gewiß nüzlich seyn
könnte. Ich werde es selbst noch besser durchdenken, und dann mit meinen
Bemerkungen es Dir fehlten; kaufe daher nur nicht so viel weisses Garn, son¬
dern rohes.

Ich habe noch mancherlei sehr sichere Gedanken zur Verbesserung der
Bandfabriken, von denen ich nur zweifle, ob ich sie Dir schriftlich vortragen
kann. Hierüber ein andermal.

Die alte Uhr ist. glaub ich, des Postgeldes nicht werth. Sonst konnte
ich sie durch Schütteln, und Rütteln zum Gehen bringen; da ich sie das lezte-
mal sah, half auch dieses Mittel nicht mehr. Beruhige den guten Vater.
Eine Uhr soll er sicher von mir bekommen; ob es grade die aus dem alten
Eisen seyn wird, kann ich nicht versprechen. Lebe wohl, und grüsse Eltern,
und Geschwister. Dein treuer Bruder


I. G. F.

Du schreibst in Deinem lezten Briefe, daß Du 90 Thlr. in Frankfurt zu
*


22
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0179" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/114493"/>
          </div>
          <div n="2">
            <head> 28.</head><lb/>
            <p xml:id="ID_758"> Jena, d, 18. 9br. 98.</p><lb/>
            <note type="salute"> Lieber Bruder,</note><lb/>
            <p xml:id="ID_759"> So eben kehre ich meine Chatoulle bis auf den Boden, in welche ich<lb/>
alles Gold und sächsische Geld, das ich seit meiner Rülkehr eingenommen, ge¬<lb/>
worfen, und noch überdieß wechseln lassen, und finde nicht mehr, als das auf<lb/>
beiliegenden Zettel bemerkte,......</p><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
            <p xml:id="ID_760"> Ueberhaupt, &#x2014; plagt mich das Geldschiken bloß um der nicht beizutreibenden<lb/>
Geldsorten willen; aber, sobald etwas notwendig gebraucht wird, oder wo ein<lb/>
Vortheil zu machen ist, so schreibe ja sogleich. Ich kann Dir vieles, was ich<lb/>
versprochen hatte, heute nicht schreiben, weil ich in Arbeiten vergraben bin.<lb/>
Ich werde bei der ersten Gelegenheit, da ich ein wenig freie Luft habe,<lb/>
schreiben.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_761"> Melde mir ausführlich, wie Deine Messe abgelaufen. Die Aussicht für<lb/>
den Handel ist überhaupt höchst betrübt, durch das schändliche Verfahren der<lb/>
Engländer, und die Dummheit der Deutschen. Ich habe wieder etwas aufge¬<lb/>
trieben, das unserer Bandfabrik vielleicht Kunden verschaft.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_762"> Ferner habe ich vor einigen Tagen eine Sammlung von physikalischen<lb/>
Experimenten in die Hände bekommen, die ich Dir bei Gelegenheit zusenden<lb/>
werde. Es ist da manches über Färberei, wovon ich nicht weiß, ob es Dir<lb/>
nützen kann; aber es ist da ein Rezept zu schnellen Bleichen, das einige<lb/>
Anlage, und etwas Menschenverstand erfordert, und Dir gewiß nüzlich seyn<lb/>
könnte. Ich werde es selbst noch besser durchdenken, und dann mit meinen<lb/>
Bemerkungen es Dir fehlten; kaufe daher nur nicht so viel weisses Garn, son¬<lb/>
dern rohes.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_763"> Ich habe noch mancherlei sehr sichere Gedanken zur Verbesserung der<lb/>
Bandfabriken, von denen ich nur zweifle, ob ich sie Dir schriftlich vortragen<lb/>
kann. Hierüber ein andermal.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_764"> Die alte Uhr ist. glaub ich, des Postgeldes nicht werth. Sonst konnte<lb/>
ich sie durch Schütteln, und Rütteln zum Gehen bringen; da ich sie das lezte-<lb/>
mal sah, half auch dieses Mittel nicht mehr. Beruhige den guten Vater.<lb/>
Eine Uhr soll er sicher von mir bekommen; ob es grade die aus dem alten<lb/>
Eisen seyn wird, kann ich nicht versprechen. Lebe wohl, und grüsse Eltern,<lb/>
und Geschwister. Dein treuer Bruder</p><lb/>
            <note type="bibl"> I. G. F.</note><lb/>
            <p xml:id="ID_765" next="#ID_766"> Du schreibst in Deinem lezten Briefe, daß Du 90 Thlr. in Frankfurt zu<lb/>
*</p><lb/>
            <fw type="sig" place="bottom"> 22</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0179] 28. Jena, d, 18. 9br. 98. Lieber Bruder, So eben kehre ich meine Chatoulle bis auf den Boden, in welche ich alles Gold und sächsische Geld, das ich seit meiner Rülkehr eingenommen, ge¬ worfen, und noch überdieß wechseln lassen, und finde nicht mehr, als das auf beiliegenden Zettel bemerkte,...... Ueberhaupt, — plagt mich das Geldschiken bloß um der nicht beizutreibenden Geldsorten willen; aber, sobald etwas notwendig gebraucht wird, oder wo ein Vortheil zu machen ist, so schreibe ja sogleich. Ich kann Dir vieles, was ich versprochen hatte, heute nicht schreiben, weil ich in Arbeiten vergraben bin. Ich werde bei der ersten Gelegenheit, da ich ein wenig freie Luft habe, schreiben. Melde mir ausführlich, wie Deine Messe abgelaufen. Die Aussicht für den Handel ist überhaupt höchst betrübt, durch das schändliche Verfahren der Engländer, und die Dummheit der Deutschen. Ich habe wieder etwas aufge¬ trieben, das unserer Bandfabrik vielleicht Kunden verschaft. Ferner habe ich vor einigen Tagen eine Sammlung von physikalischen Experimenten in die Hände bekommen, die ich Dir bei Gelegenheit zusenden werde. Es ist da manches über Färberei, wovon ich nicht weiß, ob es Dir nützen kann; aber es ist da ein Rezept zu schnellen Bleichen, das einige Anlage, und etwas Menschenverstand erfordert, und Dir gewiß nüzlich seyn könnte. Ich werde es selbst noch besser durchdenken, und dann mit meinen Bemerkungen es Dir fehlten; kaufe daher nur nicht so viel weisses Garn, son¬ dern rohes. Ich habe noch mancherlei sehr sichere Gedanken zur Verbesserung der Bandfabriken, von denen ich nur zweifle, ob ich sie Dir schriftlich vortragen kann. Hierüber ein andermal. Die alte Uhr ist. glaub ich, des Postgeldes nicht werth. Sonst konnte ich sie durch Schütteln, und Rütteln zum Gehen bringen; da ich sie das lezte- mal sah, half auch dieses Mittel nicht mehr. Beruhige den guten Vater. Eine Uhr soll er sicher von mir bekommen; ob es grade die aus dem alten Eisen seyn wird, kann ich nicht versprechen. Lebe wohl, und grüsse Eltern, und Geschwister. Dein treuer Bruder I. G. F. Du schreibst in Deinem lezten Briefe, daß Du 90 Thlr. in Frankfurt zu * 22

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/179
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/179>, abgerufen am 04.05.2024.