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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band.

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den in dem Grade im Werthe steigen, als Preußen in seiner bloßen Negation
verharrt. Hätte es zur rechten Zeit die Initiative zur Schaffung eines Zoll-
Parlaments ergriffen, so hätte dieser Schritt auch in Schwaden auf allgemeine
Zustimmung rechnen dürfen, es wäre ein bedeutsamer Vorgang für die Lösung
der deutschen Frage gewesen, und die ganze jetzige Krisis wäre dadurch ver¬
mieden worden, denn gestützt auf das Zollparlament hätte Preußen den Wider¬
spruch der Regierungen oder einzelner Landschaften nicht zu fürchten gehabt.
Heute, nachdem die Gegensätze bereits auf einander geplatzt sind, ist es mehr
als zweifelhaft, ob das Zollparlament die bestehenden Schwierigkeiten beseitigen
würde, es würde auch auf keinen Dank in Süddeutschland mehr rechnen dürfen,
wo man in wirklichem oder affectirtem Trotze mehr und mehr in dem Gedanken
an eine Auflösung des Zollvereinsbandes und an eine Zolleinigung der süd¬
deutschen Staaten mit Oestreich sich gefällt.

Noch ist nicht alles verloren, aber vieles wieder gut zu machen. Es ist
nicht genttg, daß Preußen entschieden auf dem von ihm eingeschlagenen handels¬
politischen Wege beharrt, um den Widerstand der Minorität der Zollvereins¬
staaten zu überwinden. Die Kraft des letzteren ist nicht zu unterschätzen, er
dürste sich nur zum völligen Bruche steigern, wenn Preußen mit der handels¬
politischen nicht zugleich seiner politischen Aufgabe gerecht wird. Nur wenn
Preußen die nationalen Elemente des deutschen Volkes wieder für sich gewinnt
und auf sie gestützt eine wahrhaft deutsche Politik treibt, wird sich vermeiden
lassen, was das größte Nationalunglück wäre, aber deutlich im Hintergrund der
jetzigen Kämpfe droht: -- die handelspolitische, später die politische Trennung
Deutschlands durch die Mainlinie.




Die östreichische Reiterei.

Keine Truppe der östreichischen Armee ist seit ihrem Bestehen in ihrem
Geiste, ihrem Wirken, ihren innern Institutionen, ihren Tugenden und Vor¬
zügen, aber auch in ihren Mängeln und Schattenseiten so unverändert geblie¬
ben, als die Reiterei. Sie unterscheidet sich mehr als irgend ein anderer Be¬
standtheil des Heeres von den gleichnamigen Truppen aller andern Staaten


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den in dem Grade im Werthe steigen, als Preußen in seiner bloßen Negation
verharrt. Hätte es zur rechten Zeit die Initiative zur Schaffung eines Zoll-
Parlaments ergriffen, so hätte dieser Schritt auch in Schwaden auf allgemeine
Zustimmung rechnen dürfen, es wäre ein bedeutsamer Vorgang für die Lösung
der deutschen Frage gewesen, und die ganze jetzige Krisis wäre dadurch ver¬
mieden worden, denn gestützt auf das Zollparlament hätte Preußen den Wider¬
spruch der Regierungen oder einzelner Landschaften nicht zu fürchten gehabt.
Heute, nachdem die Gegensätze bereits auf einander geplatzt sind, ist es mehr
als zweifelhaft, ob das Zollparlament die bestehenden Schwierigkeiten beseitigen
würde, es würde auch auf keinen Dank in Süddeutschland mehr rechnen dürfen,
wo man in wirklichem oder affectirtem Trotze mehr und mehr in dem Gedanken
an eine Auflösung des Zollvereinsbandes und an eine Zolleinigung der süd¬
deutschen Staaten mit Oestreich sich gefällt.

