Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Zweckmäßigkeit allseitig anerkannt wird, werden von den magyarischen Höheren
Militärs noch immer vertheidigt, man würde gern dieses unbequeme Klei¬
dungsstück ablegen, wenn -- die Deutschen, denen man um keinen Preis gleich
stehe" will, ein anderes wählen würden. So sind die farbigen Aufschläge das
einzige Unterscheidungszeichen, und um so mehr hält man daran fest. -- Man
würde allerdings Gleichförmigkeit, aber auch nur eine gleichförmige Mittelmäßig¬
keit erzielen.

Eilt weiterer Nachtheil würde sich bei der Vermehrung der Jäger heraus¬
stellen. S'i>on jetzt hält es schwer, die erforderlichen Rekruten für das so sehr
vermehrte Zägercorps aufzutreiben, da man hier noch immer auf die besondere
Befähigung achtet. Bei einer abermaligen Vermehrung würde dieses unthun-
lich sein, und man müßte, da man doch nicht die neuen Bataillone allein aus
schlechterem Material zusammensetzen könnte, die Ansprüche im Allgemeinen her¬
absetzen, wodurch natürlich wieder die Qualität der ganzen Truppe vermin¬
dert würde.

Demnach scheint auch die nächste Zukunft die östreichische Infanterie, den
wichtigsten und zahlreichsten Theil des Heeres, auf keine höhere Stufe bringen,
sondern eher ihre Tauglichkeit noch mehr vermindern zu wollen, und nur eine
vollständige Aenderung des bestehenden Systems und der leitenden Persönlich¬
A. D. keiten vermöchte einen günstigen Umschwung herbeizuführen.




Abendländischer Aberglaube im Morgenland.

Wie grundverschieden auch im Großen und Ganzen der Orient, unter
welchem Ausdruck wir im Folgenden nur die vom Islam beherrschten Länder
verstehen, in der Auffassung der Welt und des Lebens, in Charakter und Sitte
ist, wenn man den Occident mit ihm zusammenhält, dennoch finden sich Ver¬
gleichspunkte, in denen beide in auffallender Weise zusammentreffen. Unläug-
var hat sich auf Grund der Bodengestaltung, des Klimas und der allgemeinen
Natur unendlich Vieles hier anders entwickelt als dort, und ohne Zweifel ist
der semitische Geist schon in seiner Uranlage wesentlich ein anderer als der
indogermanische. Von den bekannten großen Zügen, in denen dieser Unter¬
schied hervortritt, ganz zu schweigen, zeigt sich dies schon in Kleinigkeiten, in
Geberden z. B., die uns allen Sterblichen gemeinsam zu sein scheinen. So
selbstverständlich ungefähr wie der Satz, daß zweimal zwei vier macht, kommt
uns der Gebrauch vor, durch Kopfnicken stumm zu bejahen, durch Kopfschütteln
stumm zu verneinen. Der Orientale dagegen betrachtet das Umgekehrte als
ebenso selbstverständlich. Als natürliche Geste sehen wir es an, daß man, um


Zweckmäßigkeit allseitig anerkannt wird, werden von den magyarischen Höheren
Militärs noch immer vertheidigt, man würde gern dieses unbequeme Klei¬
dungsstück ablegen, wenn — die Deutschen, denen man um keinen Preis gleich
stehe» will, ein anderes wählen würden. So sind die farbigen Aufschläge das
einzige Unterscheidungszeichen, und um so mehr hält man daran fest. — Man
würde allerdings Gleichförmigkeit, aber auch nur eine gleichförmige Mittelmäßig¬
keit erzielen.

Eilt weiterer Nachtheil würde sich bei der Vermehrung der Jäger heraus¬
stellen. S'i>on jetzt hält es schwer, die erforderlichen Rekruten für das so sehr
vermehrte Zägercorps aufzutreiben, da man hier noch immer auf die besondere
Befähigung achtet. Bei einer abermaligen Vermehrung würde dieses unthun-
lich sein, und man müßte, da man doch nicht die neuen Bataillone allein aus
schlechterem Material zusammensetzen könnte, die Ansprüche im Allgemeinen her¬
absetzen, wodurch natürlich wieder die Qualität der ganzen Truppe vermin¬
dert würde.

