Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

eine Rückkehr zu einer Politik der Reform sich die verlorenen Sympathien
Deutschlands wiedergewinne. Denn, so paradox es klingen mag, Preußen ver¬
mag Nur dann, wenn es in Deutschland eine starke Stellung einnimmt, sich
in ein dauerndes Einvernehmen mit Oestreich zu setzen. Für Oestreich aber
kommt es darauf an, die Gegensätze zu versöhnen, die bei jeder Bewegung, die
es thun will, seine Flanken bedrohen, und in deren gewaltsamer Bekämpfung
es seine besten Kräfte nutzlos verzehrt. Es hat in Deutschland davon abzu¬
stehen, Schattenbildern nachzujagen, die, sobald sie aus der Phantasie in die
Wirklichkeit übergehen sollen, sich in ein Nichts auflösen. Es hat sodann die
energischeste seiner Nationalitäten, die ungarische, mit sich zu versöhnen und sei¬
nen Staatszwecken dienstbar zu machen; es hat endlich mit Italien sich in
Beziehungen zu setzen, die dieses Land befähigen, aus einem Vasallen Frankreichs
eine der kräftigsten Stützen des europäischen Gleichgewichts zu werden.


Z-


Die althellenischer Natiomlseste.
2.

Unter den im vorigen Abschnitt angeführten Umständen ist es kein Wunder,
daß überhaupt das Wagen- und Noßrennen, das in Olympia den zweiten Tag aus¬
füllte, bis in die späteste Zeit vor den gymnischen Kämpfen den Vorrang behauptete
und den glänzendsten Theil des Festes ausmachte. Bei dem verhältnißmäßig hohen
Preise der Pferde (Exemplare edler Race kosteten gegen dreihundert Rthlr.) und bei
dem großen Risiko, das die Art des Wettkampfs selbst für die Besitzer mit sich
brachte, blieb die Betheiligung immer etwas Aristokratisches, eine noble Passion
der Reichen und Fürsten. Klar ergibt sich dies unter anderen Stellen aus
Jsokrates, wo ein wegen eines Gespanns Angeklagter von seinem Vater er¬
zählt: "Als er das olympische Fest von aller Welt geliebt und bewundert wer¬
den sah und wie die Hellenen dort von ihrem Reichthume, ihrer Stärke, ihrer
Bildung Probe ablegten, wie die Athleten wetteiferten und die Städte der
Sieger an Ruf gewannen, so sah er von den gymnischen Kämpfen ab, nicht
weil er an natürlichen Anlagen und Gesundheit jemandem nachstand, sondern


eine Rückkehr zu einer Politik der Reform sich die verlorenen Sympathien
Deutschlands wiedergewinne. Denn, so paradox es klingen mag, Preußen ver¬
mag Nur dann, wenn es in Deutschland eine starke Stellung einnimmt, sich
in ein dauerndes Einvernehmen mit Oestreich zu setzen. Für Oestreich aber
kommt es darauf an, die Gegensätze zu versöhnen, die bei jeder Bewegung, die
es thun will, seine Flanken bedrohen, und in deren gewaltsamer Bekämpfung
es seine besten Kräfte nutzlos verzehrt. Es hat in Deutschland davon abzu¬
stehen, Schattenbildern nachzujagen, die, sobald sie aus der Phantasie in die
Wirklichkeit übergehen sollen, sich in ein Nichts auflösen. Es hat sodann die
energischeste seiner Nationalitäten, die ungarische, mit sich zu versöhnen und sei¬
nen Staatszwecken dienstbar zu machen; es hat endlich mit Italien sich in
Beziehungen zu setzen, die dieses Land befähigen, aus einem Vasallen Frankreichs
eine der kräftigsten Stützen des europäischen Gleichgewichts zu werden.


Z-


Die althellenischer Natiomlseste.
2.

Unter den im vorigen Abschnitt angeführten Umständen ist es kein Wunder,
daß überhaupt das Wagen- und Noßrennen, das in Olympia den zweiten Tag aus¬
füllte, bis in die späteste Zeit vor den gymnischen Kämpfen den Vorrang behauptete
und den glänzendsten Theil des Festes ausmachte. Bei dem verhältnißmäßig hohen
Preise der Pferde (Exemplare edler Race kosteten gegen dreihundert Rthlr.) und bei
dem großen Risiko, das die Art des Wettkampfs selbst für die Besitzer mit sich
brachte, blieb die Betheiligung immer etwas Aristokratisches, eine noble Passion
der Reichen und Fürsten. Klar ergibt sich dies unter anderen Stellen aus
Jsokrates, wo ein wegen eines Gespanns Angeklagter von seinem Vater er¬
zählt: „Als er das olympische Fest von aller Welt geliebt und bewundert wer¬
den sah und wie die Hellenen dort von ihrem Reichthume, ihrer Stärke, ihrer
Bildung Probe ablegten, wie die Athleten wetteiferten und die Städte der
Sieger an Ruf gewannen, so sah er von den gymnischen Kämpfen ab, nicht
weil er an natürlichen Anlagen und Gesundheit jemandem nachstand, sondern


