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Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band.

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fasser der Gcscheidtcste von allen, folgendermaßen: "Ich weiß ein Band, welches
alle deutschen Fürsten und Völker stark und heilig zusammenhalten kann. Dieses
Band kann ein deutscher Fürst ohne Mühe und Gewalt wie mit einem Zauberschlag
hervorrufen und Millionen Herzen gewinnen. Er darf nur in allen seinen öffent¬
lichen Urkunden oben an setzen: Deutscher Bund, oder Deutschland. Dann folge
der Name seines Reiches oder Fürstenthums, das ihm Gott zu regieren anvertraut
hat. Dieses Wort würde zum schirmenden Engel für alle deutschen Stämme und
zur furchtbar dräuenden Riesengestalt werden für den Fremden, der sich scheuen
würde, sie zu beleidigen." Folgt dann eine geistreiche Widerlegung der Kaiscridee
und Empfehlung der Trias. "An diesem Dreibünde bricht sich die Sturmcswvge
der List und Gewalt. Oestreich und Preußen mit Bayern als dem Vertreter und
Hort (Hegemon) der Selbständigkeit der mittlern und kleinern Staaten Deutschlands."
Dann Empfehlung des deutschen Bundes als ,,der Wiege des ewigen Friedens", der,
nachdem ihm die Schweiz, Belgien, Holland und Skandinavien freiwillig beigetreten
sind, die allgemeine Entwaffnung erzwingt. Zuletzt allgemeine Begeisterung, behag¬
lichstes Wohlgefallen, das in dem Toast gipfelt: "Hoch der deutsche Bund! Hoch
dem wahren deutschen Kaiser >-- der Einigkeit!" -- Wie wir uns jene Alterthüm-
lichkeit mit dieser Kindlichkeit vereinigen? Nun, die Geschichten werden von einem
alten Herrn sein, der seinem Söhnchen, einem bayerischen Karlchen Miesnik, die
Erlaubniß gab, einige seiner Schulpcnsa in den Text des Herrn Vaters einzuschalten.
Natürlich wählte der Knabe, was eben Mode, also patriotische Phantasien.


Drei Novellen von Adelheid v. An er. -- Hamburg, Verlag von Boyes und
Geister. 1862.

Ein recht hübsches frisches Erzählcrtalent. Besonders die erste der drei No¬
vellen "Brillanten vom reinsten Wässer" wird Vielen, vorzüglich Frauen, Wohlgefallen.


Mein Eden. Eine Münchener Geschichte aus den Zeiten Karl Theodors. Von
Hermann Schmid. München, 1862". E. A. Fleischmanns Buchhandlung.

Spielt in den letzten Regierungsjahren des genannten Kurfürsten, wo die Illu-
minaten verfolgt wurden und eine Partei am Hofe gegen den Willen des Volkes
das Land östreichisch machen wollte. Das Colorit der Periode ist nicht übel getrof¬
fen, einzelne Partieen sind gut erzählt. Als Ganzes aber gehört der Roman zu
dem vielen Mittelgut der heutigen Belletristik. Ebendahin gehören die "Novellen"
von I. M. Hutterus (Iserlohn, I. Bädccker). "In ernsten und heitern Stunden"
von Dr. R. Hase (Weimar, T. F. A. Kühn) und die "Memoiren eines sechzehn¬
jähriger Mädchens" von Elise Halm (Berlin, I. Springer). Auch der dreibändige
Roman "Oberndorf" von Robert Prutz (Leipzig, F. A. Brockhaus) .erhebt sich nur
wenig über diese Kategorie. Durch alle Charaktere, gute und schlechte, geht ein
kränkliches, zwieschlächtigcs Wesen, und was schlimmer ist, an keinen vermag man
recht zu glauben.




