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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band.

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Die Quellen des Nil.

Mit vollem Rechte wird man die Periode, in der wir leben, einst zu den
fruchtbarsten und ereignißvvllstcn zählen, welche die Kulturgeschichte kennt. Sie
ist es mindestens auf allen Gebieten des praktischen Lebens, auf dem sie im
Laufe weniger Jahrzehnte die weittragendsten Entdeckungen gemacht, die wich¬
tigsten Probleme gelöst hat. Vor Allem sind es die Naturwissenschaften, die
Himmels- und die Erdkunde, welche durch sie eine völlige Umgestaltung erfahren
und Bereicherungen gewonnen haben, welche sie wiederkehrende Menschen frü¬
herer Jahrhunderte kaum wiedererkennen lassen würden. Wie das verbesserte
Teleskop unsrer Kenntniß vom Sonnensystem eine ganze Anzahl neuer Pla¬
neten gezeigt, das Mikroskop vorher nie geahnte Einblicke in das Geheimniß
des Werdens und Lebens erschlossen hat. wie der Fortschritt der Chemie uns
die ursprüngliche Zahl der Elemente mehr als verzehnfachte, so wurden gleich¬
zeitig auch eine Menge der bedeutungsreichsten Aufgaben auf dem Felde der
Geographie ihrem Ziele zugeführt, und wenn diese Entdeckungen auch für den
Gang der Weltgeschichte nicht entfernt die Wichtigkeit beanspruchen, welche die
Hebung 'des Schleiers hatte, der vor Kolumbus Zeit den großen westlichen
Continent verhüllte, wenn sie selbst für Zwecke des Handelsverkehrs nicht von
wesentlicher Bedeutung sind, so haben sie doch, einmal wegen des Eifers, mit
welchem sich die Geographen lange Jahrzehnte um sie abmühten, dann wegen
der Raschheit, mit der sie, als die Zeit erfüllt war, im Laufe weniger Jahre
aufeinanderfolgten, gerechten Anspruch auf eingehende Betrachtung.

Wir entdecken keine neuen Inseln mehr, Wohl aber lichten sich von Jahr
zu Jahr mehr die bisher dunkeln Continente. Man vergleicht eine Karte des
dritten und des fünften Welttheils von 1833 mit einer solchen von heute, und
man wird staunen über den Reichthum neuer Daten, welche das letzte Decen-
nium den alten hinzugefügt, mit welchen es diese alten corrigirt hat. Unsren
Tagen war es vorbehalten, durch Mac Clure die langgesuchte nordwestliche
Durchfahrt aufzufinden. Wenige Jahre darauf durchschnitten kühne Reisende
wie Burke, Landsbvrough und Mac Kinley die unbekannten Landstrecken zwi¬
schen der Südküste. Australiens und dem Golf von Carpentaria, und Gegenden
jenes Continents, die bisher nie der Fuß eines Culturmenschen betreten, wer¬
den, ehe noch das Jahrzehnt verflossen ist, -- so hofft man in Melbourne --
schon von den Anfängen des civilisatorischcn Lebens erfüllt sein, welche eine
große Eisenbahn ausstrahlt. Vor Allein aber ist unsre Kunde von Afrika in


Die Quellen des Nil.

Mit vollem Rechte wird man die Periode, in der wir leben, einst zu den
fruchtbarsten und ereignißvvllstcn zählen, welche die Kulturgeschichte kennt. Sie
ist es mindestens auf allen Gebieten des praktischen Lebens, auf dem sie im
Laufe weniger Jahrzehnte die weittragendsten Entdeckungen gemacht, die wich¬
tigsten Probleme gelöst hat. Vor Allem sind es die Naturwissenschaften, die
Himmels- und die Erdkunde, welche durch sie eine völlige Umgestaltung erfahren
und Bereicherungen gewonnen haben, welche sie wiederkehrende Menschen frü¬
herer Jahrhunderte kaum wiedererkennen lassen würden. Wie das verbesserte
Teleskop unsrer Kenntniß vom Sonnensystem eine ganze Anzahl neuer Pla¬
neten gezeigt, das Mikroskop vorher nie geahnte Einblicke in das Geheimniß
des Werdens und Lebens erschlossen hat. wie der Fortschritt der Chemie uns
die ursprüngliche Zahl der Elemente mehr als verzehnfachte, so wurden gleich¬
zeitig auch eine Menge der bedeutungsreichsten Aufgaben auf dem Felde der
Geographie ihrem Ziele zugeführt, und wenn diese Entdeckungen auch für den
Gang der Weltgeschichte nicht entfernt die Wichtigkeit beanspruchen, welche die
Hebung 'des Schleiers hatte, der vor Kolumbus Zeit den großen westlichen
Continent verhüllte, wenn sie selbst für Zwecke des Handelsverkehrs nicht von
wesentlicher Bedeutung sind, so haben sie doch, einmal wegen des Eifers, mit
welchem sich die Geographen lange Jahrzehnte um sie abmühten, dann wegen
der Raschheit, mit der sie, als die Zeit erfüllt war, im Laufe weniger Jahre
aufeinanderfolgten, gerechten Anspruch auf eingehende Betrachtung.