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0140" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/115532"/>
            <p xml:id="ID_379" prev="#ID_378"> eine Rückkehr zu einer Politik der Reform sich die verlorenen Sympathien<lb/>
Deutschlands wiedergewinne. Denn, so paradox es klingen mag, Preußen ver¬<lb/>
mag Nur dann, wenn es in Deutschland eine starke Stellung einnimmt, sich<lb/>
in ein dauerndes Einvernehmen mit Oestreich zu setzen. Für Oestreich aber<lb/>
kommt es darauf an, die Gegensätze zu versöhnen, die bei jeder Bewegung, die<lb/>
es thun will, seine Flanken bedrohen, und in deren gewaltsamer Bekämpfung<lb/>
es seine besten Kräfte nutzlos verzehrt. Es hat in Deutschland davon abzu¬<lb/>
stehen, Schattenbildern nachzujagen, die, sobald sie aus der Phantasie in die<lb/>
Wirklichkeit übergehen sollen, sich in ein Nichts auflösen. Es hat sodann die<lb/>
energischeste seiner Nationalitäten, die ungarische, mit sich zu versöhnen und sei¬<lb/>
nen Staatszwecken dienstbar zu machen; es hat endlich mit Italien sich in<lb/>
Beziehungen zu setzen, die dieses Land befähigen, aus einem Vasallen Frankreichs<lb/>
eine der kräftigsten Stützen des europäischen Gleichgewichts zu werden.</p><lb/>
            <note type="byline"> Z-</note><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          </div>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Die althellenischer Natiomlseste.</head><lb/>
          <div n="2">
            <head> 2.</head><lb/>
            <p xml:id="ID_380" next="#ID_381"> Unter den im vorigen Abschnitt angeführten Umständen ist es kein Wunder,<lb/>
daß überhaupt das Wagen- und Noßrennen, das in Olympia den zweiten Tag aus¬<lb/>
füllte, bis in die späteste Zeit vor den gymnischen Kämpfen den Vorrang behauptete<lb/>
und den glänzendsten Theil des Festes ausmachte. Bei dem verhältnißmäßig hohen<lb/>
Preise der Pferde (Exemplare edler Race kosteten gegen dreihundert Rthlr.) und bei<lb/>
dem großen Risiko, das die Art des Wettkampfs selbst für die Besitzer mit sich<lb/>
brachte, blieb die Betheiligung immer etwas Aristokratisches, eine noble Passion<lb/>
der Reichen und Fürsten. Klar ergibt sich dies unter anderen Stellen aus<lb/>
Jsokrates, wo ein wegen eines Gespanns Angeklagter von seinem Vater er¬<lb/>
zählt: &#x201E;Als er das olympische Fest von aller Welt geliebt und bewundert wer¬<lb/>
den sah und wie die Hellenen dort von ihrem Reichthume, ihrer Stärke, ihrer<lb/>
Bildung Probe ablegten, wie die Athleten wetteiferten und die Städte der<lb/>
Sieger an Ruf gewannen, so sah er von den gymnischen Kämpfen ab, nicht<lb/>
weil er an natürlichen Anlagen und Gesundheit jemandem nachstand, sondern</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0140] eine Rückkehr zu einer Politik der Reform sich die verlorenen Sympathien Deutschlands wiedergewinne. Denn, so paradox es klingen mag, Preußen ver¬ mag Nur dann, wenn es in Deutschland eine starke Stellung einnimmt, sich in ein dauerndes Einvernehmen mit Oestreich zu setzen. Für Oestreich aber kommt es darauf an, die Gegensätze zu versöhnen, die bei jeder Bewegung, die es thun will, seine Flanken bedrohen, und in deren gewaltsamer Bekämpfung es seine besten Kräfte nutzlos verzehrt. Es hat in Deutschland davon abzu¬ stehen, Schattenbildern nachzujagen, die, sobald sie aus der Phantasie in die Wirklichkeit übergehen sollen, sich in ein Nichts auflösen. Es hat sodann die energischeste seiner Nationalitäten, die ungarische, mit sich zu versöhnen und sei¬ nen Staatszwecken dienstbar zu machen; es hat endlich mit Italien sich in Beziehungen zu setzen, die dieses Land befähigen, aus einem Vasallen Frankreichs eine der kräftigsten Stützen des europäischen Gleichgewichts zu werden. Z- Die althellenischer Natiomlseste. 2. Unter den im vorigen Abschnitt angeführten Umständen ist es kein Wunder, daß überhaupt das Wagen- und Noßrennen, das in Olympia den zweiten Tag aus¬ füllte, bis in die späteste Zeit vor den gymnischen Kämpfen den Vorrang behauptete und den glänzendsten Theil des Festes ausmachte. Bei dem verhältnißmäßig hohen Preise der Pferde (Exemplare edler Race kosteten gegen dreihundert Rthlr.) und bei dem großen Risiko, das die Art des Wettkampfs selbst für die Besitzer mit sich brachte, blieb die Betheiligung immer etwas Aristokratisches, eine noble Passion der Reichen und Fürsten. Klar ergibt sich dies unter anderen Stellen aus Jsokrates, wo ein wegen eines Gespanns Angeklagter von seinem Vater er¬ zählt: „Als er das olympische Fest von aller Welt geliebt und bewundert wer¬ den sah und wie die Hellenen dort von ihrem Reichthume, ihrer Stärke, ihrer Bildung Probe ablegten, wie die Athleten wetteiferten und die Städte der Sieger an Ruf gewannen, so sah er von den gymnischen Kämpfen ab, nicht weil er an natürlichen Anlagen und Gesundheit jemandem nachstand, sondern

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115393
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115393/140
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115393/140>, abgerufen am 29.04.2024.