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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band.

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Die Lmidesvtlsmmllliiilq der schwäbischen Fortschrittspartei
zu Eßlingen.

Als am 3. Febr. 1861 die Landesversammlung zu Eßlingen den Beschluß
faßte, den Beitritt zum Nationalverein zu empfehlen, geschah dieser Anschluß
an die nationale Partei mit gewissen Resirictionen und Vorbehalten, die aller¬
dings mehr in den vorausgehenden Debatten, als im Beschlusse selbst sich
kund gaben. Auch war jenes Ergebniß zum Theil fremder Einwirkung, der
Beredsamkeit eines Apostels des Nationalvereins zu verdanken, weiche siegreich
über die Bedenken einzelner Wortführer im Verein mit den feurigen Mahnun¬
gen Anderer die Menge mit sich fortriß. Wurde von nun an in den Blättern
der Partei die Polemik gegen den Stationalvercin eingestellt oder sehr ermäßigt,
so war doch nicht zu läugnen, daß die Betheiligung an dem Verein auch nach
Eßlingen eine ziemlich laue blieb. Das ganze Verhalten Würtembergs während
der letzten zwei Jahre bewies, daß es seine eigenthümliche Sonderstellung zur
nationalen Sache noch nicht völlig aufgegeben hatte. Gleichwohl bezeichnete
jener Tag einen Wendepunkt, das Eis war wenigstens gebrochen; daß es in
der Zwischenzeit nahezu vollends aufthaute, bewies der Erfolg der Landesver¬
sammlung, die nach fast zwei Jahren am 14. Dec. d. I. abermals in Eßlingen
gehalten wurde.

Wir möchten die Bedeutung dieses Erfolgs nicht überschätzen. Es dürfte
sich fragen, ob in den paar hundert zu Eßlingen Erschienenen die durchschnitt¬
liche politische Bildung und Ueberzeugung Schwabens vertreten war. In
früheren Artikeln haben wir die Gründe entwickelt, aus welchen die altlibcrale
Partei sich von der politischen Action im Großen, speciell von aller Theil
nähme an den nationalen Bestrebungen fast gänzlich zurückgezogen hat. So
war auch in Eßlingen fast nur die Demokratie vertreten, wie überhaupt die
Nationalpartei, wie einmal die Dinge liegen, in Schwaben ihre Anknüpfungs¬
punkte eigentlich nur ans dieser Seite zu suchen hat. Aber eben der politisch
rührige, für die nationalen Fragen empfängliche und thätige Theil der Be¬
völkerung war unzweifelhaft vertreten, und während schon hierdurch jener Mangel
sich wieder ausgleicht, kommt dazu noch die eigenthümliche Art der Gegensätze,
welche sich hier maßen und die Entscheidung allerdings zu einer bedeutungs¬
vollen machten.

Wenn anderswo in Deutschland politische Versammlungen zur Berathung
der nationalen Fragen stattfinden, so sind sie entweder von Freunden des
Nationalvereins oder von Freunden des Bundestags, von Kleindeutschen oder


Die Lmidesvtlsmmllliiilq der schwäbischen Fortschrittspartei
zu Eßlingen.

Als am 3. Febr. 1861 die Landesversammlung zu Eßlingen den Beschluß
faßte, den Beitritt zum Nationalverein zu empfehlen, geschah dieser Anschluß
an die nationale Partei mit gewissen Resirictionen und Vorbehalten, die aller¬
dings mehr in den vorausgehenden Debatten, als im Beschlusse selbst sich
kund gaben. Auch war jenes Ergebniß zum Theil fremder Einwirkung, der
Beredsamkeit eines Apostels des Nationalvereins zu verdanken, weiche siegreich
über die Bedenken einzelner Wortführer im Verein mit den feurigen Mahnun¬
gen Anderer die Menge mit sich fortriß. Wurde von nun an in den Blättern
der Partei die Polemik gegen den Stationalvercin eingestellt oder sehr ermäßigt,
so war doch nicht zu läugnen, daß die Betheiligung an dem Verein auch nach
Eßlingen eine ziemlich laue blieb. Das ganze Verhalten Würtembergs während
der letzten zwei Jahre bewies, daß es seine eigenthümliche Sonderstellung zur
nationalen Sache noch nicht völlig aufgegeben hatte. Gleichwohl bezeichnete
jener Tag einen Wendepunkt, das Eis war wenigstens gebrochen; daß es in
der Zwischenzeit nahezu vollends aufthaute, bewies der Erfolg der Landesver¬
sammlung, die nach fast zwei Jahren am 14. Dec. d. I. abermals in Eßlingen
gehalten wurde.

