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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.

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Gott ferneres Unglük in Gnaden von Ihnen abwenden möge und Sie gesund und
bei dem Leben erhalten, damit Sie vorjetzo eine Stütze Ihres lieben Sohne
seyn mögen, welcher in etlichen Jahren zuverläßig Ihre Stütze werden wird.

Meine Frau und Tochter welche anferst betrübt über Ihr Unglük sind,
laßen Sie von Hertzen grüßen.


Ihr getreuer Freund
I. Gottl. F.


Piemont in den Jahren 1846 und t847.
i^2..

Warum hatte der König so rasch dem Erscheinen der italienischen Antho¬
logie seine Zustimmung gegeben? Ahnte, wußte er ihre geheimen politischen
Zwecke? war er insgeheim mit ihnen einverstanden? Gewiß ist, daß zu gleicher
Zeit, die Discussion mehrer an sich materieller Fragen eine Wendung genommen
hatte, die über kurz oder lang einen Bruch mit Oestreich voraussehen ließ, und
wobei der König eine ungewohnte Festigkeit schien an den Tag legen zu wollen.
Es waren dies die Eisenbahn-, die Salz- und die Wcinfrage. Vorspiele zu dem
bevorstehenden Kampf auf Leben und Tod zwischen Piemont und Oestreich.

Die Eisenbahnfrage, wie sie damals in Piemont gestellt und besprochen
wurde, war nicht rein ökonomischer oder commercieller Natur: sie schloß zugleich
in hohem Grad politische Interessen ein. Es handelte sich darum, ob man dem
Aufschwung Triests b, h. dem wachsenden maritimen Uebergewicht Oestreichs
im adriatischen Meer unthätig zusehen oder ein wirksames Hemmniß in den Weg
legen solle. Es lag also ein handgreifliches nationales Interesse vor, und Karl
Albert war entschlossen es zu wahren. Der Plan, wie er von ihm betrieben
wurde, war zunächst, eine Bahn von Genua nach der Schweiz zu bauen, die
dann durch letzteres Land weiter geführt würde. Damit war der ersten Hafen¬
stadt des Reichs ein mächtiger Aufschwung gesichert, Triest der Rang abge¬
laufen. Darum wurden auch die Ersparnisse, welche Karl Albert für einen
künftigen Krieg mit Oestreich gemacht hatte, für diesen Zweck bestimmt, was
freilich nach wenigen Jahren bei dem jähen Verlauf der Ereignisse, welche die
Kassen leer fanden, verhängnißvoll genug wurde. Rasch wurden die Vorarbei¬
ten getroffen, das Terrain untersucht, - englische und holländische Ingenieure


Gott ferneres Unglük in Gnaden von Ihnen abwenden möge und Sie gesund und
bei dem Leben erhalten, damit Sie vorjetzo eine Stütze Ihres lieben Sohne
seyn mögen, welcher in etlichen Jahren zuverläßig Ihre Stütze werden wird.

Meine Frau und Tochter welche anferst betrübt über Ihr Unglük sind,
laßen Sie von Hertzen grüßen.


Ihr getreuer Freund
I. Gottl. F.


Piemont in den Jahren 1846 und t847.
i^2..

Warum hatte der König so rasch dem Erscheinen der italienischen Antho¬
logie seine Zustimmung gegeben? Ahnte, wußte er ihre geheimen politischen
Zwecke? war er insgeheim mit ihnen einverstanden? Gewiß ist, daß zu gleicher
Zeit, die Discussion mehrer an sich materieller Fragen eine Wendung genommen
hatte, die über kurz oder lang einen Bruch mit Oestreich voraussehen ließ, und
wobei der König eine ungewohnte Festigkeit schien an den Tag legen zu wollen.
Es waren dies die Eisenbahn-, die Salz- und die Wcinfrage. Vorspiele zu dem
bevorstehenden Kampf auf Leben und Tod zwischen Piemont und Oestreich.

