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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

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Mal, daß er den Monarchen sprach. ..Ich ging." 'so sagt das Tagebuch, "so
verletzten Gefühls hinweg, daß mir alles Persönliche des Verhältnisses für im¬
mer zerrissen erschien, was später nicht ohne Einfluß auf meine Entschließung
war, als eine andere wichtige Entscheidung getroffen werden mußte."

Als Willisen seiner neuen Bestimmung zureiste, schien Oestreich in voller
Auflösung begriffen. Italien fast verloren, Ungarn im Begriff sich loszureißen,
Polen und Böhmen sehr unsicher, die deutschen Provinzen im Aufruhr -- man
sonnte damals in der That auf eine Neugestaltung Deutschlands hoffen, und
ein Schimmer von solcher Hoffnung begleitete auch den Reisenden eine kurze
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"Wird, wenn Oestreich zusammenbricht, Preußen davon Gewinn haben,
Deutschland sich eine haltbare, seinen Interessen entsprechendere Form geben? fragte
ich mich. Wenn jede neue geschichtliche Gestaltung nach der Persönlichkeit fragt,
die zu dem für sie angesammelten Stoff das schöpferische Werde sprechen soll,
so scheiterte Alles, was ich in dieser Richtung denken konnte, an dieser Frage.
Was ich auch vor mir aufsteigen sah, ein großes Preußen auf den Trümmern
Oestreichs, ein neues Deutschland mit preußischer Spitze, wie leicht es damals
auch auszuführen schien, wie sehr es von den Umständen geboten war, alle
Verwirklichung solcher Gedanken brach sich an der Frage: wer soll es thun?
wer hat die Kraft und den Willen dazu? Nur Einer war durch seine Stellung
berufen dazu, und ich wußte nur zu wohl, daß von dem nichts zu erwarten
war, was einen kühnen Entschluß und ausdauerndes Wollen erforderte. So
gab ich selbst bald alle Gedanken auf, die auf ein Bestimmtes hinausliefen.
Vogue in Miere war Alles, was ich denken konnte."




Vermischte Literatur.
Aus dem Leben Paganini's. Von Leon Escudier. Leipzig, I. A. Bcrgson-
Sonenberg. 1862.

Nach den Memoiren einer Dame, die den berühmten Geigenspieler auf seinen
Reisen begleitet, und Aufzeichnungen Paganini's selbst bearbeitet. Die einzelnen Züge
des Bildes vielfach von Interesse, doch zu fragmentarisch und zuweilen (vergl, das
Abenteuer im Schwarzen Schlosse) zu sehr in novellistischen Ton verfallend, um ein
gutes Porträt zu geben.


Mal, daß er den Monarchen sprach. ..Ich ging." 'so sagt das Tagebuch, „so
verletzten Gefühls hinweg, daß mir alles Persönliche des Verhältnisses für im¬
mer zerrissen erschien, was später nicht ohne Einfluß auf meine Entschließung
war, als eine andere wichtige Entscheidung getroffen werden mußte."

Als Willisen seiner neuen Bestimmung zureiste, schien Oestreich in voller
Auflösung begriffen. Italien fast verloren, Ungarn im Begriff sich loszureißen,
Polen und Böhmen sehr unsicher, die deutschen Provinzen im Aufruhr — man
sonnte damals in der That auf eine Neugestaltung Deutschlands hoffen, und
ein Schimmer von solcher Hoffnung begleitete auch den Reisenden eine kurze
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„Wird, wenn Oestreich zusammenbricht, Preußen davon Gewinn haben,
Deutschland sich eine haltbare, seinen Interessen entsprechendere Form geben? fragte
ich mich. Wenn jede neue geschichtliche Gestaltung nach der Persönlichkeit fragt,
die zu dem für sie angesammelten Stoff das schöpferische Werde sprechen soll,
so scheiterte Alles, was ich in dieser Richtung denken konnte, an dieser Frage.
Was ich auch vor mir aufsteigen sah, ein großes Preußen auf den Trümmern
Oestreichs, ein neues Deutschland mit preußischer Spitze, wie leicht es damals
auch auszuführen schien, wie sehr es von den Umständen geboten war, alle
Verwirklichung solcher Gedanken brach sich an der Frage: wer soll es thun?
wer hat die Kraft und den Willen dazu? Nur Einer war durch seine Stellung
berufen dazu, und ich wußte nur zu wohl, daß von dem nichts zu erwarten
war, was einen kühnen Entschluß und ausdauerndes Wollen erforderte. So
gab ich selbst bald alle Gedanken auf, die auf ein Bestimmtes hinausliefen.
Vogue in Miere war Alles, was ich denken konnte."