Wir möchten die Bedeutung dieses Erfolgs nicht überschätzen. Es dürfte
sich fragen, ob in den paar hundert zu Eßlingen Erschienenen die durchschnitt¬
liche politische Bildung und Ueberzeugung Schwabens vertreten war. In
früheren Artikeln haben wir die Gründe entwickelt, aus welchen die altlibcrale
Partei sich von der politischen Action im Großen, speciell von aller Theil
nähme an den nationalen Bestrebungen fast gänzlich zurückgezogen hat. So
war auch in Eßlingen fast nur die Demokratie vertreten, wie überhaupt die
Nationalpartei, wie einmal die Dinge liegen, in Schwaben ihre Anknüpfungs¬
punkte eigentlich nur ans dieser Seite zu suchen hat. Aber eben der politisch
rührige, für die nationalen Fragen empfängliche und thätige Theil der Be¬
völkerung war unzweifelhaft vertreten, und während schon hierdurch jener Mangel
sich wieder ausgleicht, kommt dazu noch die eigenthümliche Art der Gegensätze,
welche sich hier maßen und die Entscheidung allerdings zu einer bedeutungs¬
vollen machten.

Wenn anderswo in Deutschland politische Versammlungen zur Berathung
der nationalen Fragen stattfinden, so sind sie entweder von Freunden des
Nationalvereins oder von Freunden des Bundestags, von Kleindeutschen oder


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[0014] Die Lmidesvtlsmmllliiilq der schwäbischen Fortschrittspartei zu Eßlingen. Als am 3. Febr. 1861 die Landesversammlung zu Eßlingen den Beschluß faßte, den Beitritt zum Nationalverein zu empfehlen, geschah dieser Anschluß an die nationale Partei mit gewissen Resirictionen und Vorbehalten, die aller¬ dings mehr in den vorausgehenden Debatten, als im Beschlusse selbst sich kund gaben. Auch war jenes Ergebniß zum Theil fremder Einwirkung, der Beredsamkeit eines Apostels des Nationalvereins zu verdanken, weiche siegreich über die Bedenken einzelner Wortführer im Verein mit den feurigen Mahnun¬ gen Anderer die Menge mit sich fortriß. Wurde von nun an in den Blättern der Partei die Polemik gegen den Stationalvercin eingestellt oder sehr ermäßigt, so war doch nicht zu läugnen, daß die Betheiligung an dem Verein auch nach Eßlingen eine ziemlich laue blieb. Das ganze Verhalten Würtembergs während der letzten zwei Jahre bewies, daß es seine eigenthümliche Sonderstellung zur nationalen Sache noch nicht völlig aufgegeben hatte. Gleichwohl bezeichnete jener Tag einen Wendepunkt, das Eis war wenigstens gebrochen; daß es in der Zwischenzeit nahezu vollends aufthaute, bewies der Erfolg der Landesver¬ sammlung, die nach fast zwei Jahren am 14. Dec. d. I. abermals in Eßlingen gehalten wurde. Wir möchten die Bedeutung dieses Erfolgs nicht überschätzen. Es dürfte sich fragen, ob in den paar hundert zu Eßlingen Erschienenen die durchschnitt¬ liche politische Bildung und Ueberzeugung Schwabens vertreten war. In früheren Artikeln haben wir die Gründe entwickelt, aus welchen die altlibcrale Partei sich von der politischen Action im Großen, speciell von aller Theil nähme an den nationalen Bestrebungen fast gänzlich zurückgezogen hat. So war auch in Eßlingen fast nur die Demokratie vertreten, wie überhaupt die Nationalpartei, wie einmal die Dinge liegen, in Schwaben ihre Anknüpfungs¬ punkte eigentlich nur ans dieser Seite zu suchen hat. Aber eben der politisch rührige, für die nationalen Fragen empfängliche und thätige Theil der Be¬ völkerung war unzweifelhaft vertreten, und während schon hierdurch jener Mangel sich wieder ausgleicht, kommt dazu noch die eigenthümliche Art der Gegensätze, welche sich hier maßen und die Entscheidung allerdings zu einer bedeutungs¬ vollen machten. Wenn anderswo in Deutschland politische Versammlungen zur Berathung der nationalen Fragen stattfinden, so sind sie entweder von Freunden des Nationalvereins oder von Freunden des Bundestags, von Kleindeutschen oder

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493/14>, abgerufen am 23.04.2024.