Wir entdecken keine neuen Inseln mehr, Wohl aber lichten sich von Jahr
zu Jahr mehr die bisher dunkeln Continente. Man vergleicht eine Karte des
dritten und des fünften Welttheils von 1833 mit einer solchen von heute, und
man wird staunen über den Reichthum neuer Daten, welche das letzte Decen-
nium den alten hinzugefügt, mit welchen es diese alten corrigirt hat. Unsren
Tagen war es vorbehalten, durch Mac Clure die langgesuchte nordwestliche
Durchfahrt aufzufinden. Wenige Jahre darauf durchschnitten kühne Reisende
wie Burke, Landsbvrough und Mac Kinley die unbekannten Landstrecken zwi¬
schen der Südküste. Australiens und dem Golf von Carpentaria, und Gegenden
jenes Continents, die bisher nie der Fuß eines Culturmenschen betreten, wer¬
den, ehe noch das Jahrzehnt verflossen ist, — so hofft man in Melbourne —
schon von den Anfängen des civilisatorischcn Lebens erfüllt sein, welche eine
große Eisenbahn ausstrahlt. Vor Allein aber ist unsre Kunde von Afrika in


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[0223] Die Quellen des Nil. Mit vollem Rechte wird man die Periode, in der wir leben, einst zu den fruchtbarsten und ereignißvvllstcn zählen, welche die Kulturgeschichte kennt. Sie ist es mindestens auf allen Gebieten des praktischen Lebens, auf dem sie im Laufe weniger Jahrzehnte die weittragendsten Entdeckungen gemacht, die wich¬ tigsten Probleme gelöst hat. Vor Allem sind es die Naturwissenschaften, die Himmels- und die Erdkunde, welche durch sie eine völlige Umgestaltung erfahren und Bereicherungen gewonnen haben, welche sie wiederkehrende Menschen frü¬ herer Jahrhunderte kaum wiedererkennen lassen würden. Wie das verbesserte Teleskop unsrer Kenntniß vom Sonnensystem eine ganze Anzahl neuer Pla¬ neten gezeigt, das Mikroskop vorher nie geahnte Einblicke in das Geheimniß des Werdens und Lebens erschlossen hat. wie der Fortschritt der Chemie uns die ursprüngliche Zahl der Elemente mehr als verzehnfachte, so wurden gleich¬ zeitig auch eine Menge der bedeutungsreichsten Aufgaben auf dem Felde der Geographie ihrem Ziele zugeführt, und wenn diese Entdeckungen auch für den Gang der Weltgeschichte nicht entfernt die Wichtigkeit beanspruchen, welche die Hebung 'des Schleiers hatte, der vor Kolumbus Zeit den großen westlichen Continent verhüllte, wenn sie selbst für Zwecke des Handelsverkehrs nicht von wesentlicher Bedeutung sind, so haben sie doch, einmal wegen des Eifers, mit welchem sich die Geographen lange Jahrzehnte um sie abmühten, dann wegen der Raschheit, mit der sie, als die Zeit erfüllt war, im Laufe weniger Jahre aufeinanderfolgten, gerechten Anspruch auf eingehende Betrachtung. Wir entdecken keine neuen Inseln mehr, Wohl aber lichten sich von Jahr zu Jahr mehr die bisher dunkeln Continente. Man vergleicht eine Karte des dritten und des fünften Welttheils von 1833 mit einer solchen von heute, und man wird staunen über den Reichthum neuer Daten, welche das letzte Decen- nium den alten hinzugefügt, mit welchen es diese alten corrigirt hat. Unsren Tagen war es vorbehalten, durch Mac Clure die langgesuchte nordwestliche Durchfahrt aufzufinden. Wenige Jahre darauf durchschnitten kühne Reisende wie Burke, Landsbvrough und Mac Kinley die unbekannten Landstrecken zwi¬ schen der Südküste. Australiens und dem Golf von Carpentaria, und Gegenden jenes Continents, die bisher nie der Fuß eines Culturmenschen betreten, wer¬ den, ehe noch das Jahrzehnt verflossen ist, — so hofft man in Melbourne — schon von den Anfängen des civilisatorischcn Lebens erfüllt sein, welche eine große Eisenbahn ausstrahlt. Vor Allein aber ist unsre Kunde von Afrika in

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115393/223>, abgerufen am 29.04.2024.