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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band.

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Frage wird nicht durch Gnade der Fürsten, sondern nach dem Willen des Vol¬
kes zu entscheiden sein. Aber unläugbar wird auch der Abgeordnetentag sich
selbst den Rücken decken müssen; denn er ist in der Lage, sich daran zu erinnern,
daß die Landesregierungen selbst in einigen Staaten, in denen seine Mitglieder
die Majorität der Volksvertreter umfassen -- beide Hessen, Nassau, Braunschweig.
Hannover -- im Nothfall Minoritätswahlen veranlassen und durch diese ein
Parlament beschicken können.

Man darf deshalb gar nicht für unmöglich halten, daß der Fürstencongreß
das positive Resultat hat, eine Volksvertretung des Bundes einzuleiten, welche
das Bewilligungsrecht über etwa sieben Millionen Bundesgelder, Mitwirkung
bei der Bundesgesetzgebung auch mit dem Recht der Initiative hat.

Wie die deutsche Nation sich zu diesen Reformationsideen der Fürsten
schließlich stellen wird, das wird zumeist davon abhängen, wie in dem vreußv-
schen Staat der Verfassungskampf sich stellt. Nicht mehr die preußische Negie¬
rung hat die Hauptstimme bei der Frage über die Zukunft Deutschlands, wohl
aber das preußische Volk.




Vermischte Literatur.
Beiträge zur Geschichte des Zunftwesens von V. Böhmert. Ge¬
krönte Preisschrift. Leipzig. S. Hirzel. 1362. 144 S.

Eine nach Urkunden entworfene Geschichte der Schuhmacherzunft in Bremen,
welche mit Geschick das Bedeutendste aus der Entwicklung dieser Corporation zusam¬
menstellt, zur Ergänzung und Vergleichung Verschiedenes aus der Geschichte anderer
Zünfte herbeizieht und im dritten Capitel einen allgemeinen Ueberblick über den Cha¬
rakter des Zunftwesens von seiner Entstehung bis zu feinem Verfall gibt. Diese
Skizze wird bis zu dem Ende December 1860 erfolgten Siege der Gewerbefreiheit
in Bremen, "einer der ältesten und festesten deutschen Zunftbürger" sortgesetzt. Eine
recht tüchtige Arbeit des verdienten volkswirthschaftlichen Schriftstellers, welche mit
ihren Beilagen namentlich Geschichtschreibern und Nationalökonomen willkommen
sein wird.


Wörterbüchlein zum Volksthümlichen aus Schwaben. Von Anton
Birlingcr. Freiburg i, Br., Hcrdcrsche Verlagshandlung. 1863. 96 S.

Eine dankenswerthe Zugabe zu der von uns während ihres Erscheinens
wiederholt mit Anerkennung angezeigten Sammlung schwäbischer Sagen, schwanke,


Frage wird nicht durch Gnade der Fürsten, sondern nach dem Willen des Vol¬
kes zu entscheiden sein. Aber unläugbar wird auch der Abgeordnetentag sich
selbst den Rücken decken müssen; denn er ist in der Lage, sich daran zu erinnern,
daß die Landesregierungen selbst in einigen Staaten, in denen seine Mitglieder
die Majorität der Volksvertreter umfassen — beide Hessen, Nassau, Braunschweig.
Hannover — im Nothfall Minoritätswahlen veranlassen und durch diese ein
Parlament beschicken können.

Man darf deshalb gar nicht für unmöglich halten, daß der Fürstencongreß
das positive Resultat hat, eine Volksvertretung des Bundes einzuleiten, welche
das Bewilligungsrecht über etwa sieben Millionen Bundesgelder, Mitwirkung
bei der Bundesgesetzgebung auch mit dem Recht der Initiative hat.

Wie die deutsche Nation sich zu diesen Reformationsideen der Fürsten
schließlich stellen wird, das wird zumeist davon abhängen, wie in dem vreußv-
schen Staat der Verfassungskampf sich stellt. Nicht mehr die preußische Negie¬
rung hat die Hauptstimme bei der Frage über die Zukunft Deutschlands, wohl
aber das preußische Volk.




