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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

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Hermann Niemeyer und der Philolog Meyer theilnahmen. Von den Hallischen
Jahrbüchern, die Kirchner sehr lobte, kam man auf Ruges Vergangenheit zu sprechen,
und Meyer fragte Kirchner, er habe wohl schon auf der Schule seine Noth mit
jenem gehabt, worauf Kirchner erwiderte, keineswegs, er sei ein offner und leb¬
hafter Jüngling gewesen. "Da die Heuchelei einmal Trumpf war" -- erzählt Rüge
weiter -- "so sagte ich: der Herr Rector hat immer eine lebhafte Theilnahme gezeigt
für das Ideale und die Ideale einer bewegten Zeit, wie die von 1819, als ich sein
Schüler war, und wie die jetzige wieder ist. Ich bin daher gar nicht überrascht,
daß er auch an den Jahrbüchern einen regen Antheil nimmt, die ja nur die Idee
verwirklichen wollen, zu der es die Zeit gebracht hat. -- Nun, da kommen wir
zusammen, sagte Meyer, nahm sein Glas, hielt eine kurze Rede und schloß sie mit
dem Trinkspruchl Die sieben Göttinger Professoren! Wir erhoben uns Alle
und stießen mit ihm an; nur der Rector von Pforta fand dies zu stark und sagte
Nein, nicht die Sieben! Trinken wir auf die sieben Weisen Griechenlands!"
-- Schallendes Gelächter, unauslöschliche Heiterkeit. Niemeyer brach einmal übers
andere in die Worte aus: das ist in der That classisch. Hätt' es nicht geglaubt,
wenn ichs nicht erlebt hätte! Was würde er erst gesagt haben, hätte er Kenntniß
von der Rede des würdigen Herrn Rectors über den "heldenmüthigen Jüngling"
von 1819 gehabt! --


Weihnachtsliteratur. Erlebtes und Erzähltes für heranwachsende
Mädchen von Aurelie. Wien. Rudolf Lechner.

Die Weihnachtsgabe der wohlbekannten Kinderfreundin, deren Festgaben einer
fröhlichen Ausnahme sicher sind, enthält kleine Novellen, Bilder, Charakteristiken und
Betrachtungen, wie sie den heranwachsenden Töchtern am willkommensten sein
müssen. Feine Empfindung für die Bedürfnisse des jugendlichen Geistes und Herzens,
gute Auswahl des Belehrenden und Interessanten, gefällige Anordnung zeichnen
das Buch vor vielen ähnlichen aus. Unter den Beiträgen, welche die Herausgeben"
selbst gearbeitet hat, ist eine kleine Erzählung "der Wunschzettel besonders charak¬
teristisch für ihr schönes Talent, Stimmungen und Wandlungen der weiblichen
Seele in einer Fülle hübsch erfundener kleiner Züge lebendig darzustellen. Was
uns aber j"des ihrer Bücher besonders werth macht, ist die innere Freiheit ihrer
eigenen Seele, die ehrliche Unbefangenheit und rücksichtslose Wahrhaftigkeit, mit
welcher sie menschliche Verhältnisse beurtheilt.






Verantwortlicher Redacteur: I)r. Moritz Busch-
Verlag vo.> F. Herbig. -- Druck von C. E. Elbert in Leipzig.

Hermann Niemeyer und der Philolog Meyer theilnahmen. Von den Hallischen
Jahrbüchern, die Kirchner sehr lobte, kam man auf Ruges Vergangenheit zu sprechen,
und Meyer fragte Kirchner, er habe wohl schon auf der Schule seine Noth mit
jenem gehabt, worauf Kirchner erwiderte, keineswegs, er sei ein offner und leb¬
hafter Jüngling gewesen. „Da die Heuchelei einmal Trumpf war" — erzählt Rüge
weiter — „so sagte ich: der Herr Rector hat immer eine lebhafte Theilnahme gezeigt
für das Ideale und die Ideale einer bewegten Zeit, wie die von 1819, als ich sein
Schüler war, und wie die jetzige wieder ist. Ich bin daher gar nicht überrascht,
daß er auch an den Jahrbüchern einen regen Antheil nimmt, die ja nur die Idee
verwirklichen wollen, zu der es die Zeit gebracht hat. — Nun, da kommen wir
zusammen, sagte Meyer, nahm sein Glas, hielt eine kurze Rede und schloß sie mit
dem Trinkspruchl Die sieben Göttinger Professoren! Wir erhoben uns Alle
und stießen mit ihm an; nur der Rector von Pforta fand dies zu stark und sagte
Nein, nicht die Sieben! Trinken wir auf die sieben Weisen Griechenlands!"
— Schallendes Gelächter, unauslöschliche Heiterkeit. Niemeyer brach einmal übers
andere in die Worte aus: das ist in der That classisch. Hätt' es nicht geglaubt,
wenn ichs nicht erlebt hätte! Was würde er erst gesagt haben, hätte er Kenntniß
von der Rede des würdigen Herrn Rectors über den „heldenmüthigen Jüngling"
von 1819 gehabt! —


Weihnachtsliteratur. Erlebtes und Erzähltes für heranwachsende
Mädchen von Aurelie. Wien. Rudolf Lechner.

