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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band.

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Der Lehrpllm der Jesuiten.

Die Berufung der Jesuiten an das Gymnasium zu Feldkirch zählt zu den
schönsten Thaten des Ministeriums Thun. Ihre Lehranstalt in Freiburg war
zum großen Schmerz der gottesfürchtiger Männer seit Jahren eingegangen, da
sannen sie und die "Ihrigen" auf ein neues Asyl für ihre Pflanzschule und
ersahen sich dafür jenes Städtlein Vorarlbergs, das in der Mitte Bayerns,
Würtembergs. Badens und der Schweiz auf östreichischen Boden gelegen sich
auch des Schutzes der frommen Hofpartei in Wien erfreuen mochte.

Gras Leo Thun hatte zwar in den ersten Jahren seiner Wirksamkeit für
den östreichischen Unterricht einen neuen Entwurf zur Organisirung der Gym¬
nasien anfertigen lassen, der dem ihren fast schnurstracks entgegenlief; allein derselbe
war nur provisorisch eingeführt, es gab Viele, die sich wieder nach den alten
Fleischtöpfen Aegyptens, nach der glücklichen Zeit gedankenlosen Gedächtni߬
krams und seichten Flitters zurücksehnten, und dem Minister scheint eine Ver¬
einigung beider Methoden nicht für unmöglich gegolten zu haben. Nur daraus
können wir uns die von ihm am 20. November 1833 an den Ordensgeneral
der Jesuiten ?. Beckx in Rom gerichtete Anfrage erklären: "Ob die Gesell¬
schaft Jesu in der Lage sei, bei Entwickelung ihrer Thätigkeit im Gymnasial¬
unterricht sich in jeder Beziehung nach den in den östreichischen Staaten be¬
stehenden Vorschriften zu benehmen, oder ob und in wie fern etwa ihre eigen¬
thümlichen Verhältnisse mit diesen Vorschriften in unvermeidlichen Widerspruch
gerathen und deshalb Ausnahmsbestimmungen erheischen und rechtfertigen wür¬
den." Mehr als ein halbes Jahr zögerte der Jesuitengeneral mit seiner Ant'
wort, er wußte ja, daß der östreichische Unterrichtsminister ihm dies "gerne
verzeihen" werde, und war seiner Gunst so versichert, daß er die von ihm ge¬
forderten Zugeständnisse als ein längst erworbenes Recht, als unwiderrufliches
Privilegium in Anspruch nahm. "Vor Allem," sagte er. "gehe ich von dem
Grundsätze aus, daß durch die mit allerhöchster Entschließung vom 23. Juni
1851 erfolgte Außerkraftsetzung des Aufhebungsdekretes vom 7. Mai 1848 die
Gesellschaft Jesu in Oestreich wieder in ihren vorigen Stand eingesetzt ist, und
daher die ihr mit den allerhöchsten Entschließungen vom 18. November 1827
und 19. Mai^ 1836 zuerkannte Gewährleistung der ihr eigenthümlichen Ordens¬
und Studienverfassung in Kraft bestehe." Die mittlerweile für ganz Oestreich
eingeführte neue Gymnasialverfassung bestand also für die Jesuiten gar nicht,
die mit dem früheren Schulplan vereinbarten Ausnahmsbestimmungen galten
auch für den neuen und überhaupt für alle Zeiten und unter allen Umständen,


Der Lehrpllm der Jesuiten.

Die Berufung der Jesuiten an das Gymnasium zu Feldkirch zählt zu den
schönsten Thaten des Ministeriums Thun. Ihre Lehranstalt in Freiburg war
zum großen Schmerz der gottesfürchtiger Männer seit Jahren eingegangen, da
sannen sie und die „Ihrigen" auf ein neues Asyl für ihre Pflanzschule und
ersahen sich dafür jenes Städtlein Vorarlbergs, das in der Mitte Bayerns,
Würtembergs. Badens und der Schweiz auf östreichischen Boden gelegen sich
auch des Schutzes der frommen Hofpartei in Wien erfreuen mochte.