Noch ist nicht alles verloren, aber vieles wieder gut zu machen. Es ist
nicht genttg, daß Preußen entschieden auf dem von ihm eingeschlagenen handels¬
politischen Wege beharrt, um den Widerstand der Minorität der Zollvereins¬
staaten zu überwinden. Die Kraft des letzteren ist nicht zu unterschätzen, er
dürste sich nur zum völligen Bruche steigern, wenn Preußen mit der handels¬
politischen nicht zugleich seiner politischen Aufgabe gerecht wird. Nur wenn
Preußen die nationalen Elemente des deutschen Volkes wieder für sich gewinnt
und auf sie gestützt eine wahrhaft deutsche Politik treibt, wird sich vermeiden
lassen, was das größte Nationalunglück wäre, aber deutlich im Hintergrund der
jetzigen Kämpfe droht: — die handelspolitische, später die politische Trennung
Deutschlands durch die Mainlinie.




Die östreichische Reiterei.

Keine Truppe der östreichischen Armee ist seit ihrem Bestehen in ihrem
Geiste, ihrem Wirken, ihren innern Institutionen, ihren Tugenden und Vor¬
zügen, aber auch in ihren Mängeln und Schattenseiten so unverändert geblie¬
ben, als die Reiterei. Sie unterscheidet sich mehr als irgend ein anderer Be¬
standtheil des Heeres von den gleichnamigen Truppen aller andern Staaten


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[0379] den in dem Grade im Werthe steigen, als Preußen in seiner bloßen Negation verharrt. Hätte es zur rechten Zeit die Initiative zur Schaffung eines Zoll- Parlaments ergriffen, so hätte dieser Schritt auch in Schwaden auf allgemeine Zustimmung rechnen dürfen, es wäre ein bedeutsamer Vorgang für die Lösung der deutschen Frage gewesen, und die ganze jetzige Krisis wäre dadurch ver¬ mieden worden, denn gestützt auf das Zollparlament hätte Preußen den Wider¬ spruch der Regierungen oder einzelner Landschaften nicht zu fürchten gehabt. Heute, nachdem die Gegensätze bereits auf einander geplatzt sind, ist es mehr als zweifelhaft, ob das Zollparlament die bestehenden Schwierigkeiten beseitigen würde, es würde auch auf keinen Dank in Süddeutschland mehr rechnen dürfen, wo man in wirklichem oder affectirtem Trotze mehr und mehr in dem Gedanken an eine Auflösung des Zollvereinsbandes und an eine Zolleinigung der süd¬ deutschen Staaten mit Oestreich sich gefällt. Noch ist nicht alles verloren, aber vieles wieder gut zu machen. Es ist nicht genttg, daß Preußen entschieden auf dem von ihm eingeschlagenen handels¬ politischen Wege beharrt, um den Widerstand der Minorität der Zollvereins¬ staaten zu überwinden. Die Kraft des letzteren ist nicht zu unterschätzen, er dürste sich nur zum völligen Bruche steigern, wenn Preußen mit der handels¬ politischen nicht zugleich seiner politischen Aufgabe gerecht wird. Nur wenn Preußen die nationalen Elemente des deutschen Volkes wieder für sich gewinnt und auf sie gestützt eine wahrhaft deutsche Politik treibt, wird sich vermeiden lassen, was das größte Nationalunglück wäre, aber deutlich im Hintergrund der jetzigen Kämpfe droht: — die handelspolitische, später die politische Trennung Deutschlands durch die Mainlinie. Die östreichische Reiterei. Keine Truppe der östreichischen Armee ist seit ihrem Bestehen in ihrem Geiste, ihrem Wirken, ihren innern Institutionen, ihren Tugenden und Vor¬ zügen, aber auch in ihren Mängeln und Schattenseiten so unverändert geblie¬ ben, als die Reiterei. Sie unterscheidet sich mehr als irgend ein anderer Be¬ standtheil des Heeres von den gleichnamigen Truppen aller andern Staaten 47"

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114313/379>, abgerufen am 05.05.2024.