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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band.

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Die tiefen Eindrücke einer Zeit der Schmach und einer Zeit der Erhebung
bildeten seine Jugend. Das unruhige Wandern, welches damals über die
Deutschen gekommen war, und das plötzliche Einbrechen neuer Interessen in die
Ordnung des einzelnen Lebens sind ihm auch für die spätere Zeit geblieben,
ein schnelles Orientiren, der Wechsel der Geschäfte, das Hin- und Herreisen.
-- Während der langen Reactionszeit, welche den Freiheitskriegen folgte, wurde
der Deutsche im Auslande zu einem Geschäftsmanne im größten Stil, zum
Diplomaten und Politiker. Gegenüber der öden und herzlosen Politik des
metternichschen Systems entwickelte sich in der Seele eines deutschen Bürger¬
kindes eine freie und hohe Auffassung von dem Leben des Volkes, von den
Pflichten des Fürsten und des Staatsmanns. In solcher Gesinnung half er
einen Staat und Souveräne bilden.

Wo er die Interessen eines Fürstenhauses wahrnahm, hat er dies immer
in so großem Sinne gethan, daß er dadurch die höchsten Interessen der Natio¬
nen förderte. Niemand hat mit mehr Treue und Hingebung dem Vortheil
Höherer gedient und Niemand hat als Dienender seinen Fürsten sicherer und
edler gegenübergestanden als er. Er verstand das Geheimniß, im Herrendienst
ein freier Mann zu bleiben, und das größere Geheimniß, solche, denen er sein
Leben gewidmet hatte, fester, stärker, besser zu machen. -- Und die letzte Grund¬
lage seiner Kraft und Weisheit war, daß er mit tiefer Ehrfurcht auf die gött¬
liche Vernunft blickte, welche sich in dem Geist und Herzen des Volkes
offenbart.




Franz Palacky: Geschichte von Böhmen. Band I--IV.

(Schluß.)

Wir haben im vorigen Heft auf den Umschwung des Sinnes hingewiesen,
in welchem die böhmische Literatur gleichzeitig mit ihrer wissenschaftlichen Vertiefung,
aber wider die Absicht ihres Hauptkorhphäen zu arbeiten fortfuhr. Es ist das
Zusammentreffen der aufregenden Wirkungen der Freiheitskriege und des lite¬
rarischen Fundes von Königinhof, welches die Natur dieser neuen, sehr ver-
hängnißvollen Richtung erzeugte. Der Eindruck des vermeintlich entscheidenden


Die tiefen Eindrücke einer Zeit der Schmach und einer Zeit der Erhebung
bildeten seine Jugend. Das unruhige Wandern, welches damals über die
Deutschen gekommen war, und das plötzliche Einbrechen neuer Interessen in die
Ordnung des einzelnen Lebens sind ihm auch für die spätere Zeit geblieben,
ein schnelles Orientiren, der Wechsel der Geschäfte, das Hin- und Herreisen.
— Während der langen Reactionszeit, welche den Freiheitskriegen folgte, wurde
der Deutsche im Auslande zu einem Geschäftsmanne im größten Stil, zum
Diplomaten und Politiker. Gegenüber der öden und herzlosen Politik des
metternichschen Systems entwickelte sich in der Seele eines deutschen Bürger¬
kindes eine freie und hohe Auffassung von dem Leben des Volkes, von den
Pflichten des Fürsten und des Staatsmanns. In solcher Gesinnung half er
einen Staat und Souveräne bilden.

Wo er die Interessen eines Fürstenhauses wahrnahm, hat er dies immer
in so großem Sinne gethan, daß er dadurch die höchsten Interessen der Natio¬
nen förderte. Niemand hat mit mehr Treue und Hingebung dem Vortheil
Höherer gedient und Niemand hat als Dienender seinen Fürsten sicherer und
edler gegenübergestanden als er. Er verstand das Geheimniß, im Herrendienst
ein freier Mann zu bleiben, und das größere Geheimniß, solche, denen er sein
Leben gewidmet hatte, fester, stärker, besser zu machen. — Und die letzte Grund¬
lage seiner Kraft und Weisheit war, daß er mit tiefer Ehrfurcht auf die gött¬
liche Vernunft blickte, welche sich in dem Geist und Herzen des Volkes
offenbart.




Franz Palacky: Geschichte von Böhmen. Band I—IV.

(Schluß.)

Wir haben im vorigen Heft auf den Umschwung des Sinnes hingewiesen,
in welchem die böhmische Literatur gleichzeitig mit ihrer wissenschaftlichen Vertiefung,
aber wider die Absicht ihres Hauptkorhphäen zu arbeiten fortfuhr. Es ist das
Zusammentreffen der aufregenden Wirkungen der Freiheitskriege und des lite¬
rarischen Fundes von Königinhof, welches die Natur dieser neuen, sehr ver-
hängnißvollen Richtung erzeugte. Der Eindruck des vermeintlich entscheidenden


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[0183] Die tiefen Eindrücke einer Zeit der Schmach und einer Zeit der Erhebung bildeten seine Jugend. Das unruhige Wandern, welches damals über die Deutschen gekommen war, und das plötzliche Einbrechen neuer Interessen in die Ordnung des einzelnen Lebens sind ihm auch für die spätere Zeit geblieben, ein schnelles Orientiren, der Wechsel der Geschäfte, das Hin- und Herreisen. — Während der langen Reactionszeit, welche den Freiheitskriegen folgte, wurde der Deutsche im Auslande zu einem Geschäftsmanne im größten Stil, zum Diplomaten und Politiker. Gegenüber der öden und herzlosen Politik des metternichschen Systems entwickelte sich in der Seele eines deutschen Bürger¬ kindes eine freie und hohe Auffassung von dem Leben des Volkes, von den Pflichten des Fürsten und des Staatsmanns. In solcher Gesinnung half er einen Staat und Souveräne bilden. Wo er die Interessen eines Fürstenhauses wahrnahm, hat er dies immer in so großem Sinne gethan, daß er dadurch die höchsten Interessen der Natio¬ nen förderte. Niemand hat mit mehr Treue und Hingebung dem Vortheil Höherer gedient und Niemand hat als Dienender seinen Fürsten sicherer und edler gegenübergestanden als er. Er verstand das Geheimniß, im Herrendienst ein freier Mann zu bleiben, und das größere Geheimniß, solche, denen er sein Leben gewidmet hatte, fester, stärker, besser zu machen. — Und die letzte Grund¬ lage seiner Kraft und Weisheit war, daß er mit tiefer Ehrfurcht auf die gött¬ liche Vernunft blickte, welche sich in dem Geist und Herzen des Volkes offenbart. Franz Palacky: Geschichte von Böhmen. Band I—IV. (Schluß.) Wir haben im vorigen Heft auf den Umschwung des Sinnes hingewiesen, in welchem die böhmische Literatur gleichzeitig mit ihrer wissenschaftlichen Vertiefung, aber wider die Absicht ihres Hauptkorhphäen zu arbeiten fortfuhr. Es ist das Zusammentreffen der aufregenden Wirkungen der Freiheitskriege und des lite¬ rarischen Fundes von Königinhof, welches die Natur dieser neuen, sehr ver- hängnißvollen Richtung erzeugte. Der Eindruck des vermeintlich entscheidenden

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115393/183>, abgerufen am 29.04.2024.