Vermischte Literatur.
Beiträge zur Geschichte des Zunftwesens von V. Böhmert. Ge¬
krönte Preisschrift. Leipzig. S. Hirzel. 1362. 144 S.

Eine nach Urkunden entworfene Geschichte der Schuhmacherzunft in Bremen,
welche mit Geschick das Bedeutendste aus der Entwicklung dieser Corporation zusam¬
menstellt, zur Ergänzung und Vergleichung Verschiedenes aus der Geschichte anderer
Zünfte herbeizieht und im dritten Capitel einen allgemeinen Ueberblick über den Cha¬
rakter des Zunftwesens von seiner Entstehung bis zu feinem Verfall gibt. Diese
Skizze wird bis zu dem Ende December 1860 erfolgten Siege der Gewerbefreiheit
in Bremen, „einer der ältesten und festesten deutschen Zunftbürger" sortgesetzt. Eine
recht tüchtige Arbeit des verdienten volkswirthschaftlichen Schriftstellers, welche mit
ihren Beilagen namentlich Geschichtschreibern und Nationalökonomen willkommen
sein wird.


Wörterbüchlein zum Volksthümlichen aus Schwaben. Von Anton
Birlingcr. Freiburg i, Br., Hcrdcrsche Verlagshandlung. 1863. 96 S.

Eine dankenswerthe Zugabe zu der von uns während ihres Erscheinens
wiederholt mit Anerkennung angezeigten Sammlung schwäbischer Sagen, schwanke,


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[0286] Frage wird nicht durch Gnade der Fürsten, sondern nach dem Willen des Vol¬ kes zu entscheiden sein. Aber unläugbar wird auch der Abgeordnetentag sich selbst den Rücken decken müssen; denn er ist in der Lage, sich daran zu erinnern, daß die Landesregierungen selbst in einigen Staaten, in denen seine Mitglieder die Majorität der Volksvertreter umfassen — beide Hessen, Nassau, Braunschweig. Hannover — im Nothfall Minoritätswahlen veranlassen und durch diese ein Parlament beschicken können. Man darf deshalb gar nicht für unmöglich halten, daß der Fürstencongreß das positive Resultat hat, eine Volksvertretung des Bundes einzuleiten, welche das Bewilligungsrecht über etwa sieben Millionen Bundesgelder, Mitwirkung bei der Bundesgesetzgebung auch mit dem Recht der Initiative hat. Wie die deutsche Nation sich zu diesen Reformationsideen der Fürsten schließlich stellen wird, das wird zumeist davon abhängen, wie in dem vreußv- schen Staat der Verfassungskampf sich stellt. Nicht mehr die preußische Negie¬ rung hat die Hauptstimme bei der Frage über die Zukunft Deutschlands, wohl aber das preußische Volk. Vermischte Literatur. Beiträge zur Geschichte des Zunftwesens von V. Böhmert. Ge¬ krönte Preisschrift. Leipzig. S. Hirzel. 1362. 144 S. Eine nach Urkunden entworfene Geschichte der Schuhmacherzunft in Bremen, welche mit Geschick das Bedeutendste aus der Entwicklung dieser Corporation zusam¬ menstellt, zur Ergänzung und Vergleichung Verschiedenes aus der Geschichte anderer Zünfte herbeizieht und im dritten Capitel einen allgemeinen Ueberblick über den Cha¬ rakter des Zunftwesens von seiner Entstehung bis zu feinem Verfall gibt. Diese Skizze wird bis zu dem Ende December 1860 erfolgten Siege der Gewerbefreiheit in Bremen, „einer der ältesten und festesten deutschen Zunftbürger" sortgesetzt. Eine recht tüchtige Arbeit des verdienten volkswirthschaftlichen Schriftstellers, welche mit ihren Beilagen namentlich Geschichtschreibern und Nationalökonomen willkommen sein wird. Wörterbüchlein zum Volksthümlichen aus Schwaben. Von Anton Birlingcr. Freiburg i, Br., Hcrdcrsche Verlagshandlung. 1863. 96 S. Eine dankenswerthe Zugabe zu der von uns während ihres Erscheinens wiederholt mit Anerkennung angezeigten Sammlung schwäbischer Sagen, schwanke,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115393/286>, abgerufen am 29.04.2024.