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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band.

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ren Freiwilligen in Wirklichkeit mehr um Vichwegtreiben als um die Befreiung von
Thessalien und Epirus zu thun war. Vollkommen parteiisch endlich ist. was der
Verfasser über die Ursachen der Vertreibung König Ottos bemerkt. Sicher ist, daß
die modernen Griechen ein verdorbenes Geschlecht sind, für die sich nur der begeistern
kann, der sie nicht aus eigner Anschauung kennt. Ebenso sicher aber, daß die Re¬
gierung Konig Ottos große Mängel hatte, daß sie namentlich so gut wie nichts
für die materiellen Interessen des Landes that. Und wenn der Verfasser schließlich
die Zurückberufung des Königs als von der Klugheit und der Gerechtigkeit zugleich
geboten fordert, so ist über dergleichen kein Wort zu verlieren. Am allerwenigsten
aber ist diese Zurückberufung, wie er meint, eine deutsche Angelegenheit. Die baye¬
rische Dynastie hat einen gebrechlichen Thron eingebüßt. Die deutsche Ehre, das
deutsche Interesse hat mit der Sache nicht das Mindeste zu schaffen.


Erinnerungen und Mittheilungen aus Griechenland von Lud¬
wig Roß. Mit einem Vorwort von Otto Jahr. Berlin, l8V3. Verlag von
R. Gärtner. 313 S.

Eine Sammlung von Aufsätzen und Briefen, welche bisher in verschiedenen
Zeitschriften zerstreut waren, und denen Jahr hier eine Biographie vorausgesandt hat,
die vorzüglich die Knaben- und Studentenzeit von Roß eingehend bespricht. Von
besonderen Werthe sind unter den Aufsätzen selbst die "Erinnerungen aus Griechen¬
land", die auf Grund vieljähriger eigner Anschauungen ein ebenso treues als an¬
schauliches Bild von den politischen und gesellschaftlichen Zuständen geben, welche
während der Regentschaft und in den ersten Jahren der Regierung König Ottos in
Griechenland herrschten. Die daran sich schließenden "Mittheilungen aus Griechen¬
land", welche über allerlei persönliche Erlebnisse des verstorbenen Verfassers, über seine
ersten Reisen in Griechenland, über die unter seiner Mitwirkung stattgehabten Ent¬
deckungen von Alterthümern berichten, sind zum Theil schon in die "Königsreiscn".
sowie in die "Archäologischen Aufsätze" verschmolzen und haben somit nur noch
ein theilweises Interesse. Den Schluß bilden zwei kürzere Stücke: Ein Vergleich
zwischen dem Athen von 1832 (wo Roß zuerst nach Griechenland kam) mit dem
Athen von 1836, und das Märchen: Georg und die Störche, welches Roß sich
während einer Seefahrt von einem Schiffer aus Psaros erzählen ließ. Angehängt
ist ein Aufsatz: Fritz Nahr, das Charakterbild eines holsteinischen Schullehrers von
altem Schlag, der zwar nicht entfernt mit hellenischen Dingen zu schaffen hat, aber
in seiner Art immerhin und schon als Reliquie der vielfältigen geistigen Thätigkeit
unseres Autors von Interesse ist. Das Ganze zeigt uns Roß als vortrefflichen
Beobachter von Land und Leuten, als gewandten Erzähler, als gerechten (bisweilen
wohl zu milden) Beurtheilet und vor Allem als liebenswürdigen Menschen, und so
Möge das Buch allen Freunden der Lectüre von Reiseschriften bestens empfohlen sein.




Verantwortlicher Redacteur: Dr. Moritz Busch.
Verlag von F. L. Herdig. -- Druck von C. E. Elbert in Leipzig.

ren Freiwilligen in Wirklichkeit mehr um Vichwegtreiben als um die Befreiung von
Thessalien und Epirus zu thun war. Vollkommen parteiisch endlich ist. was der
Verfasser über die Ursachen der Vertreibung König Ottos bemerkt. Sicher ist, daß
die modernen Griechen ein verdorbenes Geschlecht sind, für die sich nur der begeistern
kann, der sie nicht aus eigner Anschauung kennt. Ebenso sicher aber, daß die Re¬
gierung Konig Ottos große Mängel hatte, daß sie namentlich so gut wie nichts
für die materiellen Interessen des Landes that. Und wenn der Verfasser schließlich
die Zurückberufung des Königs als von der Klugheit und der Gerechtigkeit zugleich
geboten fordert, so ist über dergleichen kein Wort zu verlieren. Am allerwenigsten
aber ist diese Zurückberufung, wie er meint, eine deutsche Angelegenheit. Die baye¬
rische Dynastie hat einen gebrechlichen Thron eingebüßt. Die deutsche Ehre, das
deutsche Interesse hat mit der Sache nicht das Mindeste zu schaffen.


Erinnerungen und Mittheilungen aus Griechenland von Lud¬
wig Roß. Mit einem Vorwort von Otto Jahr. Berlin, l8V3. Verlag von
R. Gärtner. 313 S.

Eine Sammlung von Aufsätzen und Briefen, welche bisher in verschiedenen
Zeitschriften zerstreut waren, und denen Jahr hier eine Biographie vorausgesandt hat,
die vorzüglich die Knaben- und Studentenzeit von Roß eingehend bespricht. Von
besonderen Werthe sind unter den Aufsätzen selbst die „Erinnerungen aus Griechen¬
land", die auf Grund vieljähriger eigner Anschauungen ein ebenso treues als an¬
schauliches Bild von den politischen und gesellschaftlichen Zuständen geben, welche
während der Regentschaft und in den ersten Jahren der Regierung König Ottos in
Griechenland herrschten. Die daran sich schließenden „Mittheilungen aus Griechen¬
land", welche über allerlei persönliche Erlebnisse des verstorbenen Verfassers, über seine
ersten Reisen in Griechenland, über die unter seiner Mitwirkung stattgehabten Ent¬
deckungen von Alterthümern berichten, sind zum Theil schon in die „Königsreiscn".
sowie in die „Archäologischen Aufsätze" verschmolzen und haben somit nur noch
ein theilweises Interesse. Den Schluß bilden zwei kürzere Stücke: Ein Vergleich
zwischen dem Athen von 1832 (wo Roß zuerst nach Griechenland kam) mit dem
Athen von 1836, und das Märchen: Georg und die Störche, welches Roß sich
während einer Seefahrt von einem Schiffer aus Psaros erzählen ließ. Angehängt
ist ein Aufsatz: Fritz Nahr, das Charakterbild eines holsteinischen Schullehrers von
altem Schlag, der zwar nicht entfernt mit hellenischen Dingen zu schaffen hat, aber
in seiner Art immerhin und schon als Reliquie der vielfältigen geistigen Thätigkeit
unseres Autors von Interesse ist. Das Ganze zeigt uns Roß als vortrefflichen
Beobachter von Land und Leuten, als gewandten Erzähler, als gerechten (bisweilen
wohl zu milden) Beurtheilet und vor Allem als liebenswürdigen Menschen, und so
Möge das Buch allen Freunden der Lectüre von Reiseschriften bestens empfohlen sein.




Verantwortlicher Redacteur: Dr. Moritz Busch.
Verlag von F. L. Herdig. — Druck von C. E. Elbert in Leipzig.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115393/328>, abgerufen am 29.04.2024.