Verantwortlicher Redacteur: Dr. Moritz Busch.
Verlag von F. L. Herbig. -- Druck von C. E. Elbert in Leipzig.

fasser der Gcscheidtcste von allen, folgendermaßen: „Ich weiß ein Band, welches
alle deutschen Fürsten und Völker stark und heilig zusammenhalten kann. Dieses
Band kann ein deutscher Fürst ohne Mühe und Gewalt wie mit einem Zauberschlag
hervorrufen und Millionen Herzen gewinnen. Er darf nur in allen seinen öffent¬
lichen Urkunden oben an setzen: Deutscher Bund, oder Deutschland. Dann folge
der Name seines Reiches oder Fürstenthums, das ihm Gott zu regieren anvertraut
hat. Dieses Wort würde zum schirmenden Engel für alle deutschen Stämme und
zur furchtbar dräuenden Riesengestalt werden für den Fremden, der sich scheuen
würde, sie zu beleidigen." Folgt dann eine geistreiche Widerlegung der Kaiscridee
und Empfehlung der Trias. „An diesem Dreibünde bricht sich die Sturmcswvge
der List und Gewalt. Oestreich und Preußen mit Bayern als dem Vertreter und
Hort (Hegemon) der Selbständigkeit der mittlern und kleinern Staaten Deutschlands."
Dann Empfehlung des deutschen Bundes als ,,der Wiege des ewigen Friedens", der,
nachdem ihm die Schweiz, Belgien, Holland und Skandinavien freiwillig beigetreten
sind, die allgemeine Entwaffnung erzwingt. Zuletzt allgemeine Begeisterung, behag¬
lichstes Wohlgefallen, das in dem Toast gipfelt: „Hoch der deutsche Bund! Hoch
dem wahren deutschen Kaiser >— der Einigkeit!" — Wie wir uns jene Alterthüm-
lichkeit mit dieser Kindlichkeit vereinigen? Nun, die Geschichten werden von einem
alten Herrn sein, der seinem Söhnchen, einem bayerischen Karlchen Miesnik, die
Erlaubniß gab, einige seiner Schulpcnsa in den Text des Herrn Vaters einzuschalten.
Natürlich wählte der Knabe, was eben Mode, also patriotische Phantasien.


Drei Novellen von Adelheid v. An er. — Hamburg, Verlag von Boyes und
Geister. 1862.

Ein recht hübsches frisches Erzählcrtalent. Besonders die erste der drei No¬
vellen „Brillanten vom reinsten Wässer" wird Vielen, vorzüglich Frauen, Wohlgefallen.


Mein Eden. Eine Münchener Geschichte aus den Zeiten Karl Theodors. Von
Hermann Schmid. München, 1862". E. A. Fleischmanns Buchhandlung.

Spielt in den letzten Regierungsjahren des genannten Kurfürsten, wo die Illu-
minaten verfolgt wurden und eine Partei am Hofe gegen den Willen des Volkes
das Land östreichisch machen wollte. Das Colorit der Periode ist nicht übel getrof¬
fen, einzelne Partieen sind gut erzählt. Als Ganzes aber gehört der Roman zu
dem vielen Mittelgut der heutigen Belletristik. Ebendahin gehören die „Novellen"
von I. M. Hutterus (Iserlohn, I. Bädccker). „In ernsten und heitern Stunden"
von Dr. R. Hase (Weimar, T. F. A. Kühn) und die „Memoiren eines sechzehn¬
jähriger Mädchens" von Elise Halm (Berlin, I. Springer). Auch der dreibändige
Roman „Oberndorf" von Robert Prutz (Leipzig, F. A. Brockhaus) .erhebt sich nur
wenig über diese Kategorie. Durch alle Charaktere, gute und schlechte, geht ein
kränkliches, zwieschlächtigcs Wesen, und was schlimmer ist, an keinen vermag man
recht zu glauben.