Die Eisenbahnfrage, wie sie damals in Piemont gestellt und besprochen
wurde, war nicht rein ökonomischer oder commercieller Natur: sie schloß zugleich
in hohem Grad politische Interessen ein. Es handelte sich darum, ob man dem
Aufschwung Triests b, h. dem wachsenden maritimen Uebergewicht Oestreichs
im adriatischen Meer unthätig zusehen oder ein wirksames Hemmniß in den Weg
legen solle. Es lag also ein handgreifliches nationales Interesse vor, und Karl
Albert war entschlossen es zu wahren. Der Plan, wie er von ihm betrieben
wurde, war zunächst, eine Bahn von Genua nach der Schweiz zu bauen, die
dann durch letzteres Land weiter geführt würde. Damit war der ersten Hafen¬
stadt des Reichs ein mächtiger Aufschwung gesichert, Triest der Rang abge¬
laufen. Darum wurden auch die Ersparnisse, welche Karl Albert für einen
künftigen Krieg mit Oestreich gemacht hatte, für diesen Zweck bestimmt, was
freilich nach wenigen Jahren bei dem jähen Verlauf der Ereignisse, welche die
Kassen leer fanden, verhängnißvoll genug wurde. Rasch wurden die Vorarbei¬
ten getroffen, das Terrain untersucht, - englische und holländische Ingenieure


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[0238] Gott ferneres Unglük in Gnaden von Ihnen abwenden möge und Sie gesund und bei dem Leben erhalten, damit Sie vorjetzo eine Stütze Ihres lieben Sohne seyn mögen, welcher in etlichen Jahren zuverläßig Ihre Stütze werden wird. Meine Frau und Tochter welche anferst betrübt über Ihr Unglük sind, laßen Sie von Hertzen grüßen. Ihr getreuer Freund I. Gottl. F. Piemont in den Jahren 1846 und t847. i^2.. Warum hatte der König so rasch dem Erscheinen der italienischen Antho¬ logie seine Zustimmung gegeben? Ahnte, wußte er ihre geheimen politischen Zwecke? war er insgeheim mit ihnen einverstanden? Gewiß ist, daß zu gleicher Zeit, die Discussion mehrer an sich materieller Fragen eine Wendung genommen hatte, die über kurz oder lang einen Bruch mit Oestreich voraussehen ließ, und wobei der König eine ungewohnte Festigkeit schien an den Tag legen zu wollen. Es waren dies die Eisenbahn-, die Salz- und die Wcinfrage. Vorspiele zu dem bevorstehenden Kampf auf Leben und Tod zwischen Piemont und Oestreich. Die Eisenbahnfrage, wie sie damals in Piemont gestellt und besprochen wurde, war nicht rein ökonomischer oder commercieller Natur: sie schloß zugleich in hohem Grad politische Interessen ein. Es handelte sich darum, ob man dem Aufschwung Triests b, h. dem wachsenden maritimen Uebergewicht Oestreichs im adriatischen Meer unthätig zusehen oder ein wirksames Hemmniß in den Weg legen solle. Es lag also ein handgreifliches nationales Interesse vor, und Karl Albert war entschlossen es zu wahren. Der Plan, wie er von ihm betrieben wurde, war zunächst, eine Bahn von Genua nach der Schweiz zu bauen, die dann durch letzteres Land weiter geführt würde. Damit war der ersten Hafen¬ stadt des Reichs ein mächtiger Aufschwung gesichert, Triest der Rang abge¬ laufen. Darum wurden auch die Ersparnisse, welche Karl Albert für einen künftigen Krieg mit Oestreich gemacht hatte, für diesen Zweck bestimmt, was freilich nach wenigen Jahren bei dem jähen Verlauf der Ereignisse, welche die Kassen leer fanden, verhängnißvoll genug wurde. Rasch wurden die Vorarbei¬ ten getroffen, das Terrain untersucht, - englische und holländische Ingenieure

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/238>, abgerufen am 04.05.2024.