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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band.

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auf nationalem Boden gewachsen oder gar völlig germanischen Ursprungs sei.
Wir werden daran um so mehr zweifeln. als wir wissen, daß wir im Norden
auch auf andern Gebieten von Süden und Osten, als den früher cultivirten
Theilen der alten Welt, mehr empfangen, als dahin abgegeben haben.




Die Auslösung des Abgeordnetenhauses.

Drei der deutschen Souveräne, welche zu Frankfurt versammelt waren, ent¬
zogen sich dem östreichischen Reformplan, weil sie die Idee eines nationalen
Bundesstaates nicht opfern wollten: Baden. Weimar, Waldeck; drei andere,
weil sie dem gegenwärtigen Preußen anhängen: Schwerin, Altenburg, Neuß j. L.;
Lippe-Detmold war ausgeblieben. Luxemburg (anwesend) und Holstein (nicht ver¬
treten) folgen nicht deutscher Politik. Auch die Stimmen, welche den Reform-
plan annahmen, thaten es nur für so lange, bis die nichtanwesenden Sou¬
veräne denselben angenommen oder einen Gegenplan aufgestellt hätten.

Wie viel oder wenig eine solche bedingte und keineswegs klare Verpflich¬
tung bedeutet, das wird davon abhängen, wie in Preußen sich die Dinge ent¬
wickeln. Ob die Annahme des Entwurfs sich als höfliche Form für Ablehnung
erweist, ob sie für Oestreich eine Handhabe wird zu neuen Operationen, das
vermag selbst von den hohen Unterzeichnern Niemand vorauszusagen. Die Ge¬
fahr ist verschoben, nicht beseitigt.

Allerdings ergab der Fürstentag für Oestreich nicht das glänzende Resultat,
welches in der Begeisterung der Eröffnungstage von der großdeutschen Partei
gehofft wurde. Unläugbar hat das Auftreten Oestreichs selbst dazu beigetragen.
Denn während der Kaiser durch persönliche Courtoisie Alles that, sein Werk zu
fördern, war in der sachlichen Behandlung der Geschäfte eine Hast, Schroffheit
und ein imperatorisches Wesen fühlbar, welches sämmtliche Mitglieder der Con-
ferenzen immer wieder, ängstlich und mißtrauisch machte. Und diese Fehler
Oestreichs sind uns zu Gute gekommen.

Ein ähnliches Doppclgesicht hat Preußen während der Verhandlungen ge¬
zeigt. Und sein Verhalten hat wieder den Plänen Oestreichs mehr Vorschub
geleistet als alle Liebenswürdigkeit des Kaisers gegen Souveräne und Diplo¬
maten vermochte, so viel Vorschub, daß selbst die drängenden Memorials des Herrn
v. Nechberg zum Theil unschädlich gemacht wurden. Und es ist eine That¬
sache, welche Freunden und Gegnern auf dem Kongresse deutlich wurde, daß
auch der zweifelhafte und ungenügende Erfolg des östreichischen Projects nur
durch die Politik, welche Preußen seit dem 3. August beobachtet hat, möglich
geworden ist. Hätte Preußen vom ersten Tage an dem Kaiser in Gastein fest
erklärt, daß es diesen Congreß, so eingeleitet und zusammenberufen, für eine


auf nationalem Boden gewachsen oder gar völlig germanischen Ursprungs sei.
Wir werden daran um so mehr zweifeln. als wir wissen, daß wir im Norden
auch auf andern Gebieten von Süden und Osten, als den früher cultivirten
Theilen der alten Welt, mehr empfangen, als dahin abgegeben haben.




Die Auslösung des Abgeordnetenhauses.

Drei der deutschen Souveräne, welche zu Frankfurt versammelt waren, ent¬
zogen sich dem östreichischen Reformplan, weil sie die Idee eines nationalen
Bundesstaates nicht opfern wollten: Baden. Weimar, Waldeck; drei andere,
weil sie dem gegenwärtigen Preußen anhängen: Schwerin, Altenburg, Neuß j. L.;
Lippe-Detmold war ausgeblieben. Luxemburg (anwesend) und Holstein (nicht ver¬
treten) folgen nicht deutscher Politik. Auch die Stimmen, welche den Reform-
plan annahmen, thaten es nur für so lange, bis die nichtanwesenden Sou¬
veräne denselben angenommen oder einen Gegenplan aufgestellt hätten.

Wie viel oder wenig eine solche bedingte und keineswegs klare Verpflich¬
tung bedeutet, das wird davon abhängen, wie in Preußen sich die Dinge ent¬
wickeln. Ob die Annahme des Entwurfs sich als höfliche Form für Ablehnung
erweist, ob sie für Oestreich eine Handhabe wird zu neuen Operationen, das
vermag selbst von den hohen Unterzeichnern Niemand vorauszusagen. Die Ge¬
fahr ist verschoben, nicht beseitigt.

Allerdings ergab der Fürstentag für Oestreich nicht das glänzende Resultat,
welches in der Begeisterung der Eröffnungstage von der großdeutschen Partei
gehofft wurde. Unläugbar hat das Auftreten Oestreichs selbst dazu beigetragen.
Denn während der Kaiser durch persönliche Courtoisie Alles that, sein Werk zu
fördern, war in der sachlichen Behandlung der Geschäfte eine Hast, Schroffheit
und ein imperatorisches Wesen fühlbar, welches sämmtliche Mitglieder der Con-
ferenzen immer wieder, ängstlich und mißtrauisch machte. Und diese Fehler
Oestreichs sind uns zu Gute gekommen.

Ein ähnliches Doppclgesicht hat Preußen während der Verhandlungen ge¬
zeigt. Und sein Verhalten hat wieder den Plänen Oestreichs mehr Vorschub
geleistet als alle Liebenswürdigkeit des Kaisers gegen Souveräne und Diplo¬
maten vermochte, so viel Vorschub, daß selbst die drängenden Memorials des Herrn
v. Nechberg zum Theil unschädlich gemacht wurden. Und es ist eine That¬
sache, welche Freunden und Gegnern auf dem Kongresse deutlich wurde, daß
auch der zweifelhafte und ungenügende Erfolg des östreichischen Projects nur
durch die Politik, welche Preußen seit dem 3. August beobachtet hat, möglich
geworden ist. Hätte Preußen vom ersten Tage an dem Kaiser in Gastein fest
erklärt, daß es diesen Congreß, so eingeleitet und zusammenberufen, für eine


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115393/447>, abgerufen am 29.04.2024.