Demnach scheint auch die nächste Zukunft die östreichische Infanterie, den
wichtigsten und zahlreichsten Theil des Heeres, auf keine höhere Stufe bringen,
sondern eher ihre Tauglichkeit noch mehr vermindern zu wollen, und nur eine
vollständige Aenderung des bestehenden Systems und der leitenden Persönlich¬
A. D. keiten vermöchte einen günstigen Umschwung herbeizuführen.




Abendländischer Aberglaube im Morgenland.

Wie grundverschieden auch im Großen und Ganzen der Orient, unter
welchem Ausdruck wir im Folgenden nur die vom Islam beherrschten Länder
verstehen, in der Auffassung der Welt und des Lebens, in Charakter und Sitte
ist, wenn man den Occident mit ihm zusammenhält, dennoch finden sich Ver¬
gleichspunkte, in denen beide in auffallender Weise zusammentreffen. Unläug-
var hat sich auf Grund der Bodengestaltung, des Klimas und der allgemeinen
Natur unendlich Vieles hier anders entwickelt als dort, und ohne Zweifel ist
der semitische Geist schon in seiner Uranlage wesentlich ein anderer als der
indogermanische. Von den bekannten großen Zügen, in denen dieser Unter¬
schied hervortritt, ganz zu schweigen, zeigt sich dies schon in Kleinigkeiten, in
Geberden z. B., die uns allen Sterblichen gemeinsam zu sein scheinen. So
selbstverständlich ungefähr wie der Satz, daß zweimal zwei vier macht, kommt
uns der Gebrauch vor, durch Kopfnicken stumm zu bejahen, durch Kopfschütteln
stumm zu verneinen. Der Orientale dagegen betrachtet das Umgekehrte als
ebenso selbstverständlich. Als natürliche Geste sehen wir es an, daß man, um