Gras Leo Thun hatte zwar in den ersten Jahren seiner Wirksamkeit für
den östreichischen Unterricht einen neuen Entwurf zur Organisirung der Gym¬
nasien anfertigen lassen, der dem ihren fast schnurstracks entgegenlief; allein derselbe
war nur provisorisch eingeführt, es gab Viele, die sich wieder nach den alten
Fleischtöpfen Aegyptens, nach der glücklichen Zeit gedankenlosen Gedächtni߬
krams und seichten Flitters zurücksehnten, und dem Minister scheint eine Ver¬
einigung beider Methoden nicht für unmöglich gegolten zu haben. Nur daraus
können wir uns die von ihm am 20. November 1833 an den Ordensgeneral
der Jesuiten ?. Beckx in Rom gerichtete Anfrage erklären: „Ob die Gesell¬
schaft Jesu in der Lage sei, bei Entwickelung ihrer Thätigkeit im Gymnasial¬
unterricht sich in jeder Beziehung nach den in den östreichischen Staaten be¬
stehenden Vorschriften zu benehmen, oder ob und in wie fern etwa ihre eigen¬
thümlichen Verhältnisse mit diesen Vorschriften in unvermeidlichen Widerspruch
gerathen und deshalb Ausnahmsbestimmungen erheischen und rechtfertigen wür¬
den." Mehr als ein halbes Jahr zögerte der Jesuitengeneral mit seiner Ant'
wort, er wußte ja, daß der östreichische Unterrichtsminister ihm dies „gerne
verzeihen" werde, und war seiner Gunst so versichert, daß er die von ihm ge¬
forderten Zugeständnisse als ein längst erworbenes Recht, als unwiderrufliches
Privilegium in Anspruch nahm. „Vor Allem," sagte er. „gehe ich von dem
Grundsätze aus, daß durch die mit allerhöchster Entschließung vom 23. Juni
1851 erfolgte Außerkraftsetzung des Aufhebungsdekretes vom 7. Mai 1848 die
Gesellschaft Jesu in Oestreich wieder in ihren vorigen Stand eingesetzt ist, und
daher die ihr mit den allerhöchsten Entschließungen vom 18. November 1827
und 19. Mai^ 1836 zuerkannte Gewährleistung der ihr eigenthümlichen Ordens¬
und Studienverfassung in Kraft bestehe." Die mittlerweile für ganz Oestreich
eingeführte neue Gymnasialverfassung bestand also für die Jesuiten gar nicht,
die mit dem früheren Schulplan vereinbarten Ausnahmsbestimmungen galten
auch für den neuen und überhaupt für alle Zeiten und unter allen Umständen,


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[0470] Der Lehrpllm der Jesuiten. Die Berufung der Jesuiten an das Gymnasium zu Feldkirch zählt zu den schönsten Thaten des Ministeriums Thun. Ihre Lehranstalt in Freiburg war zum großen Schmerz der gottesfürchtiger Männer seit Jahren eingegangen, da sannen sie und die „Ihrigen" auf ein neues Asyl für ihre Pflanzschule und ersahen sich dafür jenes Städtlein Vorarlbergs, das in der Mitte Bayerns, Würtembergs. Badens und der Schweiz auf östreichischen Boden gelegen sich auch des Schutzes der frommen Hofpartei in Wien erfreuen mochte. Gras Leo Thun hatte zwar in den ersten Jahren seiner Wirksamkeit für den östreichischen Unterricht einen neuen Entwurf zur Organisirung der Gym¬ nasien anfertigen lassen, der dem ihren fast schnurstracks entgegenlief; allein derselbe war nur provisorisch eingeführt, es gab Viele, die sich wieder nach den alten Fleischtöpfen Aegyptens, nach der glücklichen Zeit gedankenlosen Gedächtni߬ krams und seichten Flitters zurücksehnten, und dem Minister scheint eine Ver¬ einigung beider Methoden nicht für unmöglich gegolten zu haben. Nur daraus können wir uns die von ihm am 20. November 1833 an den Ordensgeneral der Jesuiten ?. Beckx in Rom gerichtete Anfrage erklären: „Ob die Gesell¬ schaft Jesu in der Lage sei, bei Entwickelung ihrer Thätigkeit im Gymnasial¬ unterricht sich in jeder Beziehung nach den in den östreichischen Staaten be¬ stehenden Vorschriften zu benehmen, oder ob und in wie fern etwa ihre eigen¬ thümlichen Verhältnisse mit diesen Vorschriften in unvermeidlichen Widerspruch gerathen und deshalb Ausnahmsbestimmungen erheischen und rechtfertigen wür¬ den." Mehr als ein halbes Jahr zögerte der Jesuitengeneral mit seiner Ant' wort, er wußte ja, daß der östreichische Unterrichtsminister ihm dies „gerne verzeihen" werde, und war seiner Gunst so versichert, daß er die von ihm ge¬ forderten Zugeständnisse als ein längst erworbenes Recht, als unwiderrufliches Privilegium in Anspruch nahm. „Vor Allem," sagte er. „gehe ich von dem Grundsätze aus, daß durch die mit allerhöchster Entschließung vom 23. Juni 1851 erfolgte Außerkraftsetzung des Aufhebungsdekretes vom 7. Mai 1848 die Gesellschaft Jesu in Oestreich wieder in ihren vorigen Stand eingesetzt ist, und daher die ihr mit den allerhöchsten Entschließungen vom 18. November 1827 und 19. Mai^ 1836 zuerkannte Gewährleistung der ihr eigenthümlichen Ordens¬ und Studienverfassung in Kraft bestehe." Die mittlerweile für ganz Oestreich eingeführte neue Gymnasialverfassung bestand also für die Jesuiten gar nicht, die mit dem früheren Schulplan vereinbarten Ausnahmsbestimmungen galten auch für den neuen und überhaupt für alle Zeiten und unter allen Umständen,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115393/470>, abgerufen am 29.04.2024.