Vermischte Literatur.
Aus dem Leben Paganini's. Von Leon Escudier. Leipzig, I. A. Bcrgson-
Sonenberg. 1862.

Nach den Memoiren einer Dame, die den berühmten Geigenspieler auf seinen
Reisen begleitet, und Aufzeichnungen Paganini's selbst bearbeitet. Die einzelnen Züge
des Bildes vielfach von Interesse, doch zu fragmentarisch und zuweilen (vergl, das
Abenteuer im Schwarzen Schlosse) zu sehr in novellistischen Ton verfallend, um ein
gutes Porträt zu geben.


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[0207] Mal, daß er den Monarchen sprach. ..Ich ging." 'so sagt das Tagebuch, „so verletzten Gefühls hinweg, daß mir alles Persönliche des Verhältnisses für im¬ mer zerrissen erschien, was später nicht ohne Einfluß auf meine Entschließung war, als eine andere wichtige Entscheidung getroffen werden mußte." Als Willisen seiner neuen Bestimmung zureiste, schien Oestreich in voller Auflösung begriffen. Italien fast verloren, Ungarn im Begriff sich loszureißen, Polen und Böhmen sehr unsicher, die deutschen Provinzen im Aufruhr — man sonnte damals in der That auf eine Neugestaltung Deutschlands hoffen, und ein Schimmer von solcher Hoffnung begleitete auch den Reisenden eine kurze H«t.<bli"«»e-u1 »«4ttoW .lahm H, .n>«i(.ii,-j !U.< ,-,a ichKk Weh,,,«! „Wird, wenn Oestreich zusammenbricht, Preußen davon Gewinn haben, Deutschland sich eine haltbare, seinen Interessen entsprechendere Form geben? fragte ich mich. Wenn jede neue geschichtliche Gestaltung nach der Persönlichkeit fragt, die zu dem für sie angesammelten Stoff das schöpferische Werde sprechen soll, so scheiterte Alles, was ich in dieser Richtung denken konnte, an dieser Frage. Was ich auch vor mir aufsteigen sah, ein großes Preußen auf den Trümmern Oestreichs, ein neues Deutschland mit preußischer Spitze, wie leicht es damals auch auszuführen schien, wie sehr es von den Umständen geboten war, alle Verwirklichung solcher Gedanken brach sich an der Frage: wer soll es thun? wer hat die Kraft und den Willen dazu? Nur Einer war durch seine Stellung berufen dazu, und ich wußte nur zu wohl, daß von dem nichts zu erwarten war, was einen kühnen Entschluß und ausdauerndes Wollen erforderte. So gab ich selbst bald alle Gedanken auf, die auf ein Bestimmtes hinausliefen. Vogue in Miere war Alles, was ich denken konnte." Vermischte Literatur. Aus dem Leben Paganini's. Von Leon Escudier. Leipzig, I. A. Bcrgson- Sonenberg. 1862. Nach den Memoiren einer Dame, die den berühmten Geigenspieler auf seinen Reisen begleitet, und Aufzeichnungen Paganini's selbst bearbeitet. Die einzelnen Züge des Bildes vielfach von Interesse, doch zu fragmentarisch und zuweilen (vergl, das Abenteuer im Schwarzen Schlosse) zu sehr in novellistischen Ton verfallend, um ein gutes Porträt zu geben.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/207>, abgerufen am 28.04.2024.