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0431" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/115823"/>
            <p xml:id="ID_1264" prev="#ID_1263"> Zweckmäßigkeit allseitig anerkannt wird, werden von den magyarischen Höheren<lb/>
Militärs noch immer vertheidigt, man würde gern dieses unbequeme Klei¬<lb/>
dungsstück ablegen, wenn &#x2014; die Deutschen, denen man um keinen Preis gleich<lb/>
stehe» will, ein anderes wählen würden. So sind die farbigen Aufschläge das<lb/>
einzige Unterscheidungszeichen, und um so mehr hält man daran fest. &#x2014; Man<lb/>
würde allerdings Gleichförmigkeit, aber auch nur eine gleichförmige Mittelmäßig¬<lb/>
keit erzielen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1265"> Eilt weiterer Nachtheil würde sich bei der Vermehrung der Jäger heraus¬<lb/>
stellen. S'i&gt;on jetzt hält es schwer, die erforderlichen Rekruten für das so sehr<lb/>
vermehrte Zägercorps aufzutreiben, da man hier noch immer auf die besondere<lb/>
Befähigung achtet. Bei einer abermaligen Vermehrung würde dieses unthun-<lb/>
lich sein, und man müßte, da man doch nicht die neuen Bataillone allein aus<lb/>
schlechterem Material zusammensetzen könnte, die Ansprüche im Allgemeinen her¬<lb/>
absetzen, wodurch natürlich wieder die Qualität der ganzen Truppe vermin¬<lb/>
dert würde.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1266"> Demnach scheint auch die nächste Zukunft die östreichische Infanterie, den<lb/>
wichtigsten und zahlreichsten Theil des Heeres, auf keine höhere Stufe bringen,<lb/>
sondern eher ihre Tauglichkeit noch mehr vermindern zu wollen, und nur eine<lb/>
vollständige Aenderung des bestehenden Systems und der leitenden Persönlich¬<lb/><note type="byline"> A. D.</note> keiten vermöchte einen günstigen Umschwung herbeizuführen. </p><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          </div>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Abendländischer Aberglaube im Morgenland.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_1267" next="#ID_1268"> Wie grundverschieden auch im Großen und Ganzen der Orient, unter<lb/>
welchem Ausdruck wir im Folgenden nur die vom Islam beherrschten Länder<lb/>
verstehen, in der Auffassung der Welt und des Lebens, in Charakter und Sitte<lb/>
ist, wenn man den Occident mit ihm zusammenhält, dennoch finden sich Ver¬<lb/>
gleichspunkte, in denen beide in auffallender Weise zusammentreffen. Unläug-<lb/>
var hat sich auf Grund der Bodengestaltung, des Klimas und der allgemeinen<lb/>
Natur unendlich Vieles hier anders entwickelt als dort, und ohne Zweifel ist<lb/>
der semitische Geist schon in seiner Uranlage wesentlich ein anderer als der<lb/>
indogermanische. Von den bekannten großen Zügen, in denen dieser Unter¬<lb/>
schied hervortritt, ganz zu schweigen, zeigt sich dies schon in Kleinigkeiten, in<lb/>
Geberden z. B., die uns allen Sterblichen gemeinsam zu sein scheinen. So<lb/>
selbstverständlich ungefähr wie der Satz, daß zweimal zwei vier macht, kommt<lb/>
uns der Gebrauch vor, durch Kopfnicken stumm zu bejahen, durch Kopfschütteln<lb/>
stumm zu verneinen. Der Orientale dagegen betrachtet das Umgekehrte als<lb/>
ebenso selbstverständlich.  Als natürliche Geste sehen wir es an, daß man, um</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0431] Zweckmäßigkeit allseitig anerkannt wird, werden von den magyarischen Höheren Militärs noch immer vertheidigt, man würde gern dieses unbequeme Klei¬ dungsstück ablegen, wenn — die Deutschen, denen man um keinen Preis gleich stehe» will, ein anderes wählen würden. So sind die farbigen Aufschläge das einzige Unterscheidungszeichen, und um so mehr hält man daran fest. — Man würde allerdings Gleichförmigkeit, aber auch nur eine gleichförmige Mittelmäßig¬ keit erzielen. Eilt weiterer Nachtheil würde sich bei der Vermehrung der Jäger heraus¬ stellen. S'i>on jetzt hält es schwer, die erforderlichen Rekruten für das so sehr vermehrte Zägercorps aufzutreiben, da man hier noch immer auf die besondere Befähigung achtet. Bei einer abermaligen Vermehrung würde dieses unthun- lich sein, und man müßte, da man doch nicht die neuen Bataillone allein aus schlechterem Material zusammensetzen könnte, die Ansprüche im Allgemeinen her¬ absetzen, wodurch natürlich wieder die Qualität der ganzen Truppe vermin¬ dert würde. Demnach scheint auch die nächste Zukunft die östreichische Infanterie, den wichtigsten und zahlreichsten Theil des Heeres, auf keine höhere Stufe bringen, sondern eher ihre Tauglichkeit noch mehr vermindern zu wollen, und nur eine vollständige Aenderung des bestehenden Systems und der leitenden Persönlich¬ A. D. keiten vermöchte einen günstigen Umschwung herbeizuführen. Abendländischer Aberglaube im Morgenland. Wie grundverschieden auch im Großen und Ganzen der Orient, unter welchem Ausdruck wir im Folgenden nur die vom Islam beherrschten Länder verstehen, in der Auffassung der Welt und des Lebens, in Charakter und Sitte ist, wenn man den Occident mit ihm zusammenhält, dennoch finden sich Ver¬ gleichspunkte, in denen beide in auffallender Weise zusammentreffen. Unläug- var hat sich auf Grund der Bodengestaltung, des Klimas und der allgemeinen Natur unendlich Vieles hier anders entwickelt als dort, und ohne Zweifel ist der semitische Geist schon in seiner Uranlage wesentlich ein anderer als der indogermanische. Von den bekannten großen Zügen, in denen dieser Unter¬ schied hervortritt, ganz zu schweigen, zeigt sich dies schon in Kleinigkeiten, in Geberden z. B., die uns allen Sterblichen gemeinsam zu sein scheinen. So selbstverständlich ungefähr wie der Satz, daß zweimal zwei vier macht, kommt uns der Gebrauch vor, durch Kopfnicken stumm zu bejahen, durch Kopfschütteln stumm zu verneinen. Der Orientale dagegen betrachtet das Umgekehrte als ebenso selbstverständlich. Als natürliche Geste sehen wir es an, daß man, um

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115393
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115393/431
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115393/431>, abgerufen am 29.04.2024.