Die Weihnachtsgabe der wohlbekannten Kinderfreundin, deren Festgaben einer
fröhlichen Ausnahme sicher sind, enthält kleine Novellen, Bilder, Charakteristiken und
Betrachtungen, wie sie den heranwachsenden Töchtern am willkommensten sein
müssen. Feine Empfindung für die Bedürfnisse des jugendlichen Geistes und Herzens,
gute Auswahl des Belehrenden und Interessanten, gefällige Anordnung zeichnen
das Buch vor vielen ähnlichen aus. Unter den Beiträgen, welche die Herausgeben»
selbst gearbeitet hat, ist eine kleine Erzählung „der Wunschzettel besonders charak¬
teristisch für ihr schönes Talent, Stimmungen und Wandlungen der weiblichen
Seele in einer Fülle hübsch erfundener kleiner Züge lebendig darzustellen. Was
uns aber j«des ihrer Bücher besonders werth macht, ist die innere Freiheit ihrer
eigenen Seele, die ehrliche Unbefangenheit und rücksichtslose Wahrhaftigkeit, mit
welcher sie menschliche Verhältnisse beurtheilt.






Verantwortlicher Redacteur: I)r. Moritz Busch-
Verlag vo.> F. Herbig. — Druck von C. E. Elbert in Leipzig.
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[0532] Hermann Niemeyer und der Philolog Meyer theilnahmen. Von den Hallischen Jahrbüchern, die Kirchner sehr lobte, kam man auf Ruges Vergangenheit zu sprechen, und Meyer fragte Kirchner, er habe wohl schon auf der Schule seine Noth mit jenem gehabt, worauf Kirchner erwiderte, keineswegs, er sei ein offner und leb¬ hafter Jüngling gewesen. „Da die Heuchelei einmal Trumpf war" — erzählt Rüge weiter — „so sagte ich: der Herr Rector hat immer eine lebhafte Theilnahme gezeigt für das Ideale und die Ideale einer bewegten Zeit, wie die von 1819, als ich sein Schüler war, und wie die jetzige wieder ist. Ich bin daher gar nicht überrascht, daß er auch an den Jahrbüchern einen regen Antheil nimmt, die ja nur die Idee verwirklichen wollen, zu der es die Zeit gebracht hat. — Nun, da kommen wir zusammen, sagte Meyer, nahm sein Glas, hielt eine kurze Rede und schloß sie mit dem Trinkspruchl Die sieben Göttinger Professoren! Wir erhoben uns Alle und stießen mit ihm an; nur der Rector von Pforta fand dies zu stark und sagte Nein, nicht die Sieben! Trinken wir auf die sieben Weisen Griechenlands!" — Schallendes Gelächter, unauslöschliche Heiterkeit. Niemeyer brach einmal übers andere in die Worte aus: das ist in der That classisch. Hätt' es nicht geglaubt, wenn ichs nicht erlebt hätte! Was würde er erst gesagt haben, hätte er Kenntniß von der Rede des würdigen Herrn Rectors über den „heldenmüthigen Jüngling" von 1819 gehabt! — Weihnachtsliteratur. Erlebtes und Erzähltes für heranwachsende Mädchen von Aurelie. Wien. Rudolf Lechner. Die Weihnachtsgabe der wohlbekannten Kinderfreundin, deren Festgaben einer fröhlichen Ausnahme sicher sind, enthält kleine Novellen, Bilder, Charakteristiken und Betrachtungen, wie sie den heranwachsenden Töchtern am willkommensten sein müssen. Feine Empfindung für die Bedürfnisse des jugendlichen Geistes und Herzens, gute Auswahl des Belehrenden und Interessanten, gefällige Anordnung zeichnen das Buch vor vielen ähnlichen aus. Unter den Beiträgen, welche die Herausgeben» selbst gearbeitet hat, ist eine kleine Erzählung „der Wunschzettel besonders charak¬ teristisch für ihr schönes Talent, Stimmungen und Wandlungen der weiblichen Seele in einer Fülle hübsch erfundener kleiner Züge lebendig darzustellen. Was uns aber j«des ihrer Bücher besonders werth macht, ist die innere Freiheit ihrer eigenen Seele, die ehrliche Unbefangenheit und rücksichtslose Wahrhaftigkeit, mit welcher sie menschliche Verhältnisse beurtheilt. Verantwortlicher Redacteur: I)r. Moritz Busch- Verlag vo.> F. Herbig. — Druck von C. E. Elbert in Leipzig.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/532>, abgerufen am 29.04.2024.