Verantwortlicher Redacteur: Dr. Moritz Busch.
Verlag von F. L. Herbig. — Druck von C. E. Elbert in Leipzig.
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[0088] fasser der Gcscheidtcste von allen, folgendermaßen: „Ich weiß ein Band, welches alle deutschen Fürsten und Völker stark und heilig zusammenhalten kann. Dieses Band kann ein deutscher Fürst ohne Mühe und Gewalt wie mit einem Zauberschlag hervorrufen und Millionen Herzen gewinnen. Er darf nur in allen seinen öffent¬ lichen Urkunden oben an setzen: Deutscher Bund, oder Deutschland. Dann folge der Name seines Reiches oder Fürstenthums, das ihm Gott zu regieren anvertraut hat. Dieses Wort würde zum schirmenden Engel für alle deutschen Stämme und zur furchtbar dräuenden Riesengestalt werden für den Fremden, der sich scheuen würde, sie zu beleidigen." Folgt dann eine geistreiche Widerlegung der Kaiscridee und Empfehlung der Trias. „An diesem Dreibünde bricht sich die Sturmcswvge der List und Gewalt. Oestreich und Preußen mit Bayern als dem Vertreter und Hort (Hegemon) der Selbständigkeit der mittlern und kleinern Staaten Deutschlands." Dann Empfehlung des deutschen Bundes als ,,der Wiege des ewigen Friedens", der, nachdem ihm die Schweiz, Belgien, Holland und Skandinavien freiwillig beigetreten sind, die allgemeine Entwaffnung erzwingt. Zuletzt allgemeine Begeisterung, behag¬ lichstes Wohlgefallen, das in dem Toast gipfelt: „Hoch der deutsche Bund! Hoch dem wahren deutschen Kaiser >— der Einigkeit!" — Wie wir uns jene Alterthüm- lichkeit mit dieser Kindlichkeit vereinigen? Nun, die Geschichten werden von einem alten Herrn sein, der seinem Söhnchen, einem bayerischen Karlchen Miesnik, die Erlaubniß gab, einige seiner Schulpcnsa in den Text des Herrn Vaters einzuschalten. Natürlich wählte der Knabe, was eben Mode, also patriotische Phantasien. Drei Novellen von Adelheid v. An er. — Hamburg, Verlag von Boyes und Geister. 1862. Ein recht hübsches frisches Erzählcrtalent. Besonders die erste der drei No¬ vellen „Brillanten vom reinsten Wässer" wird Vielen, vorzüglich Frauen, Wohlgefallen. Mein Eden. Eine Münchener Geschichte aus den Zeiten Karl Theodors. Von Hermann Schmid. München, 1862". E. A. Fleischmanns Buchhandlung. Spielt in den letzten Regierungsjahren des genannten Kurfürsten, wo die Illu- minaten verfolgt wurden und eine Partei am Hofe gegen den Willen des Volkes das Land östreichisch machen wollte. Das Colorit der Periode ist nicht übel getrof¬ fen, einzelne Partieen sind gut erzählt. Als Ganzes aber gehört der Roman zu dem vielen Mittelgut der heutigen Belletristik. Ebendahin gehören die „Novellen" von I. M. Hutterus (Iserlohn, I. Bädccker). „In ernsten und heitern Stunden" von Dr. R. Hase (Weimar, T. F. A. Kühn) und die „Memoiren eines sechzehn¬ jähriger Mädchens" von Elise Halm (Berlin, I. Springer). Auch der dreibändige Roman „Oberndorf" von Robert Prutz (Leipzig, F. A. Brockhaus) .erhebt sich nur wenig über diese Kategorie. Durch alle Charaktere, gute und schlechte, geht ein kränkliches, zwieschlächtigcs Wesen, und was schlimmer ist, an keinen vermag man recht zu glauben. Verantwortlicher Redacteur: Dr. Moritz Busch. Verlag von F. L. Herbig. — Druck von C. E. Elbert in Leipzig.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 21, 1862, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341795_114855/88>, abgerufen am 29.04.2024.